Die Weihnachtsbotschaft kündet laut Kardinal Reinhard Marx von einer „radikalen Verbindung von Himmel und Erde“. Gott „ist zu Hause mitten in unserer Welt, gerade jetzt in der Corona-Zeit“, sagt der Erzbischof von München und Freising laut Manuskript in seiner Weihnachtspredigt an Heiligabend, Donnerstag, 24. Dezember, im Münchner Liebfrauendom: „Er ist da: auf den Intensivstationen und in den Pflegeheimen, er ist zu Hause bei den Obdachlosen, bei denen auf der Flucht und bei den Kindern auf der Insel Lesbos“. Genauso sei Gott auch gegenwärtig „bei uns zu Hause, wenn in diesem Jahr in einem kleineren Kreis Weihnachten gefeiert wird, wenn Familien um einen Tisch herumsitzen. Er ist da, wo gerade in diesem Jahr viele Menschen einsam und allein sind, und vielleicht nur für sich selbst leise ein ,Stille Nacht‘ singen. Er ist bei uns, bei mir zu Hause, bis in die Stunde des Todes hinein.“
Marx erinnert an die tiefe Sehnsucht danach, „einen Ort zu haben, wo wir zu Hause sind, wo wir Geborgenheit empfinden und Unterstützung. Wo unser Leben durch Höhen und Tiefen hindurch gehalten ist.“ Eine Heimat zu haben, sei „ein zutiefst berechtigtes menschliches Bedürfnis“. Dabei geht es nach Ansicht des Kardinals nicht nur um Äußerlichkeiten, sondern insbesondere „um ein Miteinander von Menschen, um Verständnis und Liebe füreinander, um gegenseitige Hilfe, wenn sie gebraucht wird“. Gerade das Weihnachtsfest habe viel mit der Suche nach Heimat zu tun, weshalb in den vergangenen Wochen auch intensiv diskutiert worden sei, wie angesichts der Pandemie Weihnachten gefeiert werden könnte, sagt Kardinal Marx. „Im Kreis der Familie über die Generationen hinweg zusammenzukommen, miteinander zu feiern und zu singen, das gehört zu den Identität stiftenden Erfahrungen des menschlichen Lebens und ist ein starker Impuls, das Leben anzunehmen und es auch durch alle Widrigkeiten hindurch zu gestalten. Es gibt eben keine stärkere Kraft als die Liebe und die Erfahrung, dass wir geliebt sind, dass jede und jeder einzelne geliebt ist.“ Vor diesem Hintergrund stellt Marx die Frage, wo Gott zu Hause ist: „Wo ist seine Heimat? Im Himmel? Jenseits der Wolken? Irgendwo weit weg? Das Weihnachtsfest gibt uns eine andere Antwort.“ Gott sei eben „kein Fremder. Seine Sehnsucht ist, mitten unter den Menschen berührbar zu werden, da zu sein.“ Der Kardinal betont, er kenne in der Religionsgeschichte keine vergleichbar radikale Botschaft: „Es ist eine einmalige und faszinierende Wahrheit: Gott selbst ist der Bruder aller Menschen, in diesem Menschen Jesus.“
Auch wenn es schmerzhaft sei, dass in diesem Jahr „nur begrenzt und im Rahmen der vorgegebenen Bedingungen die Weihnachtsgottesdienste“ gefeiert werden könnten, so sei es doch „gut, dass wir verbunden sind, und ich bin auch dankbar für die technischen Möglichkeiten, sodass die, die Gottesdienst feiern in den Kirchen, und die, die in den Familien, in den Pflegeheimen oder allein zu Hause sind, zusammen feiern können“, sagt der Erzbischof: „Denn Gott verschanzt sich nicht hinter Kirchenmauern. Er will ja zu Hause sein, daheim sein, mitten unter den Menschen. Da, wo das Leben der Menschen stattfindet, da ist er gegenwärtig und da ist er anzutreffen. Das ist die umwerfende, faszinierende Botschaft von Weihnachten.“ (ck)
Bericht: Erzbischöfliches Ordinariat
Foto: Egon Lippert