Land- & Forstwirtschaft

Landkreis Rosenheim: Eichenprozessionsspinner

Der Eichenprozessionsspinner hat sich in den vergangenen Jahren in der Region unübersehbar ausgebreitet. 2018 wurde die einheimische Insektenart, deren Härchen gesundheitsschädlich für den Menschen sind, in der Stadt Rosenheim sowie in 14 Gemeinden des Landkreises Rosenheim festgestellt. So viele waren es zuvor nicht und es ist gut möglich, dass heuer weitere Gemeinden hinzukommen werden. Auf Einladung der Gartenfachberater im Landratsamt Rosenheim trafen sich Fachleute und Vertreter der betroffenen Kommunen zum Informationsaustausch.

Im großen Sitzungssaal wurde sehr deutlich, dass die Sachlage kompliziert ist. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts sind Massenvermehrungen des Eichenprozessionsspinners dokumentiert, ohne dass man weiß, wie es dazu kommt und was die Population wieder zusammenbrechen lässt. Unklar ist, ob aktuell der Höhepunkt der Massenvermehrung bereits erreicht ist. Kreisfachberater Harald Lorenz wollte so recht nicht daran glauben. Er ging eher von einer weiteren Vermehrung aus. Eine kleine Hoffnung könnte laut Lorenz der Kälteeinbruch am vergangenen Tage gewesen sein, dem möglicherweise viele der kleinen Larven zum Opfer fielen.

In der Dämmerung machen sich die Raupen in einer Art Prozession auf dem Weg aus ihrem Gespinst zu den Blättern des Eichenbaumes. Vom Wipfel abwärts werden die Bäume kahl gefressen. Die Eichen werden dadurch geschwächt, aber nicht abgetötet. Weil das Überleben der Eichen gesichert ist, sieht man im Amt für Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim keine Zuständigkeit für Bekämpfungsmaßnahmen.

Allerdings lösen die mit einem Widerhaken versehenen Härchen der Raupe, so genannte Brennhaare, auf der Haut oder Schleimhaut von Menschen toxische oder allergische Reaktionen aus. Wie der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes Dr. Wolfgang Hierl ausführte, sind unter anderem Juckreiz, Entzündungen oder allergische Reaktionen möglich. Geraten die Brennhaare ins Auge, sind Bindehautentzündungen möglich. Werden sie eingeatmet, kann dies auch zu asthmatischen Beschwerden führen. In der Regel können die körperlichen Beschwerden bis zu zwei Wochen andauern.

Gefährdet sind vor allem Forstarbeiter oder Landschaftspfleger in befallenen Waldgebieten. Ihnen empfahl Dr. Hierl, die Eichen vor einer forstwirtschaftlichen Tätigkeit zu kontrollieren. Aber auch Erholungssuchende und hier vor allem Kinder in Freizeitanlagen mit befallenen Eichen können bei Berühren von Raupen, Gespinstnestern oder Faltern gesundheitliche Beschwerden bekommen. Dr. Hierl riet dringend dazu, Warnhinweise zu beachten und Abstand zu befallenen Bäumen zu halten. Grundstückseigentümer mit befallenen Eichen sollten keinesfalls selbst Hand anlegen, sondern Fachfirmen mit der Entfernung der Raupen und Gespinste beauftragen.

Hat dennoch ein Kontakt stattgefunden, sollte laut Gesundheitsamt die Kleidung, die mit den Brennhaaren in Berührung kam, mit mindestens 60 Grad gewaschen werden, damit das Gift inaktiv wird. Die Personen selbst sollten ein Duschbad mit Haarwäsche durchführen und bei Augenbeteiligung diese auch spülen. Bei Symptomen soll laut Dr. Hierl der Hausarzt aufgesucht werden. Zur Behandlung stehen wirkungsvolle antientzündliche und antiallergische Medikamente zur Verfügung.

Was also tun? Den Einsatz von Pflanzenschutzmittel sieht Gartenfachberater Lorenz problematisch, weil durch sie auch andere Bewohner eines Baumes betroffen werden. Allein in Deutschland nutzen 366 Arten von Schmetterlingsraupen Eichen direkt oder indirekt als Lebensraum und Nahrungsgrundlage. Aus diesem Grund entschied sich der Landkreis Rosenheim in seinem Zuständigkeitsbereich auf das Absaugen der Gespinste und Larven zu setzen.

Wenn eine betroffene Eiche auf einem Privatgrundstück steht, kann der Eigentümer gefordert sein. In der Informationsveranstaltung wurde deutlich, dass jeder Fall einzeln beurteilt werden muss. Weil es beim Eichenprozessionsspinner nicht um den Schutz von Pflanzen sondern um den Schutz der Gesundheit geht, können Gemeinden und Landkreis auf das Ordnungsrecht zurückgreifen.

Die Vertreter des Landratsamtes empfahlen ein Vorgehen, abhängig vom Risiko. Steht eine Eiche beispielsweise abseits und stellen die Raupen deshalb keine Gefahr für den Menschen dar, braucht es keine Behandlung des Baumes. In diesem Fall kann ein Warnschild reichen und/oder eine Flatterleine. Völlig anders stellt sich die Situation dar, wenn die befallene Eiche auf einem Privatgrundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Kindergarten steht. Um die Kinder nicht zu gefährden, müsste der Privateigentümer tätig werden. Tut er dies nicht, kann die Ordnungsbehörde, also Gemeinde oder Landkreis, eine Ersatzvornahme anordnen. Das heißt, sie wird für den Privateigentümer tätig und stellt ihm die Kosten in Rechnung.

In keinem Fall aber wird es möglich sein, den Eichenprozessionsspinner so zu bekämpfen, dass es ihn nicht mehr gibt, sagte Kreisfachberater Lorenz. Welche Gemeinde heuer mit den Raupen des Falters betroffen sein werden ist genauso offen, wie die finanziellen Aufwendungen, die auf die Kommunen zukommen. Vertreter mehrerer Gemeinden beklagten fehlende Unterstützung, auch in finanzieller Hinsicht. Anwesende Baumwarte forderten die Schaffung von Planstellen, damit sich Spezialisten dem Problem annehmen können. Die Kreisfachberater im Landratsamt Rosenheim wollen ein Merkblatt mit Handlungsempfehlungen für Privateigentümer und Gemeinden entwerfen.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Lorenz’s Kollege, Kreisfachberater Roman Pröll den Eichenprozessionsspinner vorgestellt. Seit Anfang April schlüpfen die Raupen. Ab dem dritten Larvenstadium werden die Brennhaare gefährlich für den Menschen. Bis Juli dauert die Fresszeit der Raupen, danach beginnt der Flug des Falters. Weil er Wärme liebt, geht Pröll davon aus, dass die steigenden Temperaturen bzw. der Klimawandel die Entwicklung der Population fördern. Der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes Rosenheim Dr. Wolfgang Hierl ergänzte in seinem Vortrag, dass große Gespinste in den Eichen mehrere Tausend Raupen umfassen. Eine Altraupe hat bis zu einer halben Million Brennhaare. Und Kreisfachberater Pröll schloss: „Die Probleme werden zunehmen.“

Die 14 Landkreisgemeinden, in denen der Eichenprozessionsspinner 2018 festgestellt wurde sind Raubling, Brannenburg, Neubeuern, Nußdorf, Oberaudorf, Stephanskirchen, Rohrdorf, Riedering, Prutting, Söchtenau, Bad Feilnbach, Bad Aibling und Großkarolinenfeld.

Bericht und Fotos: LRA Rosenheim

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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