Kultur

Klassentheater der Waldorfschule Chiemgau

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Die gesellschaftskritische Fabel „Animal Farm“, 1945 von George Orwell geschrieben, behandelt ursprünglich das Scheitern und die Folgen der stalinistischen Diktatur in Russland zu Zeiten der Sowjetunion, versinnbildlicht durch die Darstellung mit Tieren. Die Klasse 12b der Freien Waldorfschule Chiemgau wollte in ihrer Aufführung jedoch das Thema ausweiten und sich auf die Entstehung und Ausweitung einer Diktatur am Beispiel eines kommunistischen Regimes im Generellen beziehen. „Gerade in einer Zeit, in der Themen wie Macht, Diktatur und Freiheit eine Rolle einnehmen, die relevanter nicht sein könnte, hoffen wir, mit unserer Darbietung des Theaters dem ein oder anderen die Augen zu öffnen. Wir wollen dafür sorgen, dass ein solches Thema nicht in dem Strudel der globalen ‚Nachrichtenmassen‘ untergeht“, so die Klassengemeinschaft in ihrem Programmheft.

Die „Herren Farm“ wird von Mrs. Jones mehr schlecht als recht geführt, oft ist sie betrunken und vergisst darüber auch das Füttern der Tiere. Aus dieser Unterdrückung entspringt ein revolutionärer Funke, der sich soweit entfacht, dass die Tiere Mrs. Jones vom Hof verjagen. Die Tiere übernehmen den Hof, ab nun soll alles, was am Hof produziert wird, ihnen selbst zugute kommen. Das Ziel ist die Errichtung eines kommunistischen Regimes mit Regeln, die alle Tiere gleich setzen und eine klare Abgrenzung zu den Menschen sicherstellen sollen, der Hof wird zur „Farm der Tiere“. Von ihr aus soll sich die Botschaft des Glücks und der Einheit auf alle Höfe ausbreiten. Die ausgewachsenen Schweine des Hofes – Schneeball, Napoleon und Quieker – nehmen eine führende Rolle ein, denn sie eignen sich im Laufe der Zeit Lesen und Schreiben an. Der Idealist Schneeball möchte alle Tiere in Diskussionen und Entscheidungen einbeziehen. Doch es stellt sich heraus, dass eines der Schweine, Napoleon, eine autoritäre Machtposition anstrebt und dies mit seinem Sprachrohr Quieker konsequent und mit zunehmender Brutalität verfolgt. Ein hitziger Konflikt zwischen Schneeball und Napoleon um den Bau einer Windmühle endet in der Vertreibung Schneeballs.

Von nun an geht es den Tieren schlechter, wenn auch die Loyalität einzelner ungebrochen ist. „Dann arbeite ich noch härter“, so der Leitspruch des Arbeitspferdes Boxer. Doch auch die ursprünglich festgelegten Regeln scheinen sich aufzuweichen und eine zunehmende Rangordnung mit den Schweinen als unangefochtene Anführer wird offensichtlich. Die Tiere des Hofes werden ausgebeutet, es wird Handel mit den Menschen betrieben und die Grausamkeit zeigt sich in Schauprozessen und Tötungen von Abweichlern. Eine bedrückende Stimmung, die von der Klasse 12b in ihrem Theaterspiel mit zunehmender Dramaturgie aufgebaut wird. Ausdrucksstarke Szenen werden von der Klassengemeinschaft auf die Bühne gebracht und führen zum Ende, das sehr zum Nachdenken anregt: Die autoritären Schweine unterscheiden sich nicht mehr von den Menschen.

Für das Theaterstück wurde von den Zwölftklasslern nicht nur das Bühnenbild in komplettem Eigenbau verwirklicht, die Arbeitsgruppe „Kostüm & Maske“ gestaltete darüberhinaus die aufwendigen Tierkostüme.

Bericht und Foto: Waldorfschule Chiemgau / Posavec  – Mit Abweichlern wird kurzer Prozess gemacht: Ehrlichkeit führt nicht zur Gnade sondern zur Vernichtung.


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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