Leitartikel

Landwirtschaftsentwicklung in der Gemeinde Breitbrunn

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Die Entwicklung der Landwirtschaft am Beispiel der Gemeinde Breitbrunn am Chiemsee   – ein Beitrag zu den Jubiläen „100 Jahre land- und hauswirtschaftliche Fachbildung im Rosenheimer Land“

Die Entwicklung der Landwirtschaft in Breitbrunn ist typisch für das Rosenheimer Land und deshalb auch auf andere Gemeinden im Landkreis übertragbar.

Breitbrunn am Chiemsee ist mit 812 ha Fläche und 1.620 Einwohnern eine der kleinsten Gemeinden im Landkreis Rosenheim. Die heutigen Gemeindegrenzen entstanden bereits im Jahr 1818 und wurden auch durch die Gebietsreformen im letzten Jahrhundert nicht verändert. Dies ist für statistische Auswertungen ein Glücksfall, denn somit können alte Daten aus vergangenen Jahrhunderten mit aktuellen Zahlen gut verglichen werden. Grundlage der folgenden Darstellungen sind das Rustikalkataster aus dem Jahr 1814, die Viehzählung aus dem Jahr 1904 und die Mehrfachantragstellung aus dem Jahr 2022. Situation der Landwirtschaft zu Beginn der Bauernbefreiung Die früheren Grundherren waren in erster Linie das Augustinerchorherrenstift Herrenchiemsee und das Benediktinerkloster Frauenchiemsee. Diese hatten über mehrere Jahrhunderte viele landwirtschaftliche Anwesen geschaffen, die von Anfang an unterschiedlich groß waren. Der sogenannte „Hoffuß“ teilte die Anwesen nach ihrer Größe und Bonität des Bodens ein und schaffte so eine Grundlage für die Besteuerung.

Typische Bezeichnungen aus dieser Zeit: Ganzer Hof = Maierhof ‚/2 Hof = Hube 1/4 Hof = Lehen 1/8 Hof = Bausölden ‚As Hof = Leersölden Maierhöfe, Huben und Lehen galten als Vollbauernstellen. Eine weitverbreitete Form in der Gemeinde Breitbrunn war das Lehen, eine Kleinbauernstelle, die gerade für das Einkommen einer Bauersfamilie reichte. Die Durchschnittsgröße dieser Anwesen lag im Jahr 1814 bei ca. 50 Tagwerk. Zudem gab es eine große Anzahl an 1/4, 1/46, V24 und 1/22 Anwesen, die im Nebenerwerb zur Eigenversorgung bewirtschaftet wurden. Die kleinen Strukturen prägen heute noch die Landschaft im Chiemgau. Die kirchliche Grundherrschaft endete mit der Säkularisation 1802/03. Die Bauernbefreiung wurde im Jahr 1848 unter König Max II. abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Bauern keine Abgaben mehr bezahlen und konnten über ihr Eigentum frei verfügen.

Strukturwandel in der Landwirtschaft

Breitbrunn Einheit 1814 1904 2022
Landw. Betriebe Anzahl 68 62 19
Landw. Fläche ha / Betrieb 9 10 28

 

Die Landwirtschaft in der Gemeinde unterlag in der Vergangenheit einem starken Strukturwandel. Die meisten Betriebsaufgaben erfolgten nach 1950. In den letzten Jahrzehnten (von 1950 bis 2021) haben 33 Betriebe die Bewirtschaftung aufgegeben und ihre Flächen verpachtet. Nahezu alle ehemaligen Selbstversorger-Anwesen haben zwischenzeitlich die Bewirtschaftung eingestellt und ihre Gebäude zu Wohn- oder Gewerbezwecken umgebaut. Es sind wenige Haupterwerbsbetriebe geblieben, die ausnahmslos Milch produzieren.

Flächennutzung

Bis zum Beginn des 19. Jahrhundert war in Breitbrunn die Dreifelderwirtschaft verbreitet (Wintergetreide, Sommergetreide, Brache). Die Produktion von Brotgetreide und Hafer für die Zugpferde spielte in der Landbewirtschaftung eine große Rolle. Der natürliche Aufwuchs auf den brachliegenden Äckern wurde an das Vieh verfüttert. Ein geringer Teil der Fläche wurde als reines Grünland bewirtschaftet. Nur langsam verbreitete sich die von der Wissenschaft und Beratung propagierte Fruchtwechselwirtschaft. Deren Hauptkennzeichen waren der jährliche Wechsel von Halm- und Blattfrüchten. Durch die Bestellung des zuvor brach gelegenen Feldes konnte die Ackerfläche um ein Drittel erweitert werden. Zu Beginn des 20. Jahrhundert wurden verstärkt Zukaufsdünger eingesetzt und Felder dräniert. Dies führte zu deutlichen Ertragssteigerungen.

