Wenn ein Publikum im Theater schweigt, kann das zweierlei bedeuten: Es langweilt sich oder es hält den Atem an. Letzteres war beim literarischen Abend mit der Schauspielerin Bettina Mittendorfer im Bauernhausmuseum Amerang des Bezirks Oberbayern der Fall. Ihr neuestes Bühnenprogramm widmete sich gekonnt zwei Frauen, die zum Spielball politischer Machtinteressen avancierten und hingerichtet wurden: Mata Hari und Ethel Rosenberg. Von Florian Burgmayr am Akkordeon begleitet, las Mittendorfer aus den Büchern von Stefana Sabin und Christine Lüders. Sie würzte ihre Darbietung mit Liedern von Helmut Qualtinger, Heinrich Lautensack und Berthold Brecht, wie dem der rebellischen Seeräuberin Jenny, sowie mit österreichischem Schmäh. So unterschiedlich die beiden porträtierten Frauen waren, hatten sie dennoch Gemeinsamkeiten. Sie wurden Opfer politischer Intrigen, von Feigheit und Verrat, und blieben beide unbeugsam.
Mata Hari, 1876 in Holland als Margaretha Geertruida Zelle geboren, machte nach einer glücklosen Ehe als Tänzerin Karriere. Sie schockierte und faszinierte mit Nacktauftritten die feine Gesellschaft von Paris, Monte Carlo und Berlin. Nach wenigen Jahren ließ der Erfolg nach. Sie setzte gezielt ihre Wirkung auf die Männerwelt ein und war im Ersten Weltkrieg als Doppelagentin für Deutschland und Frankreich tätig. So geriet sie in die Abhängigkeit konkurrierender Geheimdienste und starb am 15. Oktober 1917 durch ein französisches Erschießungskommando. Mit Zitaten von Zeitzeugen entführte Bettina Mittendorfer die gebannten Zuhörer in die Welt der „schönsten Meisterspionin aller Zeiten“. Der Literat Peter Altenburg schwärmte einst: „Mata Hari – sei gesegnet ob Deines Körperbaus!“ Als unbeschreiblich stolz schilderte sie der Gefängnisarzt bei der Hinrichtung, und weiter meinte er: „Ist es nicht ein Jammer, sehen zu müssen, wie man solch eine Frau tötet?“ Mata Hari, vor der sich selbst der französische Geheimdienst fürchtete, ließ sich nicht an den Todespfahl binden, sie ließ sich keine Augenbinde anlegen.
Ebenso beeindruckend war das literarisch erarbeitete Porträt, das Bettina Mittendorfer von Ethel Rosenberg zeichnete. Sie kam im September 1915 in New York zur Welt. In Armut aufgewachsen, in einem jüdischen Viertel Manhattans, träumte sie davon, eine berühmte Sängerin zu werden. Doch nicht als Opernstar wurde sie letztlich bekannt, sondern als unbeugsame Kommunistin. In der Zeit des Kalten Krieges wurde sie, gemeinsam mit ihrem Ehemann Julius, 1953 wegen Spionage auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Man warf ihr vor, Geheimnisse über den Bau der amerikanischen Atombombe an die Sowjetunion verraten, und damit angeblich sogar den Koreakrieg verursacht zu haben. „Sie hat geschwiegen, dabei war sie unschuldig. Sie lebte ebenso wie Mata Hari in schwierigen politischen Zeiten. Man brauchte Sündenböcke – und beide Frauen mussten dran glauben“, fasste Mittendorfer die Schicksale beider Frauen zusammen. Tragisch bei Ethel Rosenberg: ihr eigener Bruder belastete sie vor Gericht mit Falschaussagen, um seine Ehefrau zu retten. Erst vor wenigen Jahren wurde sie weitestgehend rehabilitiert. Mit ihrem Spiel und Gesang zog Bettina Mittendorfer die Zuhörer in den Bann der Materie. Nachdrücklich zeigte sie, dass diese beiden Frauen nicht in Vergessenheit geraten sollten.
Foto: Bezirk Oberbayern – Archiv BHM Bettina Mittendorfer vor dem eigens von Walter Angerer d. J. für die Lesung gemalten Doppelporträt von Mata Hari und Ethel Rosenberg.