Kultur

Lagebericht aus dem Kleinen Theater Haar

Das Kleine Theater Haar ist als Kultur-Hotspot mit einem vielseitigen Programm aus Musik, Schauspiel und Kabarett bekannt. Ein normaler Spielbetrieb ist wegen der Pandemie nun bereits im dritten Jahr nicht möglich. Wie das Theater mit dieser Situation umgeht, erklärt Intendant Matthias Riedel-Rüppel im Interview mit Kerstin Schwabe.

Der Kulturbetrieb gilt als Verlierer der Pan­demie. Wie geht es dem Kleinen Theater?

Matthias Riedel-Rüppel Wir sind tatsächlich einer der Bereiche, die am stärksten betroffen sind. Mehr durch die Vorgaben und die Kommunikation. Man kann zwar wieder essen gehen, aber lieber nicht ins Theater. Wir schaffen nicht immer die Auslastung, die wir dürften.

Wie kommt das?

Riedel-Rüppel Weil es auch Menschen gibt, die Ängste haben und manche die Vielzahl an Maßnahmen gar nicht mehr nachvollziehen können. Diese Auslastung hat auch etwas mit der Stimmung zu tun, die in einem Kulturbetrieb aufkommt. Die ist mit so viel Abstand dann eben auch schwer zu erreichen.

Was haben Sie gemacht, als das Theater ganz geschlossen werden musste?

Riedel-Rüppel Ab November 2020 haben wir stark auf digitale Formate gesetzt. Mir war wichtig, dass Kultur dabei ihren Wert erhält, dass man Geld dafür nimmt und Geld dafür bezahlt. Wenn wir mit Kunstschaffenden einen Vertrag geschlossen hatten, haben wir die Gagen auch aus­gezahlt und nicht nachverhandelt. Für die Nied­rig­schwelligkeit haben wir aber auch bestimmte Veranstaltungen auf unserem YouTube-Kanal unentgeltlich angeboten.

Wie sind die digitalen Formate bei den Leuten angekommen?

Riedel-Rüppel Bis Ende April 2021 hatten wir eine gute Frequenz, sowohl bei den freien Formaten als auch bei den Produk­tionen, für die wir Tickets verkauft haben.

Wie ging es danach weiter?

Riedel-Rüppel Ab Mai, als es wieder mehr andere Angebote gab, wurden die Streaming-Formate nicht mehr in der Form angenommen.

Wurden insgesamt weniger Tickets verkauft?

Riedel-Rüppel Wir haben Veranstaltungen gehabt, wo wir gut 380 Tickets verkauft haben, also mehr, als die 350 Plätze, die wir im Theater haben. Bei einem Stream sitzt auch meist nicht nur eine Person vor dem Bildschirm. Außerdem haben wir Tickets in Regionen verkauft, in denen wir normalerweise keine Gäste finden würden.

Zum Beispiel?

Riedel-Rüppel Wir hatten eine Veranstaltung im Januar, bei der wir unter anderem Tickets nach China, Portugal und die Vereinigten Staaten verkauft haben. Wir haben an dem Tag ein Musical mit Thomas Borchert gezeigt, der als Graf ­Krolock im Tanz der Vampire schon überall in der Welt unterwegs war. Die Abrechnung für diese Veranstaltung lasse ich mir mal einrahmen.

Einige Formate sind erst durch Corona entstanden?

Riedel-Rüppel Genau, zum Beispiel die Reihe DienstTALK. Da habe ich mich dienstags bei uns im Theater-Café eine Stunde lang mit verschiedenen Persönlichkeiten unterhalten. Das läuft weiter. Und mit dem Fastfood Theater haben wir das Format Chat `n Play entwickelt, bei dem die Impulse für das Improtheater aus dem Chat im Stream kamen. Auch das setzen wir fort.

Sie nutzen die Technik, die Sie in den ver­gangenen zwei Jahren aufgebaut haben, inzwischen auch außerhalb des Theaters?

Riedel-Rüppel Ja, und zwar für Unternehmen, die den virtuellen Raum brauchen – für Betriebsversammlungen, Seminare oder Kongresse. Wir haben auch den Kulturpreis des Bezirks aus Kloster Seeon gestreamt und Veranstaltungen des Krisendienstes Psychiatrie Oberbayern.

Wird dieses Angebot nach der Pandemie fortgesetzt?

Riedel-Rüppel Hybride Formate können eine Perspektive für die Zukunft sein. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass Patientinnen und Patienten im kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg bei einer Veranstaltung im Kleinen Theater per Stream dabei sein können.

Ohne staatliche Unterstützung wären all die technischen Neuerungen nicht möglich gewesen?

Riedel-Rüppel Absolut. Die Krise kann auch eine Chance sein, sich noch einmal besser aufzustellen. Für 2022 haben wir schon wieder Anträge gestellt, davon ist ein Fördervertrag über 50.000 Euro bereits in trockenen Tüchern. Wenn wir wieder richtig loslegen dürfen, werden wir eine sehr gute Ausgangsposition haben.

Die Krise hat also einiges angeschoben?  

Riedel-Rüppel Klar, das muss man fairerweise sagen. Ich hätte mich vermutlich mit dem Thema Theater und Digitalisierung 2020 oder 2021 nicht in der Form befasst. Das soll jetzt aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass für viele andere Kulturbereiche die Pandemie eine Katastrophe ist.

Außerdem haben Sie eine neue Währung eingeführt im Kleinen Theater.

Riedel-Rüppel Ja (lacht), den Seelen-Euro. Weil wir festgestellt haben, dass viele Stiftungen, mit denen wir bisher zusammengearbeitet haben, aktuell nicht mehr so viel Geld ausschütten können wegen der Niedrigzins-Politik. Also legen wir seit dieser Spielzeit auf jedes Ticket zusätzlich einen Euro drauf, der direkt Kulturprojekten für psychisch Erkrankte zugutekommt. Unsere Erfahrung: Die Leute zahlen den Euro gerne.

Interview und Foto: Bezirk Oberbayern

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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