Flächennutzung 2022 landwirtschaftliche Betriebe >3 ha 19 Betriebe bewirtschaften: Landwirtschaftliche Nutzfläche 540 ha Grünland 354 ha

Acker 186 ha davon Getreide 47 ha Kleegras 10 ha Ackergras 19 ha Sonstiges 2 ha Silomais 106 ha

Silomais Anteil an der Ackerfläche 56 0/0 Silomais Anteil an der lw. Nutzfläche 19

Flächennutzung 2022    
landwirtschaftliche Betriebe >3 ha 19 Betriebe
Landwirtschaftliche Nutzfläche 540 ha
Grünland 354 ha
Acker 186 ha
davon Getreide 47 ha
Kleegras 10 ha
Ackergras 19 ha
Sonstiges 2 ha
Silomais 106 ha
Silomais Anteil an der Ackerfläche 56 %
Silomais Anteil an der lw. Nutzfläche 19 %

Die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Aufgrund der natürlichen Voraussetzungen steht in der Gemeinde die Milchviehhaltung im Vordergrund. Die Ackernutzung wurde von über 80 % der landwirtschaftlichen Fläche im Jahr 1814 auf ca. 30 % im Jahr 1990 reduziert. In den letzten Jahren ist sie wieder angestiegen. Im Jahr 2022 beträgt sie 34 %. Der Acker wird heute vorwiegend zur Gewinnung von Viehfutter genutzt. Die Getreideproduktion spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Silomais hat sich als energiereiches Grundfutter zum Ausgleich für die eiweißbetonten Grassilagen bewährt und wird zudem zur Energieerzeugung in Biogasanlagen verwendet. In der Gemeinde wurden 106 ha Silomais im Jahr 2022 angebaut. Das sind 56 % der Ackerfläche oder 19 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Gemeinde. Die Grünlandwirtschaft wurde – soweit dies sinnvoll und möglich war – intensiviert. Silagewirtschaft, hohe Schlagkraft bei der Futterernte und optimierte organische Düngung prägen die moderne Grünlandbewirtschaftung.

Viehhaltung

Seit ca. 150 Jahren ist der Viehbestand in der Gemeinde deutlich gestiegen. Durch die Intensivierung des Ackerfutterbaus und die Ertragssteigerungen im Grünland konnten die Betriebe mehr Vieh füttern und die Leistungen der Tiere erhöhen. In alten Viehverzeichnissen aus dem 18. Jahrhundert ist in der Gemeinde kaum einen Betrieb registriert, der mehr als 5 Rinder im Stall stehen hatte. Im Viehverzeichnis von 1904 werden 28 Betriebe aufgelistet, die zwischen 10 und 30 Rinder hielten. Dabei hatte zu diesem Zeitpunkt der große Strukturwandel noch gar nicht eingesetzt.

Die Milchleistung stieg aufgrund der verbesserten Fütterung und einer gezielten Züchtung kontinuierlich an. Ehemals beliebte Rinderrassen wie das Pinzgauer Rind wurden durch das leistungsstärkere Fleckvieh weitgehend verdrängt.

Breitbrunn Einheit 1904 2022
Milchviehbetriebe Anzahl 51 8
Großvieheinheiten GV / ha 0,9 1,7
Milchleistung Kg / Kuh und Jahr 2.000 8.000

 

Im letzten Jahr wurden in der Gemeinde 510 Milchkühe gehalten. Der Großteil der Milch wird heute an die Molkereien in der Region abgeliefert. Bei einer durchschnittlichen Milchablieferung von 7.500 kg Milch pro Kuh und Jahr an die Molkerei entspricht dies einer Gesamt – Milcherzeugung von ca. 3.825.000 kg Milch. Bei einem aktuellen Pro-Kopf-Verbrauch von 360 kg Milch (einschließlich aller Milchprodukte) pro Jahr können so mehr als 10.000 Menschen mit Milchprodukten versorgt werden. Die Gemeinde Breitbrunn zählt aktuell 1.620 Personen.

Fazit:

Die landwirtschaftlichen Betriebe in der Gemeinde Breitbrunn können auf eine lange Geschichte zurückblicken. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft fand vorwiegend nach 1950 statt. Wenige Betriebe bewirtschaften mehr Fläche und halten meist auch mehr Vieh. Nur wenige Landwirte können im Haupterwerb von ihren Betrieben leben. Die Selbstversorgung spielt keine bedeutsame Rolle mehr. Die Bewirtschaftung ist heute in erster Linie aufgrund der klimatischen Voraussetzungen auf intensive Milchviehhaltung ausgerichtet.

Quellenangaben:

  • Die Geschichte der Gemeinde Breilbrunn: Haus und Hofgeschichten, Dr. Stefan Breit, Franz Burghardt
  • Ergebnisse der Viehzählung aus dem Jahr 1904; Gemeinde Breitbrunn
  • Ergebnisse aus der Mehrfachantragstellung 2022; AELF Rosenheini
  • Deutsche Agrargeschichte; Alois Seid!

Bericht: Entnommen der Festschrift „100 Jahre land- und hauswirtschaftliche Fachbildung im Rosenheimer Land“

Luftaufnahme: Rainer Nitzsche – Blick auf die Chiemsee-Uferlandschaft mit der Gemeinde Breitbrunn

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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