Leitartikel

Nachruf für Carmen Kühnl: ein Leben für die Volksmusik

Veröffentlicht von Rainer Nitzsche

Carmen Kühnl ist am 12. Februar nach langer Krankheit im Alter von 70 Jahren gestorben. Einige Hundert Menschen waren zu Carmens Abschiedsfeier gekommen. Für die letzten Wochen ihres Lebens gab es einen geschützten Raum im Hospiz in Germering. Dort fühlte sich Carmen gut aufgehoben. Bis zuletzt nahm sie alles um sich herum wahr, wusste, dass ihre Lieblingsmenschen bei ihr waren, sie war nicht allein. Der Besuch der Geschwister, die Anwesenheit ihres Ehemanns halfen ihr so sehr.

Das Herz von Carmen Kühnl gehörte der Volksmusik. Deswegen ist sie auch 1992 in den VVV, den Verein für Volkslied und Volksmusik e. V., eingetreten. Der Fanderl Wastl hatte diesen Verein 1965 mit einigen bekannten Mitstreitern aus der Volksmusikszene gegründet. Im Sommer 2010, also vor gut 12 ½ Jahren, wurde die Carmen zur Vorsitzenden gewählt. Mit einem bewundernswerten Engagement und einem beeindruckenden Arbeitspensum widmete sie  sich dort der Volksmusik.

In Carmens Leben war viel Musik. Carmen hat sehr gut gesungen. In einem BR-Beitrag sagte sie: „Selber singen macht schön. Vom Zuhören ist noch keiner schön geworden.“ Ja, Carmen war ein musikalischer und schöner Mensch, ihre Schönheit kam von innen, sie strahlte. Ihr Blick auf die Welt war ein positiver, voller Optimismus schritt sie durchs Leben. Ihr außerordentliches Engagement für den Verein für Volkslied und Volksmusik spricht Bände.

Peter Igl als langjähriger Begleiter im Vorstand des Vereins für Volkslied und Volksmusik würdigte das Schaffen von Carmen im Verein.

Auf ihre Anregung hin wurde der Verein Mitveranstalter des Innsbrucker Volksmusik-Wettbewerbs, der in Volksmusikkreisen hierzulande durchaus umstritten ist, insbesondere weil er schwerpunktmäßig Spitzenförderung betreibt. Volksmusikförderung für Kinder und Jugendliche auf breiter Ebene wäre wichtiger, sagen manche. Carmen Kühnl war der Ansicht, dass man sich um Beides kümmern müsse, um die Zukunft der Volksmusik zu sichern. Desweiteren hat Carmen Kühnl 2014 einen Stammtisch für junge Musikanten ins Leben gerufen hat, der monatlich im Münchner Hofbräuhaus stattfindet.

Der Verein war viele Jahre fast ausschließlich auf Oberbayern ausgerichtet. Carmen Kühnl nahm bald nach ihrer Wahl schon Kontakte mit Niederbayern und Schwaben auf, später auch mit der Oberpfalz. Da traf es sich ganz gut, dass sie lange Jahre in der Redaktion der Sänger- und Musikantenzeitung, jetzt „Zwiefach“, tätig war. Dort konnte man sich regelmäßig mit Gleichgesinnten aus anderen Regierungsbezirken treffen. Wichtig war der Carmen auch der regelmäßige Kontakt mit den Vorsitzenden der verschiedenen Volksmusikvereine in Oberbayern und dem Volksmusikarchiv in Bruckmühl, um sich zu informieren, auszutauschen und Ideen zu sammeln.

Lange Zeit hatte sich der Verein fast ausschließlich um Volkslied und Volkmusik gekümmert. Die dritte Säule, den Volkstanz, hatte man vernachlässigt. Vor einigen Jahren streckte Carmen Kühnl deshalb ihre Fühler auch in diese Richtung aus. Mit dem Arbeitskreis „Zukunft Volkstanz“ wurde ein Partner gefunden, mit dem man in diesem Bereich zusammenarbeiten konnte. Ein erstes Projekt wurde inzwischen schon verwirklicht.

Auch die Pflege von Kontakten war für die Carmen sehr wichtig. Trotz der vielen Aufgaben, die sie bereits hatte, kümmerte sie sich darum mit Hingabe. Sie korrespondierte beispielsweise immer wieder einmal mit den Töchtern vom Fanderl Wastl, dem Gründer des Vereins. Im Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag von Clara Huber, der Witwe von Prof. Kurt Huber, nahm sie Kontakt mit der Familie Huber auf. Clara Huber war viele Jahre nicht nur Mitglied im Verein, sondern verwaltete mit Hingabe die Kasse. Carmen pflegte auch gute Kontakte zu betagten Mitgliedern und gratulierte zu runden Geburtstagen, wenn sie die Daten wusste. Dabei kümmerte sie sich nicht nur um Mitglieder, die in der Volksmusikszene einen Namen hatten. Auch die einfachen Mitglieder bekamen einen Brief oder Anruf. Neben all dem war sie selbst noch aktiv als Sängerin tätig. Erfolgreich trat sie lange Zeit mit dem Moosacher Dreigesang und dem Quittengsangl auf.

