Am 2. Februar ist Maria Lichtmeß, ein Beitrag von Dorothea Steinbacher –
Das Fest Mariä Lichtmess stellte bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren das Ende des kirchlichen Weihnachtsfestkreises dar. Bis 1912 war Lichtmess sogar ein Feiertag. Deshalb haben manche Familien den traditionellen Termin ihrer Großeltern beibehalten und räumen Christbaum und Krippe erst am 2. Februar ab. Auch die Kirchenkrippen bleiben vielerorts noch so lange aufgebaut.
„Lichtmess“ ist zwar die populäre Bezeichnung für diesen alten Feiertag, offiziell heißt das Fest von kirchlicher Seite heute aber: „Darstellung des Herrn“. Auch diese Bezeichnung gilt erst seit dem Zweiten Vatikanum, vorher hieß das Fest „Mariä Reinigung“. Begründet wurde diese Umbenennung von kirchlicher Seite damit, dass es ja ein „Herrenfest“ sei und kein Marienfest. Dabei ist der biblische Anlass des Festes ein Brauch, dem sich Maria den alten jüdischen Regeln entsprechend unterziehen musste: Eine Frau galt 40 Tage nach der Entbindung von einem Sohn als unrein (bei einem Mädchen wären es 80 Tage gewesen), der Erstgeborene in der Zeit als Eigentum Gottes. Am Ende dieser Zeit musste sie ihr Kind in den Tempel bringen („darstellen“) und durch ein Opfer auslösen. Woraus das Opfer bestand, kann man im Alten Testament nachlesen (3. Mose 12,6-8): „Wenn die Tage ihres Reinigungszustands für einen Sohn ebenso wie für eine Tochter vorüber sind, soll sie ein einjähriges Schaf als Brandopfer und eine Felsentaube oder eine Turteltaube als Sündopfer zum Priester an den Eingang des Offenbarungszeltes bringen. Er soll es vor dem Herrn darbringen und für sie Versöhnung erwirken; so wird sie rein von der entstandenen Blutung. Das ist die Weisung für eine Frau, die einen Knaben oder ein Mädchen gebiert. Wenn sie die Mittel für ein Schaf nicht aufbringen kann, soll sie zwei Turteltauben oder zwei Felsentauben nehmen …“
Auch bei uns musste eine Frau bis ins 19. Jahrhundert hinein nach einer Entbindung zur „Reinigung“ vor der Kirche erscheinen – „Vorsegnen“ hieß das, meistens etwa acht Tage nach der Entbindung. Vorher durfte sie das Haus nicht verlassen – ihr erster Gang sollte der zur Kirche sein. Dabei durfte sie zuerst nur die Vorhalle der Kirche betreten, bis sie vom Pfarrer gesegnet und damit quasi von der ärgsten Unreinheit befreit war. Erst dann betrat sie die Kirche, spendete Wachs, ein Opfertier oder Geld, und war dann als „gereinigt“ wieder zum Gottesdienst zugelassen – nicht so viel anders als vor zweitausend Jahren. Als Maria mit Joseph und dem Jesuskind damals im Tempel ankam, begegneten ihnen der greise Simeon – er wird oft als Blinder dargestellt – und die Prophetin Hannah, die beide den Jesusknaben als „Licht der Welt“ und Erlöser Jerusalems erkannten (Lk 2,32-38).
