Dr. Walter Brugger, der seinen Lebensabend in Marquartstein verbringt und Siegi Götze haben eine neue Broschüre verfasst und im Marquartsteiner Rathaus vorgestellt. Sie trägt den Titel „Burg- und Schlosskirche in Marquartstein . Die Broschüre ist u.a. bei der Tourist Info im Marquartsteiner Rathaus, bei der Buchhandlung Mengedoht (www.buchhandlung-mengedoht.de) in Marquartstein oder bei Siegi Götze, Telefon 08641-7241 für den Preis von 10 Euro zu haben.
,Ob die Marquartsteiner überhaupt wissen, was sie haben?‘, das sei ihm bei seinen Recherchen zum Marquartsteiner Burgkircherl immer wieder durch den Kopf geschossen, bekannte der Theologe Dr. Watter Brugger. Der 94-jährige Brugger mit dem messerscharfen Verstand eines 49-jährigen wohnt seit rund zwei Jahren in Marquartstein. Nun hat er zusammen mit Siegi Götze, der die Geschichte Marquartsteins kennt wie nur wenige andere, erstmals alles Wissenswerte zum Burgkircherl in einem Buch zusammengetragen. Im gut gefüllten Rathaussaal haben die beiden Autoren ihr Werk ,Burg- und Schlosskirche Marquartstein‘ nun vor rund 40 Zuhörern präsentiert. ,Ein echtes Juwel ist es, euer Burgkircherr — Brugger muss es wissen, als Verfasser zahlreicher Kirchenführer, ehemaliger Pfarrer von St. Georg in Freising und St. Andreas in Berchtesgaden sowie Kurat der Wies bei Freising kennt er unzählige Kirchen in Oberbayern und auch darüber hinaus.
Pfarrer entlarvt Irrtümer in der Kirchenliteratur
Der Glanz des Burgkircherls, eines nach Bruggers Ansicht bislang noch zu wenig beachteten 700-jährigen Juwels liege einerseits in einem romanisch-gotischen Kernbau, andererseits in der Inneneinrichtung, die sich vom Frühbarock über die Rokokozeit bis hin zu einem klassizistischen Ensemble mit drei Altären, Kanzel und Kreuz erstrecke. Das Ensemble weise eine Geschlossenheit, die hier in der Region seinesgleichen suche. Noch bedeutsamer sei jedoch die Bildausstattung: Im Hochaltar findet sich ein Bild des Genueser Malers Giulio Benso aus der Zeit um 1633 und in den Seitenaffären zwei vom Salzburger Erzbischof Fürst zu Schwarzenberg geschenkte Bilder, die der Salzburger Hofmaler Jakob Zanusi um 1725 gemalt hat Im Hinblick auf diese Bilder räumen Brugger und Götze in ihrem neuen Führer mit schwerwiegenden Verwechslungen von Heiligen auf, Brugger kann solche Fehler kaum fassen: ,Ja, kennt man denn die Heiligen nicht mehr!‘ Das Bild des linken Seitenaltares zeige Maria mit dem Jesuskind und den Heiligen Johannes Nepomuk, ganz klar erkennbar an Kreuz und Handgelenksfessel, und nicht etwa Johann von Gott. Im Bild des rechten Seitenaltars sei die Heilige Familie dargestellt, keineswegs der greise Simeon mit Maria und dem Jesuskind. Diesen Irrtum konnte Brugger aufgrund seines Wissens um sehr ähnliche Bilder in Mondsee und Tamsweg aufdecken. Doch auch weitere Inkorrektheiten, die sich durch die Abschreibe-Literatur der letzten 1250 Jahre in der Geschichte und Kunstgeschichte ziehen, werden aufgedeckt. ,Brugger ist der ungläubigste Pfarrer, den man sich vorstellen kann — er hat alles hinterfragt und neu recherchiert‘, begeisterte sich Co-Autor Götze. So gebe es nur einen Marquart, den Erbauer der Burg Marquartstein, nicht etwa Vater und Sohn. Auch der Brand der Burgkirche von 1843 sei fälschlicherweise auf den 3. Februar datiert, im neuen Kirchenführer findet sich ein Augenzeugenbericht, wonach der Brand vom 1. auf den 2. Februar stattgefunden hat.
