Kultur

Lesung in Breitbrunn: Kindheitsjahre nach dem Krieg

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Im Breitbrunner Haus des Gastes wurden die zahlreichen Besucher vom veranstaltenden Verein zur Förderung der Dorfgemeinschaft zuerst bei einem gemütlichen Ratsch mit Sekt auf die anschließende Buchpräsentation eingestimmt. Ursi Keetman las aus Bluatströpferl und Kieselstoana, ihrem Erinnerunsbuch an ihre Kindheit (1941 bis 1953) hier in Breitbrunn.

Nach kurzer Einordnung von Herkunft, Entstehungsgeschichte des Buches und Dank für die schöne Zusammenarbeit bei der technischen Herstellung an die Grafikerin Sabine Huber, wurden themenbezogen aus verschiedenen Textstellen einzelne Episoden zusammengetragen und so in einen inhaltlichen Zusammenhang gebracht.

  • Wichtig während der Kriegs- und Nachkriegszeit war vor allem das Essen: Da nahezu alles aus Mais bestand, wurde der sehnliche Wunsch nach einem Brot für sich ganz allein übermächtig, ebenso die Gier nach Süßem; Schulspeisung und Hamstern sorgten für das tägliche Auskommen.
  • Zur Gesundheit trug nicht nur der gräßlich schmeckende allabendlich verabreichte Lebertran bei, sondern auch die sieben Pfund Dreck, die man im Laufe der Zeit zu sich nahm. Ohrenweh, Fieber, zerquetschte Finger oder Furunkel behandelte man mit alten Hausmitteln, ohne den Doktor damit zu behelligen.
  • Beim Spielen begoß man sich schon mal fröhlich mit der aus dem Misthaufen austretenden Jauche, den Erwachsenen wurden aus Henadreck angerührte Speisen angeboten; Puppen und deren Anziehsachen bestanden aus Papier; man ließ Brunnendeckel krachen, schaukelte selig auf der großen Kirtahutschn in der Tenne, und rodelte bei minus 20 Grad schreiend den Kirchberg hinunter.
  • Kinder halfen gern beim Kartoffelklauben, weniger begeistert beim Kartoffelkäfersammeln, dafür stolz bei Getreideernte, Daxenhacken, Kühehüten oder Sauerkrauteinstampfen..
  • Mit Leibchen, braunen kratzigen langen Strümpfen unter Kleid oder kurzer Hose, mit Mänteln aus gewendeten Soldatenröcken und Winterkleidung aus gestrickten Wollsachen sahen alle Kinder gleich schick aus.
  • Für den Bollerofen im Klassenzimmer mußte man Holz oder Kohlen mitbringen; Schulranzen wurden aus irgendwelchen Mappen zusammengeschustert, zerbrochene Schiefertafeln  durch solche aus schwarzer Pappe ersetzt; es gab auch in der Schule noch die Prüglstrafe; auf dem morgendlichen Schulweg nach Gstadt war es noch stockdunkel, man kämpfte sich durch den tiefen Schnee und bei verpaßtem Schiff mußte man in der Kälte eine Stunde warten, bis das nächste fuhr.
  • Ereignisse im Dorfleben waren die Rettung einer verunglückten Kuh durch die Feuerwehr ebenso wie ein Scheunenbrand, eine große Hochzeit oder ein Jahrmarkt. Institutionen wie die Post-Kathi oder der Taxler Anderl aus Rimsting, noch fast alle erforderlichen Geschäfte und Handwerker waren lebensnotwendig für ein Bauerndorf mit staubiger Hauptstraße, ohne private Telefonan-schlüsse oder Autos. Alle saßen im selben Boot und bildeten eine verschworene Gemeinschaft.

Die jeweils in knapper, treffender Sprache berichteten Ereignisse klingen nie wehleidig, oft werden sie mit feinem Humor oder Selbstironie geschildert und retten damaliges Kindheitserleben in satten Farben vor dem Vergessen. Zum Schluß überreichte die Autorin dem Bürgermeister das Buch „… aus einer Zeit vor Ihrer Zeit“ und wurde mit einem Blumenstrauß und reichlich Applaus belohnt.  uk

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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