Virginia und Washington D.C.
Onkel Hans wanderte 1928 nach Amerika aus und war einer der 79 jungen Leute aus dem Chiemgau, die von 1925 bis 1929 durch die Vermittlung von Pater Roger, einem Bauernsohn aus Obing, nach Pennsylvania in die USA emigrierten. Ihm folgten nach dem zweiten Weltkrieg noch zwei weitere Onkeln aus Höselwang. Jetzt – 2022 – wollte ich endlich meine amerikanischen Verwandten kennenlernen und besuchte sie im April.
Linda, die Älteste meiner 11 amerikanischen Cousin und Cousinen, holte mich am Flughafen in Washington D.C. ab. Es war ein sehr herzlicher Empfang. Wir sahen uns das erste Mal im Leben. Unser Erkennungszeichen, ich sollte nach einem roten Auto schauen und meinen hellgelben Fahrrad-Anorak mit Signalfarben tragen.
Sie lebt mit Ihrem Mann in Virginia ganz nahe an der Grenze zum Stadtstaat Washington D.C., der Hauptstadt mit nur 800 000 Einwohnern. Ihr einziger Sohn lebt in Chicago. Linda ist 69 und ihr Mann 72. Er geht fast täglich zum Jagen oder Fischen.
Das Jagdrecht ist völlig anders als bei uns. Amerikaner dürfen, außer auf fremden Privatgrund, überall jagen. Z.B. auch in allen staatlichen und öffentlichen Grundstücken und Parks. Sogar auch auf den Grünflächen in der Stadt – dort aber nur mit der Armbrust, was immer populärer wird und das nicht nur auf die wilden Truthähne, sondern auch auf die Weißwedelhirsche, die in der Größe etwa zwischen unseren Dam- und Rothirschen liegen.
Sogar meine Cousine Michelle erlegte letztes Jahr im November einen mit Pfeil und Armbrust. Sie sagte, das Wild hätte damit mehr Chancen, weil sie mit Ihrer Armbrust nur auf maximal 30 Meter zuverlässig schießen kann. Es gibt aber noch präzisere Armbrüste, eine wie sie z.B. Dick, Lindas Mann hat. Wildfleisch darf nicht verkauft werden und wenn es zu viel für den Eigenverbrauch wird, dann gibt man es an eine foodbank, eine Institution die Essen für arme Leute ausgibt. Und zu viel wird es schnell. Jeder amerikanische Staatsbürger darf im Jahr bis zu drei Geweihträger (männliche Hirsche) und Weibliche so viel sie wollen, erlegen. Der größte „Hunter“ unter meinen 11 Cousin und Cousinen ist allerding Walter, Michelles Bruder.
Mindestens die Hälfte der 11 gehen auf die Jagd, denn sie bekamen das Höselwanger Jagd-Gen bereits mit in die Wiege gelegt. Die Jagd war in meiner Jugendzeit sowohl von väterlicher, als auch von mütterlicher Seite her ein großes Thema. Mein Vater war Pächter der Rimstinger Jagd, Onkel Gust, der Hemmhofer und Onkel Sepp der Höslwanger. So hatten wir ein durchgängiges Verwandtschaftsrevier vom Chiemsee bis zur Ameranger Gemeindegrenze. An jedem Herbstwochenende gab es irgendwo eine Treibjagd (und ich musste immer als Treiber ins Gebüsch).
Wir besichtigten in der Nähe der Stadt Washington einen ehemaligen 81 Hektar großen Gutshof von George Washington, dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Die Farm war eine von insgesamt 8 Farmen. Sein Herrenhaus mit Nebengebäuden, ist heute ein großes Freilichtmuseum.
George Washington wird fast wie ein Heiliger verehrt. 1732 geboren, wurde er erst Landvermesser und 1775 Oberbefehlshaber der amerikanischen Kontinentalarmee. Nach mehreren gewonnenen Schlachten gelang ihm der Sieg über die Engländer und damit legte er den Grundstein für die Unabhängigkeit. 1787 saß er der verfassungsgebenden Versammlung vor, bei der die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika entworfen wurde.
Von 1789 bis 1797 war er der erste Präsident der Vereinigten Staaten. Nach 8 Jahren gab er das Amt freiwillig ab. Damit legte er vor über 200 Jahren bereits den Grundstein für die heutige Amtslänge der amerikanischen Präsidentschaft. Zwei Jahre später starb er an einer schweren Kehlkopfentzündung. Heute vermutet man, dass er auf Grund der zwei Liter Blutverlust durch Aderlass, was zur damaligen Zeit bei Entzündungen als Allheilmittel galt, eher an Schwäche starb. Per Testament verfügte er, aus Angst lebendig begraben zu werden, dass mit dem Begraben 3 Tage gewartet werden muss und, dass alle seine 317 Sklaven, zu denen er angeblich sehr menschlich war, nach seinem Tod frei werden.
Das Zentrum Washingtons ist sehr großzügig. Vor dem Kapitol liegt eine, über einen Kilometer lange und ca. 150 m breite Grünfläche an der entlang sich Ministerien und Museen abwechseln. Das „Weiße Haus“ liegt ganz in der Nähe. Leider konnte ich nicht hingehen, weil mir durch das viele Herumlaufen in New York immer noch die Waden sehr schmerzten. Weiß nicht warum, aber wenn es nur ein Muskelkater wäre, dann müsste es nach 3 Wochen längst vorbei sein. Hätte für diese schöne Stadt, die so ganz anders ist als New York, gerne länger Zeit gehabt.
Text und Fotos: Hans Fritz – www.hans-fritz.de
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