Zum Flamenco gehören normalerweise Gesang, Tanz, Gitarre und Kastagnetten. Die Harfe wird in diesem Zusammenhang eher nicht genannt. Wenn sich ein 13-jähriges Mädchen an jenes Instrument aus der Familie der Zupfinstrumente wagt und einen „Baroque Flamenco“ zum Besten gibt, dann passiert ein magischer Moment, den es bei der Verleihung der Kulturpreise des Landkreises Rosenheim aufgrund der alljährlich wechselnden Preisträger immer wieder gibt. Diese künstlerischen Überraschungen verzaubern das Publikum, das sich am Ende mit Bravo-Rufen und lautstarken Applaus bedankt.
2021 zeichnete der Landkreis Rosenheim das Immling Festival mit dem Kulturpreis aus. Im Kurhaus von Bad Aibling ehrte Landrat Otto Lederer am Abend (27.04.22) zudem die jugendlichen Musikerinnen Aurelia Noichl aus Aschau und Emma Huber aus Feldkirchen-Westerham mit dem Kulturförderpreis sowie den Kunstverein Bad Aibling mit dem Kultursonderpreis. Die Laudationes hielt der Kulturreferent des Landkreises Christoph Maier-Gehring. Eigentlich hätte die Verleihung der Kulturpreise schon im November vergangenen Jahres stattfinden sollen. Dann kam Corona dazwischen. „Ich bin froh, dass wir die Kulturpreisverleihung 2021 nachholen können“, sagte Landrat Otto Leder in seiner Begrüßung. „Die Kultur hatte es in den vergangenen zwei Jahren nicht einfach. Wir, das Publikum, haben die persönliche Begegnung mit Künstlern und der Kultur vermisst.“ Aber auch viele Kulturschaffende haben sehr gelitten. Daher freute es den Landrat, dass Live-Kultur wieder möglich ist.
Ähnlich äußerte sich Bad Aiblings Bürgermeister Stephan Schlier. Kunst und Kultur bräuchten das Gespräch. Es sei schön, dass man sich wieder unter normalen Bedingungen treffen könne. Zur Liste der Preisträger meinte Schlier, „da schlackert man mit den Ohren, wie breit der Landkreis aufgestellt ist.“
Sein 25-jähriges Jubiläum feierte der Kulturpreisträger 2021 des Landkreises Rosenheim, das „Festival auf dem grünen Hügel des Chiemgaus“, im vergangenen Jahr. Laudator Christoph Maier-Gehring erinnerte an die Anfänge, aus denen sich „eines der wichtigsten Sommerfestivals in Bayern, ja, im gesamten süddeutschen Raum entwickelte.“ Nach einem Bühnenunfall fand der in Happing groß gewordene Opernsänger Ludwig Baumann auf Gut Immling ein „wunderbares Zuhause“. 1997 wollte Baumann Mozarts „Die Zauberflöte“ auf einer Seebühne bei Halfing aufführen. Schwere Regenschauer verhinderten dies und so wurde „Die Zauberflöte“ in der rasch eingerichteten Reithalle von Immling fünf Mal aufgeführt. Nur einmal gelang es, auf der Seebühne zu spielen. Ein wiederkehrendes Festival war für Ludwig Baumann zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema. Erst als immer mehr Menschen mit der Bitte kamen, „so etwas wieder zu machen“, nahm die Erfolgsgeschichte ihren Lauf. „Das Immling Festival wurde zu einem professionell geführten mittelständischen Unternehmen mit bis zu 250 fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den drei bis vier Sommermonaten“, resümierte Kulturreferent Maier-Gehring. Zudem ist es ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, „seit 1997 mögen es in den etwa 500 Vorstellungen circa 500.000 Besucher gewesen sein.“ Durch den Verkauf von Eintrittskarten alleine, lässt sich so ein Festival aber nicht finanzieren. Es braucht großzügige Sponsoren und Unterstützer wie den Freistaat Bayern, den Bezirk Oberbayern, den Landkreis Rosenheim und die Gemeinden. „Ohne sie wären die Festspiele so nicht denkbar.“ Zu Ludwig Baumann sagte Christoph Maier-Gehring, „ich habe ihn als integren Intendanten, als mutigen, auch unkonventionellen Regisseur, als cleveren Geschäftsmann kennengelernt – das muss man an solcher Stelle auch sein.“ Der Kulturreferent lobte die musikalische Leiterin und Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock: „Es ist ein Genuss ihr zuzusehen, wenn sie einfühlsam wie dynamisch vom Dirigentenpult aus einen Opernabend leitet.“ Maier-Gehring vergaß nicht, auch vom gesamten Team zu sprechen, von den hochrangigen Sängerinnen und Sängern, von den Tänzerinnen und Tänzern, dem Festivalchor oder dem Festival Orchester, den vielen helfenden Händen hinter den Kulissen, „um die 30 Nationen sind jeweils vertreten.“ Abschließend ging Christoph Maier-Gehring noch auf das aus seiner Sicht so wichtige pädagogische und soziale Engagement des Festivals ein. Er nannte die speziell auf Kinder und Familien zugeschnittenen Aufführungen und die Immling-Akadamie mit dem Jugend- sowie dem Kinderchor des Festivals.