Vom Geburtstermin Jesu, dem 25. Dezember, bis zum 2. Februar sind es exakt 40 Tage – eine Zahl, die auch in der vorchristlichen Antike schon von mythischer Bedeutung war, besonders im Orient. 40 Tage werden als vollkommener Zeitraum angesehen: zehnfach die vollkommene Zahl vier – sie steht für die vier Himmelsrichtungen, die vier Jahreszeiten. Gleichzeitig gilt der Zeitraum als Periode des Wartens und der Vorbereitung: Vierzig Wochen lang währt zum Beispiel die Schwangerschaft beim Menschen. In der Bibel taucht diese bedeutende Zahl oft auf: von der 40tägigen Sintflut über die 40 Jahre dauernde Regierungszeit Salomos, die 40jährige Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste, bis zur 40tägigen Zeit, die Jesus vor seiner Passion in der Wüste verbrachte und die 40 Tage, die er von der Auferstehung an Ostern bis zur Himmelfahrt seine Jünger lehrte. 40 Blöcke stehen seit uralter Zeit in Stonehenge, und der Durchmesser des dortigen Tempelkreises beträgt 40 Schritte. Im Mittelalter wurden erstmals Quarantänen bei Pestepidemien verfügt: Sie dauerten 40 Tage (frz. quarante = vierzig). Das Ende dieser vierzig Tage nach Weihnachten ist also eigentlich der logische Abschluss des Weihnachtsgeschehens. An Lichtmess werden bis heute in den Kirchen die Kerzenvorräte fürs gesamte Jahr geweiht: Kirchenkerzen und privater Bedarf, der in Zeiten ohne elektrischen Strom enorm war, was die große Bedeutung dieses Festtages erklärt. Man brachte Haushaltskerzen, Sterbekerzen, schwarze Wetterkerzen, Wachsstöcke in die Kirche, ließ sie weihen und verwahrte sie als Vorrat für das Jahr zu Hause. Für jedes Mitglied der Hausgemeinschaft wurde dann am Abend ein geweihtes Pfenniglicht – das sind dünne Kerzen, die nicht lange brennen und entsprechend billig sind: sie kosteten früher nur einen Pfennig – entzündet und auf ein kleines Brettchen oder einen Teller geklebt. Dann betete die Familie gemeinsam den Rosenkranz, und wessen Kerzchen als erstes verlöschte, der würde als erster sterben, glaubte man. Die von den Kerzen übriggebliebene Dochtasche wurde gegen Halsweh eingenommen – auch dem Vieh verabreichte man sie vorbeugend. Drei Tropfen geweihtes Wachs auf Brot sollten gegen Hals- und Kopfschmerzen helfen, wenn Lichtmess auf einen Sonntag fiel, war das Wachs angeblich zehnfach wirksam. Geweihte rote Wachsstöcke dröselte man auf und band der Wöchnerin eine rote Wachsschnur um Hand- und Fußgelenke gegen Verhexung. Aus der roten Wachsschnur formte man auch einen fünfzackigen Drudenfuß und legte ihn in den Strohsack, auf dem man schlief, hängte ihn ins Zimmer und in den Stall zur Abwehr der bösen Drud, die nachts die Menschen im Schlaf erdrückt.
Immer noch erinnern Lichtmess- oder Wachsmärkte Anfang Februar daran, dass im bäuerlichen Jahr die Arbeitsverhältnisse von Mägden und Knechten an Lichtmess beendet und erneuert werden konnten. Die Dienstboten bekamen ihren Jahreslohn und hatten – auch wenn sie auf dem gleichen Hof blieben – einige Tage frei, das waren die Schlenkltage. Ihr Geld gaben viele gern aus, ob in Gasthäusern oder auf den Märkten, auf denen sich auch Arbeitssuchende und Arbeitgeber trafen. Den Dienstboten war während ihres Dienstverhältnisses auch die Haltung von Kleintieren erlaubt, so fütterten viele Geflügel wie Hühner oder auch Kaninchen und Hasen. Diese verkauften sie dann an Lichtmess und erzielten so ein kleines Zusatzeinkommen. Daraus entstanden die noch heute beliebten Kleintiermärkte Anfang Februar, etwa der Taubenmarkt in Wasserburg am Inn und der Glanglmarkt in Wels in Oberösterreich.
Nach dem Ende der Schlenkltage, nach Mariä Lichtmess, begann ein neues Bauernjahr, früher ein neues Kirchenjahr. Mit der Dunkelheit war früher auch die „Lichtarbeit“ beendet, die Arbeit bei künstlichem Licht, was eine enorme Ersparnis an teuren Kerzen bedeutete. Die Frauen räumten ihre Spinnräder weg, die „draußer Arbeit“ begann: „Lichtmess – das Spinnen vergess! ’s Radl hinter die Tür, die Hacke herfür!“ In der Natur beginnt der Vorfrühling, die dunkle Jahreszeit ist vorbei.
Entnommen aus dem Buch (Text gekürzt): Dorothea Steinbacher: – Wenn’s draußen finster wird. Bräuche und Legenden für die Winterzeit
192 Seiten, durchgehend vierfarbig ISBN: 978-3-466-37224-9, Kösel Verlag 2020
erhältlich in jeder Buchhandlung