König Ludwig I. höchstpersönlich genehmigte Schwarzbau
Nach dem Brand — so Brugger weiter — habe eine Welle der Hilfsbereitschaft nicht nur das Dorf, sondern das ganze Achental, ja die ganze Region erfasst. Von einer ähnlichen Solidarität habe er in Bezug auf andere Gotteshäuser nie gehört, zeigte er sich beeindruckt. Mit dem damaligen Pfarrer Reisenberger habe man mit dem Wiederaufbau in Marquartstein einfach losgelegt, ohne die langwierigen behördlichen Genehmigungen abzuwarten. Ein knappes halbes Jahr später sei beim Erzbischöflichen Ordinariat die Frage aufgekommen, warum mit der Brandruine von St. Veit eigentlich nichts weiter passiere — zu aller Überraschung habe die Bauinspektion ergeben, dass das zerstörte Kirchlein bereits wieder einen neuen Dachstuhl hat Die Behörden hätten empört reagiert: „Schwarzbau‘ hätte der Vorwurf gelautet, Konsequenzen gedroht. Schlussendlich sei die Angelegenheit auf dem Schreibtisch von König Ludwig I gelandet, der ,in Berücksichtigung … des von den Gemeindeangehörigen zu Marquartstein durch Leistungen aller Art für den Wiederaufbau ihrer Kirche bewiesenen Eifers‘ den Bau höchstpersönlich genehmigt und das Engagement vor Ort gewürdigt habe. Am 3. August 1845 sei es endlich soweit gewesen und man habe die vorgezogene Benediktion feiern können.
Kaiserin Sissis Mutter erbarmte sich der Marquartsteiner Kinder
Auch in den Folgejahren sei die Hilfsbereitschaft nicht abgerissen. Schullehrer Johann Nepomuk Adler, der sich bereits zuvor mit Herzblut für den Wiederaufbau der Kirche eingesetzt und über Beziehungen zu den königlichen Hoheiten nach München verfügt habe, habe 1846 ein Schreiben in die Landeshauptstadt geschickt und um Schenkung von Ciborium und Kelch für die Feier der Heiligen Kommunion in Marquartstein gebeten. Denn ,in rauer Winterszeit sei es den Alten und Kindern unmöglich in die ,eine Stunde entfernte Kirche nach Grassau zu gehen‘. Die Bitte sei erhört und eine Spendensammlung organisiert worden. Münchner Bürger und Hofangestellte hätten gespendet, aber auch namhafte Persönlichkeiten: die Mutter von Kaiserin Sissi ebenso wie Auguste, die Schwester von König Ludwig I., und die Kaiserin von Brasilien, die beim Kaffeekränzchen zusammengehockt seien. Bereits im März 1847 seien die gewünschten liturgischen Gefäße mit einem königlichen Eilwagen in Marquartstein eingetroffen. ,Das Ciborium ist etwas ganz Besonderes,‘ betonte Brugger. Gefertigt habe die Gefäße Georg Sanctjohannser, ein auch am königlichen Hof geschätzter Silberschmied. Die Zuhörer folgten den neuen Erkenntnissen mit gespannten Gesichtern und genossen in den Pausen die Musik der jungen Saitentratzer, einem Geschwisterpaar mit Hackbrett und Harfe aus Reit im Winkl. Marquartsteins Bürgermeister Andreas Scheck zeigte sich sehr angetan von dem neuen Werk und dankte den Autoren für ihre engagierte Recherchearbeit: Dass es Sie nach Marquartstein verschlagen hat, Pfarrer Brugger, das nenne ich göttliche Fügung —hier hat eine Aufgabe auf Sie gewartet‘
Das Buch ,Burg- und Schlosskirche Marquartstein‘ ist im Plenk Verlag Berchtesgaden erschienen und für 10 Euro bei der Buchhandlung Mengedoht in Marquartstein sowie bei der Tourist-Information in Marquartstein erhältlich.
Bericht und Foto: Ute Fembacher, Gemeinde Marquartstein – Siegi Götze und Prälat Dr. Walter Brugger