Festival-Intendant Ludwig Baumann freute sich über so viel Lob und natürlich den Kulturpreis. In seiner Dankesrede betonte Baumann die Wichtigkeit des gesamten Teams: „Manche sind seit 25 Jahren dabei, ich möchte euch ein riesenherzliches Dankeschön sagen für eure Arbeit.“ Die pandemiebedingte Pause war auch für die Festival-Organisatoren nicht einfach, „aber dank unserer Sponsoren haben wir es geschafft.“ Die musikalische Bedeutung, die sich das Immling-Festival inzwischen erarbeitet hat, umschreibt Ludwig Baumann mit einem Satz: „Die Opernhäuser haben die Stars und wir machen sie in Immling.“ Der Intendant schätzt, dass es rund 100 Sängerinnen und Sänger von dort auf die großen Bühnen geschafft haben. Und noch eins war Ludwig Baumann wichtig, „was es bei uns nicht gibt, ist Rassismus.“ Hautfarbe oder Religion spielt keine Rolle, „es gibt nur Musik.“ Dass das nicht immer so einfach ist, lässt Baumann schon durchklingen. Der Krieg in der Ukraine beschäftigt die Team-Mitglieder aus rund 30 Nationen. „Wir diskutieren sehr viel, jeder hat einen anderen Blickwinkel, aber in der Kultur verstehen wir uns.“ Die musikalische Leiterin Cornelia von Kerssenbrock ergänzte: „Wenn wir in einem Video, ein Geige spielendes Mädchen sehen, dann merken wir, was Musik in Kriegszeiten bedeutet. Wir sehen, wie Musik die Menschen bewegen kann und welche Emotionen Musik hervorrufen kann.“ Musikalisch gab es einen kleinen Ausblick auf das Programm des Immling-Festivals in diesem Sommer. Jessica Schäfer, Fiona Kent, Anja Benedikt und Elisa Unterseher sangen und tanzten den Song „I need a hero“ aus dem Musical Footloose. Der Sänger Kangyoon Shine Lee präsentierte „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ aus der Oper „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart und Margarita Polonskays begeisterte das Publikum mit „‘Ah! Je ris de me voir si belle“ aus der Oper „Faust“ von Charles Gounod.
Den Festabend im Kurhaus von Bad Aibling hatten die beiden Kulturförderpreisträgerinnen Aurelia Noichl aus Aschau und Emma Huber aus Feldkirchen-Westerham musikalisch eröffnet. Die 13-jährige Aurelia präsentierte auf ihrer Harfe eine Serenade von Alphonse Hasselmans und die 17-jährige Emma folgte mit einem Andantino aus der Sonate C-Dur von Melchior Chiesa. Nach der Preisverleihung gab es von Emma Huber noch den 2. Satz aus den vier Mandalas von Martin Torp und von Aurelia Noichl einen „Baroque Flamenco“. Christoph Maier-Gehring hatte die beiden Familien der Preisträgerinnen im Vorfeld besucht. Er konnte berichten, dass Aurelia Noichl schon im Kindergarten viel sang, Flöte spielte und Orff-Instrumente zum Klingen brachte. Außerdem war sie mit ihrer Mutter im Mutter-Kind-Chor und später im Kinderchor. Zur Harfe kam sie zufällig, weil eine zuhause stand. Erst seit vier Jahren spielt sie dieses Instrument und sie hatte das Glück, als eine von drei Privatschülerinnen von Professor Margit-Anna Süß aufgenommen zu werden. Die Harfen-Koryphäe wohnt in Sachrang und hat eine Professur an der Musikhochschule in Graz inne.
2020 erspielte sich Aurelia Noichl bei „Jugend musiziert“ einen regionalen 1. Preis. Im vergangenen Jahr wurde sie beim Wettbewerb des „Verbands deutscher Harfenisten“ Dritte bei den Jugendlichen und erst kürzlich, am Osterwochenende siegte sie beim Landeswettbewerb Bayern von „Jugend musiziert“ in Ingolstadt im Wettbewerb Harfe Duo. Sie darf deshalb beim Bundeswettbewerb in Oldenburg antreten.
