A fesches Dirndl, a stylische Lederhos‘n und ab geht’s auf den bairischen Tanzboden mit Polka, Walzer, Ländlerisch, Freestyle Boarisch … Davon können die Tanzlustigen derzeit nur träumen. Wie lange sich der Corona-Virus noch zwischen die Tanzpaare drängt, steht in den Sternen. Dennoch: Der Virus hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Egal ob beim Singen unterm Christbaum oder eben beim miteinander kontaktlos tanzen ist Bayerns berühmtem Tanzmeister Magnus Kaindl aus Diessen am Ammersee – zusammen mit dem Ziach-Spieler Johannes Sift – eine wilde Tanzerei ohne Anfassen eingefallen: Jüngst brachten die Zwei ihr Bavarian Line Dance als Online-Angebot 155 Lehrkräften aus allen Schularten in ganz Bayern bei. „Damit Schwung in den Unterricht kommt – Corona zum Trotz“, lachen sie.
Als Leiter der Abteilung Volkskultur im Kulturreferat der Stadt München hat Magnus Kaindl neue Begegnungsformate ausgetüftelt, „die sollen uns über die Pandemie hinwegretten“, sagt er und freut sich auf die Zeit, wenn das Leben „normal“ weitergeht. Dennoch ist er sicher, dass sich die neuen Unterhaltungsformen zusätzlich ins gesellschaftliche Leben integrieren und es bereichern. Dazu zählt er auch Bavarian Line Dance, das tatsächlich ohne Anfassen funktioniert und sogar dem Hygieneabstand folgt: Line Dance wird in Reihen getanzt. Wie es geht, hat er in einem Online-Seminar den Bayerischen Lehrerinnen und Lehrern vermittelt, das die Landesarbeitsgemeinschaft Volksmusik an Schulen in Bayern, kurz LAG, ausgeschrieben hat.
Die Vorsitzende der LAG, Rita Brunner, ist Studiendirektorin am Gymnasium Schrobenhausen. Selbst leidenschaftliche Volksmusikerin, leitet sie zwei Orchester an der Schule. Privat ist sie unterwegs mit der Gruppe Reiderweiberhias und mit der Hofmarkmusik, sie spielt Geige, Zither und singt. Auch sie konnte sich „das Neue“ nicht vorstellen, als bei ihr die Anmeldungen fürs Bavarian Line Dance binnen Tagen in die Höhe schnellten. LAGs, sagt sie, gäbe es im Bereich Musik nicht nur für bairische Volksmusik, sondern auch für Jazz, Popmusik, Chor und Orchester. Sie sind dem Kultusministerium unterstellt, werden von dieser Behörde finanziert und kümmern sich um Lehrerfortbildungen bayernweit und für alle Schularten. Bisher bot die LAG Volksmusik Fortbildungen an für Singen, Musizieren und Tanzen in der traditionellen Musik vieler Länder, wie zum Beispiel schwedische Fiddlemusik deutsch-türkisch Tanzen und viele andere internationale Tanzformen im Mix mit bayerischer Volksmusik.
Großes Gemeinschaftsgefühl – Aber mit Abstand
„Mit Bavarian Line Dance haben wir trotz Abstandhalten ein Riesengemeinschaftsgefühl erlebt“, fährt Rita Brunner fort. Inzwischen sei es der Hit an vielen Schulen, „weil die Lehrer gleich nach der Fortbildung losgelegt haben mit dem neuen Tanzformat und die Schüler ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen: im Schulhaus, auf dem Pausenhof, im Sportunterricht und in der Freizeit.
„Ich habe es auch gleich in meine fünfte und sechste Klasse am Schrobenhausener Gymnasium hineingetragen. Alle fanden es cool – und sie haben bereits andere Klassen mit dem BLD-Virus infiziert.“
Dass die Online-Fortbildung so gut angenommen wurde, liegt an der Popularität, die das freie Tanzen in Reihen binnen weniger Monate erreichte. Beginnend mit der Premiere am Ammerseeufer in Diessen, fortgesetzt auf dem heuer verwaisten Gelände der Wies’n am Fuße der Bavaria in München, sowie auch in der Bayerischen Volksmusik-Akademie in Freyung. Beim Online-Learning hätten so viele mitgemacht, weil sie via Bildschirm daheim oder im Lehrerzimmer teilnehmen konnten und nicht durch ganz Bayern fahren mussten.
Ihr Aufnahmestudio haben Kaindl und Sift in einem Klassenzimmer an den Beruflichen Schulen in Landsberg am Lech eingerichtet: Laptop, Ziach und die zwei Akteure. Das wars. Magnus zeigt seine Choreografien zuerst „trocken“, erklärt die einzelnen Schrittfolgen, die er mehrfach vorführt und dann mit Live-Musik in langsamen und immer schneller werdenden Abläufen zeigt, worauf es ankommt und mit seinen Kommandos das Mittanzen erleichtert. Schon während des Kurses sind über Chats bei Rita Brunner, die das technische Backup in der Hand hatte, begeisterte Meldungen eingelaufen, „und hinterher“ erzählt sie, „haben sich Dankeschöns und Jubelkommentare gehäuft.“ Wie es sich jetzt schon abzeichnet, werden der „Stampfer“ und der „bairisch Footloose“ bald feste Bestandteile in den Bayerischen Schulen sein – auch über die bewegungsarme Zeit hinaus.
Wie in amerikanischen Country Clubs
Eingangs stellten Magnus Kaindl und Johannes Sift ihre Idee vor: Inspiriert durch amerikanische Western-Bars und Country-Clubs haben wir Schrittfolgen aus dem Country Line Dance übernommen und mit Tanzelementen und Schrittvarianten aus dem bairisch Tanzen verknüpft, wie zum Beispiel einfache Schlagelemente des Schuhplattlers. Statt Country-Musik spielen wir bairische Volksmusik. Der Rhythmus gibt die Schrittfolgen vor. Diese sind aber nicht auf bestimmte Musikstücke festgelegt. Ob auf langsame oder schnellere Tempi getanzt wird, erfolgt im freien Ermessen und ist angedockt an die Zielgruppe.
Und es geht weiter: Momentan machen sie einfache Figurentänze Line-Dance-tauglich, wie zum Beispiel Krebspolka und Siebenschritt.
Bericht und Fotos: Beate Bentele