Kultur

Konzert der Collegia Musica Chiemgau

Veröffentlicht von Christina Rechl

Bad Reichenhall – „Vivaldi Pop“ in der Konzertrotunde – Fünf Jahreszeiten und eine Uraufführung

Nach stehenden Ovationen für die Collegia Musica Chiemgau e.V. unter der Leitung von Elke Burkert im Dom auf der Fraueninsel am Vortag führten auch in der Konzertrotunde alle vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi die vollauf begeisterte Zuhörerschaft durch das Konzert. Solist auf oder Violine war der Schwiegersohn der Dirigentin, Richard Milone aus Großbritannien, dessen außergewöhnliche Interpretation Vivaldis Komposition auf eine völlig neue Weise erleben ließ. Er war nicht nur – wie angekündigt – in Hochform, er war in Höchstform. Am Pult stehend, dirigierte er gleichzeitig das Orchester durch sein Spiel. Meistens war er dem Publikum zugewandt – jedoch nicht vollends, denn vor allem musizierte er im intensiven Dialog mit der Solocellistin Johanna Eras  oder mit der Konzertmeisterin Julia Burkert, seiner Ehefrau, sowie mit dem Cembalo (Andrea Wittmann). Alle Register des Streichorchesters riss er mit und lud sie quasi zum gemeinsamen Tutti-Musikfest ein, indem er ihnen immer wieder zuspielte und den Einsatz gab. Die Orchesterleiterin Elke Burkert las vor diesen Programmteilen die „erklärenden Sonette“ des Komponisten zu den Concerti vor mit den Titeln „Der Frühling“, „Der Sommer“, „Der Herbst“ und „Der Winter“. Dies und die schauspielerische Umsetzung durch den Violinsolisten ermöglichten ein völlig neues Hören dieser barocken Programmmusik. Mitreißend zeigte Milone ein barockes Natur-Theater für die Ohren. Ob das Säuseln des Windes, Gewitter, Regenprasseln oder Schlittschuhlaufen auf einer rutschigen Eisfläche, Milone übersetzte die inhaltlichen Vorgaben nicht nur in eine traumhaft schöne Musik, sondern zeigte anschaulich mit Mimik und Körpereinsatz oder Aufstampfen, worum es musikalisch ging. Vivaldis Melodien, die ja allseits bekannt sind, wurden hier der gewohnten Routine entrissen und entstanden im Augenblick auf der Bühne völlig neu – wie in einer Geschichte, in der die erstaunten Menschen mit der auch visuell dargestellten Sprache der Musik durch den Jahreslauf getragen werden. Und wie bei einem Popkonzert entfesselte der Solist die Emotionen des Publikums, die ihre Begeisterung lauthals sprechen ließen. Kein Wunder, dass auch das britische Königshaus Gefallen am Geigenspiel Milones hat.

Das Allegro in C-Dur von Gaetano Donizetti (1797-1848) und das Andantino für Streicher von Georges Bizet (1838-1875) ließen den Blick und das Ohr des Publikums schon ein wenig in die Romantik schweifen. In die fünfte Jahreszeit umbenannt wurde kreativ der erste Satz aus „Palladio“ von Karl Jenkins (*1944). Denn „The Fifth Season“ ist eigentlich die Bezeichnung des ersten Satzes des zweiten Streichquartetts von Karl Jenkins und diente hier als titelgebender Aufhänger – mitreißend musiziert, wie alle anderen Werke, von der Collegia Musica mit Elke Burkert am Pult.

Eine weitere Besonderheit war die Welturaufführung des Konzerts für Alphorn und Streicher von Wolfgang Kram (*1966), interpretiert von Wolfgang Diem, der sich längst weit über Grassau hinaus einen Namen gemacht hat. Besonders ist dieses Konzert auch deswegen, weil es sonst keine Kammermusik für Alphorn gibt, wie Diem im Gespräch mit der Heimatzeitung erläuterte. Mit einem Brief an die Dirigentin und alle Konzertbesucher wünschte der Komponist viel Freude an seiner Komposition und wies darauf hin, dass er alle auf dem Alphorn spielbaren Töne verwendet habe, „auch die hohen und nicht ganz sauberen Töne“. Unglaublich, wie Wolfgang Diem aus dem scheinbar unhandlichen Instrument tänzerische Musik hervorzauberte. In den drei Sätzen sorgten etliche Tempowechsel für Spannung. Ein Thema mit Variationen im zweiten Satz ging über in das Rondo des dritten Satzes mit Fugati-Passagen, die teils im Cello begannen und im Alphorn ihre Vollendung fanden. Stilistische Assoziationen wurden heraufbeschworen. Höchst beeindruckend.

Einen andächtigen Abschluss bot als Zugabe die „Air“ von Johann Sebastian Bach und hinterließ ein ehrfürchtig-hingerissenes Publikum.

Das nächste Konzert der Collegia Musica Chiemgau e.V. findet statt am 5. Oktober um 17 Uhr im Königlichen Kurhaus unter dem Titel „Vivat Bavaria“.

Der Komponist Wolfgang Kram:
Wolfgang Kram ist Arzt und Komponist und als solcher Mitglied im österreichischen Ärztekunstverein. Stilistisch fühlt er sich zur klassischen Musik hingezogen. Zu seinen Werken zählen Lieder, Sonaten, Orgel- und kirchenmusikalische Werke, eine Kantate, eine Messe, ein Oratorium, eine Sinfonie, sowie eine Oper und nun auch ein Alphornkonzert, das er der Dirigentin Elke Burkert und der Collegia Musik Chiemgau widmete.

 

Fotos & Text: Brigitte Janoschka

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Christina Rechl

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