Emma Huber begann ihre musikalische Karriere ebenfalls im Kinderchor. Vor etwa zehn Jahren, Emma war damals sieben, „verliebte“ sie sich in das Hackbrett. Ausschlaggebend war ihre Hackbretterlehrerin Angelika Weber, bei der sie heute noch Unterricht hat. Seit 2018 lernt sie noch Harfe und Gitarre bringt sie sich selbst bei, weil sie das Instrument für ihren zukünftigen Beruf als Realschullehrerin braucht. 2018, mit 13 Jahren, wurde sie beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ für Hackbrett solo Zweite. Ein Jahr später, 2019, wurde es Platz eins beim Bundeswettbewerb für Hackbrett-Duo. 2020 trat Emma Huber erneut für Hackbrett solo an und diesmal wurde es Platz eins beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“.
Der Kulturreferent Christoph Maier-Gehring schloss, „der Kulturausschuss des Landkreises Rosenheim hat wieder einmal hervorragende Preisträgerinnen ausgewählt.“
Ein Ort moderner Kunst war im vergangenen Jahr der Kurpark in Bad Aibling. Anlässlich seines 70-jährigen Jubiläums wollte der Kunstverein Bad Aibling schon 2020 den Skulpturenpfad verwirklichen. Wegen Corona musste das Projekt auf 2021 verschoben werden. Christoph Maier-Gehring zitierte Karl Valentin mit „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Die investierten die Mitglieder des Kunstvereins im Kurpark. „Mit Plastiken, Skulpturen und Objekten in den unterschiedlichsten Formen, Materialien und Farben von insgesamt 17 renommierten Künstlern aus der Region und weit darüber hinaus.“ 30 Objekte wurde über den gesamten Kurpark verteilt. „Teilweise, wie wir gesehen haben, an ungewöhnlichen Orten wie im Wasser oder in Bäumen.“ Auch das Thema Moor war laut Maier-Gehring künstlerisch behandelt worden, „denn schließlich konnte Bad Aibling 2020 auch 175 Jahre Moorbad und 125 Jahre Heilbad feiern. Im September nahm der Kulturreferent an einer nächtlichen literarischen Führung auf dem Skulpturenpfad teil, „ein ganz besonderes Erlebnis.“ Das war es offenbar auch für viele Menschen, die sich sonst nicht so für moderne Kunst interessieren, ist sich Maier-Gehring sicher. „Sie setzten sich damit auseinander, rätselten über ihren Sinn und man kam miteinander ins Gespräch. Es waren mentale Auszeiten, persönliche Lichtblicke in dieser Pandemiebestimmten Zeit.“ Auch den Vandalismus erwähnte der Kulturreferent, der einen Künstler sogar bewog, seine Werke zurückzuziehen. „Gegen stumpfsinnige Zerstörungswut ist letztlich kein Kraut gewachsen. Aber es gilt, dagegen ein starkes Zeichen zu setzen.“ Dazu gehört für ihn auch die Auszeichnung mit dem Kultursonderpreis des Landkreises. „Insgesamt ist der Bad Aiblinger Skulpturenpfad einem großen ehrenamtlichen Engagement der Kunstvereins-Vorstandschaft und vieler weiterer Helfer zu verdanken.“ Der Laudator lobte die finanzielle Unterstützung durch den früheren Bad Aiblinger Bürgermeister Felix Schwaller sowie seines Nachfolgers Stephan Schlier. Sein Dank galt Bad Aiblings Kurdirektor Thomas Jahn und nicht zuletzt den Mitarbeitern von den Bad Aiblinger Stadtwerken und dem Bauhof.
Der Landkreis Rosenheim vergibt die Kulturpreise jährlich, um Bürgerinnen und Bürger oder Gruppen zu ehren, die sich besondere Verdienste um die Kultur im Landkreis erworben haben. Der Kulturpreis ist mit 5.000 Euro dotiert, der Kulturförderpreis mit 2.500 Euro und der Kultursonderpreis mit 1.500 Euro.
Bericht und Bilder: LRA Rosenheim
- Lederer Kerssenbrock Baumann: Landrat Otto Lederer mit der musikalischen Leiterin Cornelia von Kerssenbrock und Intendant Ludwig Baumann
- Kunstverein Bad Aibling: Martina Thalmayer, Richard Lindl und Huge von Oertzen vom Kunstverein Bad Aibling mit Landrat Otto Lederer
- Noichl Lederer Huber: Die beiden Kulturförderpreisträgerinnen Aurelia Noichl und Emma Huber, dazwischen Landrat Otto Lederer