„Künstlerfreunde von Willi und Rupprecht Geiger“ – Sommerausstellung in der Bax in Übersee mit vielen Werken
„Neben der Stubentür befindet sich eine kleine Nische in Augenhöhe. Darin steht statt einer Weihwasserschale eine winzige Strohpyramide, aus der einige Ähren herausragen, umschlungen von einem Tricolorebändchen in blau, weiß, rot. Dieses kleine Schmuckstück hat ein Kriegsgefangener geflochten und Willi Geiger (1878 bis 1971) geschenkt. Der hatte ihn öfters in sein Haus eingeladen“, das erzählt Florian Geiger, Enkel von Willi und Sohn Rupprecht Geiger (1908 bis 2009). Er erinnert sich, dass sein Großvater die Kinder nicht damit spielen ließ, sondern sagte, „das ist der Freiheitsbaum der Franzosen. Lasst ihn da stehen, er beschützt das Haus.“
Wie diese strotzt das ganze, so verwunschen inmitten von Wiesen gelegenen Anwesen im Überseer Ortsteil Baumgarten, die so genannte Bax, nur so von Geschichte und Erzählungen. Wenn das rund 500 Jahre alte, weitgehend original erhaltenen Bauernhaus erzählen könnte, wäre es ein mehrbändiges Werk… . Zur Freude vieler Kunstbegeisterter gibt es dort, im Künstlerhaus Geiger, nach langer Pause wieder eine Sommerausstellung, diesmal unter dem Titel „Künstlerfreunde in der Bax“ (wir berichteten von der Eröffnung). Tatsächlich siedelten sich in dem Ortsteil – ähnlich wie rund um das Exterhaus auf der anderen Seite der Autobahn – mehrere Künstler an, die dort heimisch wurden: Walter Brendel, Fritz Harnest und Walter Lederer. Keiner von ihnen lebt noch – allesamt jedoch bedeutende Künstler, die weit über ihre Heimat hinaus bekannt sind. Ihre Nachfahren, Witwe Sofie Lederer, Sohn Stefan Harnest und Tochter Michaela Brendel, jeweils mit Familie, halten ihr Andenken lebendig.
Unter den Einheimischen ist bekannt, dass „der Herr Professor“, nämlich Willi Geiger und seine Familie freundlich empfangen und integriert wurde (wie man heute sagen würde). Von 1901 bis 1905 studierte er als Meisterschüler von Franz von Stuck an der Akademie der Bildenden Künste in München, später in Italien, Tunesien, Frankreich und Spanien. Seit 1933 hatte er eine Professur für Malerei an der Staatlichen Akademie für Graphik und Buchkunst in Leipzig inne, bis er 1928 wegen politischer Denunziation fristlos entlassen wurde. Bis nach dem Krieg zog er sich dann nach München und die 1930 erworbene Bax am Chiemsee in die „innere Emigration“ zurück. (Die Bezeichnung Bax bezieht sich möglicherweise auf einen früheren Hofbesitzer im 19. Jahrhundert, Georg Paxer.)
In der Nazizeit entstanden dort verschiedene streng gehütete Zeichnungen die nach dem Krieg als Mappen mit dem Titel „Zwölf Jahre“ und „Eine Abrechnung“ erschienen. 1946 wurde Willi Geiger durch eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste in München und zahlreiche Ehrungen rehabilitiert. Während des Krieges entstand der Begriff „Menschlichkeits
oase“ für die Bax, da hier ein freier Gedankenaustausch noch möglich war.
