Als letzter „Gast“ des Laufener-Oberndorfer Stadtjubiläums fand sich „virtuell“ Prof. Leopold Kohr zu einem Vortrag über sich und die Welt im schönen Saal des Alten Laufener Rathauses ein. Zahlreiches Publikum von diesseits und jenseits des Salzach-Stadtgebildes gab dessen berühmten „Sohn“ die angemessene Ehre. Dr. Ewald Hiebl vom Kohr-Archiv der Salzburger Universität und das Ehepaar Susanne und Christian Vötter-Dankl vom Verein TAURISKA der Leopold-Kohr-Akademie – profunde Kenner des Kohrschen Lebenswerkes – gaben nicht nur Anekdoten aus dem Leben dieses außergewöhnlichen Gelehrten zum Besten, sondern verstanden es auch meisterhaft in ihren Ko-Referaten das Visionäre seines Werkes darzustellen.
Noch 1909, in der „K. und K. Monarchie“ geboren, entwickelte sich Kohr über das Studium der Ökonomie, des Staatsrechtes und des Journalismus bald zu einem Menschen, dem es in seiner „trauten“ Heimat zu eng wurde. Er berichtete als Journalist über den Spanischen Bürgerkrieg, freundete sich dabei mit E. Hemingway, Georges Orwell und anderen Größen dieses Zeitumbruches an und emigrierte 1938 nach dem Anschluss Österreichs an NS-Deutschland nach Übersee, wo er u.a. lange an der Universität in Puerto Rico lehrte und aus der Distanz die Schrecken des II. Weltkrieges mitbekam. Diese veranlassten ihn Theorien zu entwickeln, wie die „Lehre vom menschlichen Maß“ oder vom „Ende der Großen“ („Disunion now“, 1941). Zusammen mit dem Nationalökonomen E.F. Schumacher brachte er die Devise „Small is beautiful“ ins Spiel, die ihn weltberühmt machte und die u.a. zum Slogan der kapitalismuskritischen amerikanischen Occupy-Now-Bewegung wurde.
In der Nachkriegszeit setzte sich Kohr für ein Europa der kleinen Einheiten ein. Er sprach von ca. 50 europäischen Regionen, die das Zeug hätten Staaten nach menschlichem Maß mit Bürgernähe zu sein. Alles was eine Größe von 10 -12 Mio Einwohnern überschreite, liefe Gefahr, dass Bürgerwohl gegen ein abgehobenes Machtgebaren ausgetauscht werde. Für solche unmäßigen Volksstrukturen müssten dann hohe Ausgaben des Machterhaltes z.B. für militärische Sicherheit ausgegeben werden. Die Schweiz und Liechtenstein sah er als Beispiel einer gelungenen Kantonisierung, die den Nationalismus wie das ethno-nationalistische Stammesdenken überwunden haben. Er warnte vor einer kritischen Größe, auch für Europa, was die Gefahr in sich berge gleich einem monströsen Schiff – wie die „Titanic“- zu enden.
Schon 1963 trat er bei der Stadtentwicklung für die Wiederentdeckung der Stadtplätze im Sinne von Fußgängerzonen ein. Sein Votum war, die zunehmenden Slums der weltweiten Urbanisierung durch geförderte Eigenentwicklung aus ihrer Misere zu befreien. Der Begriff der sog. „Dritten Welt“ war ihm ein Ärgernis. Für ihn war Entwicklungs-Zusammenarbeit nach seinem Buch „Hilfe zur Selbsthilfe“ oberste Leitlinie einer Politik der achtsamen Menschenwürde und eines dauerhaften Friedens.
Für die drängenden Probleme der Neuzeit und des Zeitenwandels mahnte er vor einem gesteigerten Güterverbrauch, den die begrenzte Erde nicht leisten könne. Er empfahl den angemessenen Ge- und Verbrauch langlebiger, reparaturfreundlicher Güter, die weniger das Brutto-National-Produkt, sondern die menschliche Wohlfahrt steigern können. Die in Laufen-Oberndorf bereits praktizierte Arbeit von Repair-Cafes sind ganz in seinem Sinne und hätten bestimmt sein Lob bekommen. In Anbetracht seines Werkes „Das Ende der Großen“ wurde Kohr einmal gefragt, ob unsere Gesellschaft diesem entgehen könne und einen entsprechenden Wandel schaffe? Seine kurze und lapidare Antwort „Nein“. Die anschließende rege Diskussion mit den Teilnehmern brachte jedoch Beispiele aus Oberndorf-Laufener Projekten wie „Eine Welt-Laden“, „Faire-Trade-Stadt-Status“, “ Weltgarten“, “Kleinstes Einkaufszentrum Bayerns“, usw. die Hoffnung machen, dass in Leopold-Kohrs alter Heimat die Zeichen der Zeit erkannt werden und einem kultivierten Umbruch der Weg gebahnt werde.
Foto: TAURISKA – Text: Sepp Heringer