Staatsminister Joachim Herrmann, als Innenminister auch zuständig für die Verfassung, stellte in der Bibliothek des Literaturhauses München das neue Buch des Augsburger Schulpädagogen Klaus Zierer und seines Mitarbeiters Thomas Gottfried vor. Der bayerische Landesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft, Martin Goppel, moderierte das Podiumsgespräch, an dem auch Deutschlands bekanntester Gemeindepfarrer Rainer Maria Schießler teilnahm.
Das oberste Bildungsziel „Ehrfurcht vor Gott“ steht an erster Stelle des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags (vgl. Art. 131 Abs. 2 BayVerf). Es findet sich in vielen deutschen Länderverfassungen, wird aber von immer weniger Menschen verstanden. „Das müssen wir durchsetzen, das müssen wir leben“, so Staatsminister Joachim Herrmann. „Die Bürgerinnen und Bürger, gleich welcher Religion, müssen wissen und verstehen, was in Kirchen, Synagogen und Moscheen passiert. Der interreligiöse Dialog ist die Voraussetzung für gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt“, erklärte Herrmann.
Nach Professor Zierer soll diese Neuerscheinung dazu beitragen, nicht nur bei Lehrerinnen und Lehrern, sondern bei allen an Bildung und Schule Interessierten Verständnis für dieses Bildungs- und Erziehungsziel zu wecken. „Werteorientierung und Persönlichkeitsbildung brauchen ein religiöses Fundament, sonst sind sie der Beliebigkeit des Zeitgeistes ausgeliefert“, betont der Erziehungswissenschaftler. Dem entspricht aus schulpraktischer Sicht die Erfahrung, „dass immer mehr Kinder und Jugendliche ohne spirituelle Wurzeln und Orientierung aufwachsen“, berichtet der Gymnasiallehrer Thomas Gottfried. Ehrfurcht vor Gott biete Halt und Sicherheit.
Im Zentrum des neuen Werkes steht die Frage, wie sich dieses Bildungsziel in einer offenen Gesellschaft verwirklichen lässt, die von Säkularisierung, Pluralisierung und Individualisierung geprägt ist. Die Autoren gehen von der aktuellen Relevanz der Gottesfrage aus und wenden sich mit Hilfe der hermeneutischen Methode zunächst der
Bayerischen Verfassung zu, die eine Gesellschaftsordnung mit Gottesbezug darstellt. Vor diesem Hintergrund definieren die Schulpädagogen ausführlich die Begriffe „Gott“ und „Ehrfurcht“, bevor sie das Erziehungsziel begründen und im Hinblick auf eine wertorientierte Persönlichkeitsbildung entfalten.
Unter Rückgriff auf die Ergebnisse der aktuellen Hattie-Studie, die Klaus Zierer erst jüngst in einer Übersetzung für den deutschen Sprachraum erschlossen hat, wird im Buch zunächst fachübergreifend die Unterrichtsqualität als Schlüssel für eine erfolgreiche Erziehung zu Ehrfurcht vor Gott nachgewiesen und anschließend auf das Leitfach Religionslehre eingegangen. Dass Ehrfurcht vor Gott nicht nur im Einklang mit, sondern als Voraussetzung für weltanschauliche Neutralität und Religionsfreiheit steht, wird im Schlusskapitel dargelegt.
„Ehrfurcht vor Gott“ hat überhaupt nichts mit Missionierung oder Überwältigung zu tun“, hob Pfarrer Rainer Maria Schießler hervor. Gleichzeitig dürfe Kindern und Jugendlichen Religion nicht vorenthalten werden. „Kinder sollen in Freiheit und ohne Zwang ein Lebensangebot bekommen, über das sie ohnehin später selber entscheiden werden“, sagte Schießler. „Ehrfurcht vor Gott ist kein Appell, sondern ein Geheimnis der Liebe“. Es eröffne Freiheit, biete Zusammenhänge und stifte Gemeinschaft.
Die Katholische Erziehergemeinschaft in Bayern unterstützte das Buchprojekt von Anfang an, wie Landesvorsitzender Martin Goppel unterstreicht: „Schule ist nicht nur Lern-, sondern auch Lebensraum. Wir sind es unseren Kindern schuldig, ein stabiles Sinnangebot zu machen und sie damit zu stärken, auf einer festen Wertegrundlage als starke Persönlichkeiten ihr Leben zu meistern. Ehrfurcht vor Gott schränkt unsere Erzieher und Lehrer nicht ein, sondern gibt eine Leitidee vor, an der sie sich frei und individuell ausrichten können.“
Zierer, Klaus; Gottfried, Thomas (2024). Ehrfurcht vor Gott. Über das wichtigste Bildungsziel einer modernen Gesellschaft, Münster-New York: Waxmann, 119 Seiten, ISBN 978-3-8309-4890-2; https://www.waxmann.com/buch4890 .
Beitrag entstand dank freundlicher Unterstützung des Bayernbundes – entnommen der Weiß-Blauen Rundschau
Text und Bilder: Fritz Lutzenberger (www.bayernbund.de)