Gegenseitige künstlerische Inspiration
In der neuen Präsentation wird wieder gezeigt, dass sich, Willi und Sohn Rupprecht Geiger künstlerisch nahe standen und sich wechselseitig beeinflussten, auch wenn jeder seinen eigenen künstlerischen Weg ging. Das zeigen Bilder mit gleichen Motiven, zum Beispiel „Stillleben mit Birnen“ von Rupprecht 1945, von Willi 1965. Sohn Rupprecht, einziger Sohn von Willi und Clara Geiger, hat einen dem Vater ähnlichen Lebensweg – war aber als Kriegsmaler an der Ostfront noch näher am Krieg. Er studierte Architektur, absolvierte eine Maurerlehre und arbeitete in verschiedenen Architekturbüros bis er von 1940 bis 1944 Kriegsdienst an der Ostfront in Polen und Russland leistete. Als Kriegsmaler war Rupprecht Geiger später unter anderem 1944 in Griechenland eingesetzt, wo er seine autodidaktischen Studien zur Malerei fortführte. Ein Vielzahl an farbenprächtigen Landschaften, Stillleben und Stadtansichten entstanden, bei der die Erfahrung der Farbe im Vordergrund stand. „Der Süden ist ein einziger Rausch, eine Symphonie der Farben und man steht ihr ach! allzu oft fassungslos gegenüber“, schrieb er.
Nach dem Krieg begann seine sehr erfolgreiche malerische Laufbahn, während er bis Mitte der 1960er Jahre mit seiner Frau Monika ein Architekturbüro in München leitete. Schon zu Beginn seiner Karriere erhob Rupprecht Geiger die Farbe und deren Erkundung zum zentralen Anliegen seiner Kunst. Rupprecht wurde 101 Jahre alt und arbeitete bis kurz vor seinem Tod in seinem Atelier in München Solln. Berühmt sind seine Bilder mit Leuchtfarben, oft pink und rot, und einfachen geografischen Formen wie Kreis oder Quadrat. Wiederholt stellte er auf der documenta in Kassel aus, und repräsentierte Deutschland 2002 bei der 25. Biennal de Sao Paulo in Brasilien.
Im noch heute unveränderten Wohnhaus in der Bax kann der Besucher noch unverfälscht die Atmosphäre der früheren Zeit spüren. Vor allem die Ölbilder von Willi Geiger sind ausgestellt. Auf manchen, wie „Stillleben mit Stuhl“, wird das Mobiliar gezeigt, das noch heute hier zu sehen ist. Verschiedene andere Stillleben mit Wassermelone, Früchten oder Krebs vermitteln einen Eindruck vom Alltagsleben im Süden, aber auch in der Bax, wo die Sonne an heißen Sommertagen ähnlich wie das gleißende Licht der Länder am Mittelmeer ist. Die Reisen in den Süden, vor allem nach Spanien, prägten nicht nur den Vater bis ins hohe Alter, sondern auch den Sohn und gaben immer wieder Inspirationen für neue Bilder. Dabei wirken Willis Bilder – im Gegensatz zu den leuchtenden Farben des Sohnes – immer dunkler, weniger strahlend. Diesmal ergänzt durch beispielhafte Werke der Künstlerfreunde bekommen Haus und Präsentation eine neue Note.
Die Ausstellung im Künstlerhaus Geiger, Neuwies 11, ist bis Sonntag, 8. September, dem Tag des Offenen Denkmals, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Am Sonntag gibt es regelmäßig Veranstaltungen, bei denen Angehörige der ausgestellten Künstlerfreunde über Leben und Werk ihrer Angehörigen erzählen. Zu den Öffnungszeiten können Führungen durch die Kunsthistorikerin Julia Geiger, Enkelin von Ruppert und Urenkelin von Willi Geiger gebucht werden, die alle Ausstellungen, zu ihren berühmten Vorfahren kuratiert und auch das Archiv Geiger in München Solln leitet. Am letzten Ausstellungstag stellt Florian Geiger, Sohn von Rupprecht, Architekt und Künstler, sein neues Buch „Herrschaftszeiten“ über seine Kindheitserinnerungen in der Bax, vor.
Bericht und Bilder: Christiane Giesen
Foto zeigt das kleine Strohsträußchen mit französischer Tricolore, die Willi Geiger im Krieg von einem französischen Kriegsgefangenen geschenkt bekam. Es steht bis heute in der Nische, in der in anderen Bauernhäusern das Weihwasser stand.
„Abstrakte Blumen“, 1970 von Willi Geiger
Der alte originale Malkasten von Willi Geiger in der alten Stube.
Der alte Stuhl, der noch heute so in der Stube steht, gemalt 1965 von Willi Geiger.
Das Wohnhaus in der Bax der Familie Geiger.