Kultur

Lokschuppen: Ringvorlesung zur Ausstellung VULKANE

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Schwere Stürme, Hochwasser, ansteigender Meeresspiegel, höhere Temperaturen – ist der Klimawandel noch aufzuhalten? Und was bewegt einen Meeresforscher, mit stets nassen Füssen durchs Berufsleben zu gehen? Die letzte und erneut gut besuchte Ringvorlesung zur Ausstellung VULKANE im Lokschuppen hatte es in sich. Wissenschaftskurator Holger von Neuhoff und Deutschlands bekanntester Meeresforscher Prof. Ulrich Bathmann bewiesen, dass Wissenschaft spannend und unterhaltsam sein kann. Es war quasi ein emotionaler Wellenritt zum Klimawandel, über die Ozeane und übers ewige Eis, mit einem Eintauchen in die Gefühlswelt der beiden Koryphäen. Halten wir fest: Seit 1950 zeigt sich der Temperaturanstieg weltweit. Der Klimawandel schreitet voran. „Das Ziel von 1,5 Grad Erwärmung ist nicht mehr zu erreichen“, konstatierte Ulrich Bathmann. Was also tun? Da gibt es zwei Strategien: Anpassen und Vermeiden. Anpassen könnten sich die Menschen, indem sie höhere Deiche bauen, den Hochwasserschutz und den Katastrophenschutz verstärken. Einen hohen Co2-Ausstoss könnten sie vermeiden, indem sie etwa Energie sparen, alternative Energiequellen erschließen, Infrastruktur ausbauen, Öko-Strom speichern und die Forschung intensivieren. Doch reicht das alles?

Darum geht es dem Meeresforscher Bathmann nicht. „Wir müssen uns erst Zeit kaufen“, argumentiert er. Das heißt: alles unternehmen, um den Klimawandel zu verlangsamen, bis die besten Lösungen gefunden sind. Bathmann ist aus Überzeugung und Leidenschaft Forscher. Als Biologe hielt er früh seine Nase in die Meeresforschung, war weltweit mit der „Polarstern“ auf Expeditionen auf den Weltmeeren unterwegs – immer mit nassen Füßen bei schäumenden Wellen auf hoher See. „Wahrheit ist kostbar. Kostbarer ist aber die Fertigkeit, sie zu finden.“ Dieser Spruch von Alexander von Humboldt ist seine Lebensdevise. Er will das Meer verstehen, die Ursachen des Klimawandels näher kennen und die geeigneten Schritte dagegen erforschen.

Bei ihren Experimenten stoßen Wissenschaftler aber auch an Grenzen. So im Jahr 2009, als in einem internationalen Projekt ein Teil des Südatlantik mit Eisen gedüngt wurde. Das Ziel: eine Algenblüte zu erreichen, weil Algen CO2-speichern. „Das haben wir wissenschaftlich geschafft, innerhalb von drei Wochen“, so Bathmann. Doch das Experiment löste heftige Diskussionen weltweit und in Deutschland aus – heutzutage würde man das wohl als Shitstorm bezeichnen. Drei Anhörungen im Bundestag, Politik und Öffentlichkeit befürchteten, mit diesem Projekt würde man ein Ökosystem beschädigen. Seit diesem Hickhack gibt es keine Düngung von Meeren mehr. Schade, meint Bathmann, aber: „Man kann das nicht überall machen, und nicht ewig. Es wäre nur ein örtlich begrenzter Zeitgewinn.“

Bei den Gästen der Veranstaltung löste der spannende Dialog der Wissenschaftler unterschiedliche Reaktionen aus. Manche freuten sich über die Möglichkeit zur Klima-Diskussion, weil es dafür zu wenig Plattformen gibt. Andere reagierten mit Kopfschütteln. „Ich bin fassungslos“, meinte ein Besucher. „Die Wissenschaft muss nicht mehr forschen, wie man CO2 in irgendein Loch stopft. Die Prozesse sind nicht mehr aufzuhalten.“ Das ruft beim Meeresforscher Kopfschütteln hervor. „Nichtstun ist keine Option“, so Bathmann. „Und den Kopf in den Sand zu stecken, und ganz Hamburg wegen der steigenden Meeresspiegel irgendwann zu evakuieren und 50 Kilometer landeinwärts zu verlegen, ist auch keine Option.“ Auch für Wissenschaftskurator Holger von Neuhoff nicht. „Man kann natürlich jeden Hype mitmachen, sich große Autos kaufen und damit fahren wie bisher. Es gibt auch Menschen, die verzweifeln, wir haben eine Gesellschaft, die sich entzweit. Das alles will ich nicht. Ich will in die Schulen gehen, jungen Menschen zeigen, was Wissenschaft ist. Sie müssen Wissenschaft verstehen. Und wir müssen den Mut haben zu sagen: Wir können die Zukunft meistern.“

Ein anderer Besucher bekam für den letzten Diskussionsbeitrag viel Beifall: „Ich frage mich immer: Wer ist zuständig für die Rettung der Welt? Meine Antwort: Ich bin es. Und wenn das alle sagen, können wir viel gemeinsam erreichen.“

Bericht und Foto: VKR Rosenheim

Bildunterschrift: von links: Die stellvertretende Leiterin der VHS Rosenheim Sylvia Seiler, Wissenschaftskurator Holger von Neuhoff, die Leiterin des Ausstellungszentrums Lokschuppen Dr. Jennifer Morscheiser und Meeresforscher Prof. Ulrich Bathmann.

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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