Ein faszinierender Pionier ist Baum des Jahres 2023
Berchtesgadener Land. Mit der Ausrufung der Moorbirke, einer typischen Baumart der Moor- und Bruchwälder, zum Baum des Jahres 2023 werden Moorökosysteme und ihre Bedeutung ins Blickfeld gerückt.
Moore sind wertvolle und selten gewordene Lebensräume. Sie sind Zuhause für viele bedrohte, speziell angepasste und teils nur hier vorkommende Arten. Dazu gehören Pflanzen wie der fleischfressende Sonnentau, Schlangen wie die Kreuzotter oder eine Vielzahl an Spinnen, Libellen und Schmetterlingen wie dem Hochmoorbläuling. Als Klimaschützer und Kohlenstoffspeicher binden Moore über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg große Mengen an Kohlenstoffdioxid in Torf. Leider wurden und sind inzwischen 90 Prozent der Moore in Deutschland entwässert – etwa zum Torfabbau oder zur Umwandlung in Grünland. Doch trockenfallende Moore setzen das in ihnen gebundene Kohlendioxid und andere klimarelevante Gase wieder frei und tragen damit
Mit der Ausrufung der Moorbirke (Betula pubescens) zum Baum des Jahres wird eine typische Baumart der Moor- und Bruchwälder geehrt. Dadurch werden auch Moorökosysteme und ihre Bedeutung ins Blickfeld gerückt und es wird daran erinnert, wie wichtig der Schutz und die Wiedervernässung der Moore sind.
Neubesiedler mit besonderen Anpassungen
Die Moorbirke ist als sogenannter Pionierbaum auf die Eroberung neu entstandener, offener und weitestgehend vegetationsfreier Lebensräume angepasst: So besiedelt sie schnell lichte Flächen nach Kahlschlägen, Bränden oder Waldlichtungen. Dafür können ihre leichten Pollen mit dem Wind bis zu 2000 km weit fliegen. Auch produziert sie viele Samen – bis zu vier kg pro Baum sind jährlich möglich – was etwa 16 Millionen Samen entspricht. Als Pionierart wächst sie schnell – und braucht hierfür viel Licht und Wasser. Zur Aufnahme von Wasser bildet sie ein flaches Wurzelsystem aus, mit bis zu 20 m langen Seitenwurzeln, die einsickerndes Regenwasser rasch aufnehmen können – an einem heißen Sommertag kann sie so bis zu 500 Liter Wasser aus dem Boden entnehmen.
Hart im Nehmen
Die Moorbirke ist ansonsten recht anspruchslos und wächst auf nährstoffarmen feuchten bis staunassen Böden. In Deutschland kommt sie beispielsweise in Moor- und Bruchwäldern vor, am Rand von Mooren, in entwässerten Mooren, Auwäldern – oder in feuchten Hecken und Laubwäldern zusammen mit Zitterpappel, Hängebirke und Esche. Sie ist vom Flachland bis in die Alpen verbreitet, wo sie bis zur Waldgrenze auf etwa 2000 m über dem Meeresspiegel steigt.
Dabei ist die Moorbirke widerstandsfähig – und ist auch an kalte Temperaturen gut angepasst. So ist sie unempfindlich gegenüber Winterfrost und hält Temperaturen von unter -40°C stand. Vor dem Erfrieren schützt sie sich hier, indem sie die in ihren Zweigen enthaltene Stärke in Öl umwandelt – und dabei Wärme freisetzt. Das macht sie zur nördlichsten vorkommenden Baumart Europas, die bis nach Island und Skandinavien im Norden vorkommt, wo sie als reiner Birkenwaldgürtel die subarktische Baumgrenze bildet.
Die Moorbirke als wertvoller Lebensraum
Die Moorbirke selbst ist Lebensraum vieler Arten – darunter Insekten wie Blatt- und Rüsselkäfer, Zikaden, Pflanzenwespen oder Schmetterlinge. Darüber hinaus sind Birkenwälder wichtige Lebensräume zahlreicher seltener und besonders geschützter Arten wie der Birkenmaus oder des – auch im Berchtesgadener Land vorkommenden – Birkhuhns. Dieses ernährt sich unter anderem auch von den Knospen, Trieben und Kätzchen der Birken – und kommt bevorzugt in der Kampfzone, also im Übergangsbereich von Hochlagenwäldern zu offenen Bereichen vor, wo auch die Moorbirken-Pioniere wachsen. So trägt der Schutz der Moorbirke und ihrer seltenen Lebensräume auch zum Erhalt der darin vorkommenden Tier- und Pflanzenarten bei.
Fragen zu diesem Thema beantwortet die untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Berchtesgadener Land unter Telefon +49 8651 773-0 oder naturschutz@lra-bgl.de <mailto:naturschutz@lra-bgl.de> .
Foto & Text: LRA BGL