OStD Walter Baier, erster Vorsitzender der Bayerischen Direktorenvereinigung, würdigte das Engagement von Carmen für die Direktorenvereinigung

Auch um die Werbung für den Verein kümmerte sie sich mit Hingabe und Ideenreichtum. Sie entwarf Handzettel und Plakate und schaffte einen Pavillion an, mit dem sich der Verein bei Volksmusikveranstaltungen präsentieren konnte. In ihrer Zeit als Vorsitzende entstanden auch eine Reihe von Veröffentlichungen. Besonders erfolgreich war eine Überarbeitung der Liederbogen des Wastl Fanderl. Für eine Doppel-CD zum 50. Geburtstag des Vereins stöberte sie auch im Schallarchiv des Bayerischen Rundfunks nach raren Aufnahmen. Zu den Volksmusik-Moderatoren des BR hatte sie gute Kontakte. Das letzte Mal, als sie öffentlich in Erscheinung trat, war im vergangenen September eine Rundfunksendung über Bally Prell.

Großes Engagement zeigte Carmen Kühnl auch in der Bayerischen Direktorenvereinigung BayDV. Diese Vereinigung vertritt den Großteil der Schulleitungen an den rund 430 Gymnasien in Bayern. Knapp 331.000 Kinder und Jugendliche besuchen diese Schulart. Hier übernahm sie für viele Jahre die Pressearbeit und unterstützte sehr vielfältig den Vorstand.

Carmen lebte für ihren Mann und ihre Familie. Carmen hinterlässt eine große Lücke. Die Geschwister: Antonia, Rainer und Otto, und auch die zahlreichen Nichten und Neffen werden Carmen sehr vermissen. Wie gerne war sie früher die Babysitterin für die Kinder der Geschwister, sie liebte Euch Nichten und Neffen wie ihre eigenen. Selbst Kinder zu bekommen, war ihr leider nicht vergönnt. Das blieb ein leiser Schmerz.

Carmen wurde am 19. Juli 1952 in Schwindegg, als drittes von vier Geschwistern geboren. Das Licht der Welt erblickte sie, vornehm, in einem Renaissance-Wasserschlösschen, das damals als Krankenhaus genutzt wurde.
Sie wuchs in Mühldorf/Inn in einem Flüchtlingshaushalt auf. Die liebevollen Eltern Otto und Kreszentia kamen ursprünglich aus Böhmen und wagten in Bayern einen Neuanfang. Im Haus der Familie Kühnl gab es stets viele Besucher, immer war etwas los. Trotz der Enge arrangierte man sich gut, lebte im gegenseitigen Respekt. Es gab in der Familie viel Liebe und Zusammenhalt. Ende der 50er Jahre übersiedelte die Familie nach München. Carmen wuchs in Schwabing auf, in der neuen Umgebung kam sie gut zurecht, fand schnell Anschluss. Neue Freundschaften zu schließen, fiel ihr leicht. Das Leben in Schwabing war bunt, da tobte das Leben, an jeder Ecke gab es etwas zusehen, überall Musik, Kunst, Bars und Cafés. Das war für Carmen eine spannende Zeit, in der sie sich in allerlei Experimenten und auch in sportlichen Aktivitäten ausprobierte.

Für die musikalische Gestaltung der Trauerfeier waren die Bläser Andi Hilger und Erich Gawlik gekommen, sowie die Waldramer Sängerinnen (Dreigesang) und Moritz Demer an der Harfe.

Am Sophie-Scholl-Gymnasium wurde sie zur Klassensprecherin und später sogar zur Schulsprecherin gewählt, entwickelte früh ein Gefühl für den sensiblen Umgang mit Verantwortung. Kompetent, sprachgewandt und doch sehr humorvoll, war sie äußerst beliebt unter den Mitschülern. Die Familie Kühnl war stets reiselustig, eine Vielzahl an Reisen stand auf dem Programm. Es ging zusammen nach Böhmen, Prag, Wien, auch nach Italien. Als die Mutter an Asthma erkrankt, frische Luft benötigte, hielt sich die Familie an den Wochenenden häufig in den Bergen auf. So kam es zum Familien-Domizil in Reit im Winkl. Das Domizil blieb für Carmen auch nach dem frühen Tod der Eltern ein wichtiger Ort, an dem sie Ruhe fand; der bis zuletzt, ganz selbstverständlich zu einem beliebten Treffpunkt für die Freunde wurde.

Das Wichtigste war für Carmen nicht nur ihre Familie, sondern vor allem auch ihr Ehemann Peter. Gut 40 Jahren waren beide ein glückliches Paar, 2013 wurde geheiratet. Wie schade, dass Beide die Silberne Hochzeit nun nicht mehr zusammen feiern können.

Fotos: Rainer Nitzsche





Redaktion

Rainer Nitzsche

Als Webseiten-Entwickler bin ich für die Gestaltung und den technischen Betrieb dieser Plattform verantwortlich und versuche, die Seite ständig aktuell und zeitgemäß zu halten.

Als Reportage-Fotograf möchte ich mit wenigen Bildern wiedergeben, was als geschriebener Text vielleicht Bände füllen würde. Es geht um Ereignisberichte in Bildern. Es gilt, schrittweise und in den richtigen Momenten Entwicklung und Ablauf von Ereignissen festzuhalten, die schließlich in einem Höhepunkt gipfeln. Das bedeutet, meine Fotografien sind sehr oft weniger formell und zeigen den Charakter der Menschen eher in einer pose-freien, authentischen Weise, die nicht inszeniert ist.
Mehr Fotos finden Sie auch auf meiner Webseite unter www.rainernitzsche.de

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