Nicht viel Neues beim Wildenwarter Rauchclubs „Gemütlichkeit“. Bei der Jahreshauptversammlung in der Wildenwarter Schlosswirtschaft berichteten der Vorsitzende Hans-Peter Priller und der Bezirksvorsitzende Klaus Dingler über die Schwierigkeiten, die heutzutage auftreten können, bis das Sterbegeld von 400 Euro seinen Besitzer findet. In der Gründerzeit vor über 100 Jahren habe man sich gegenseitig gekannt und weite Umzüge seien absolut ungewöhnlich gewesen. Heute ist das anders: Vielfach sei den Angehörigen nicht mehr bekannt, dass der Verstorbene Mitglied im Wildenwarter Rauchclub ist und damit ein Anspruch auf die Auszahlung des Sterbegeldes besteht. Dieser Anspruch besteht sofort nach dem Eintritt in den Verein und ist an keine Mindestmitgliedszeiten gebunden.
„Der Rauchclub Wildenwart ist heuer 103 Jahre alt und hat sich im Laufe seiner langen Geschichte bewährt, würde es ihn nicht geben, dann müsste man ihn erfinden“, so Priller in seinem Jahresbericht. „Da die staatlichen Leistungen beim Sterbegeld gestrichen wurden, muss jeder Einzelne Alternativen dazu suchen; der seit über 100 Jahren über mehrere Generationen in unserer Region bewährte Rauchclub ist eine davon. Der Rauchclub stellt beim Ableben eines Mitgliedes noch am gleichen Tag sofort und unbürokratisch 400 Euro Sterbegeld für die Hinterbliebenen zur Verfügung“.
Jeder Einwohner der alten Gemeinde Wildenwart kann auch heute noch bis zur Vollendung des 40.Lebensjahres Mitglied im Rauchclub werden, ohne dass er dazu rauchen müsste. Derzeit umfasst der Wildenwarter Verein 118 Mitglieder, drei Mitglieder sind im Berichtsjahr verstorben, Lukas Daxenberger trat neu in den Verein ein. Der Mitgliederstand ist trotz mehrerer Todesfälle seit Jahren weitgehend gleich geblieben. Der Vorsitzende Hans Peter Priller wird auch in den kommenden Jahren bei Beerdigungen die Fahne des Vereins tragen. Als Kassenprüfer wurden Florian Stoib und Mathias Stoib für ein weiteres Jahr in ihrem Amt bestätigt.
Kassier Andreas Stoib zeigte in seinem Bericht, dass der Verein seinem Vereinszweck nachkommen kann. Die jährlich Überprüfung der Rechnungsunterlagen durch die Regierung von Oberbayern brachte – wie in den vergangenen 103 Jahren – keine Beanstandungen, die Vorstandschaft arbeitete fehlerfrei und ohne jegliche finanzielle Entschädigung ehrenamtlich. Die beiden Kassenprüfer Florian Stoib und Matthias Stoib bescheinigten Kassier Andreas Stoib eine ausgezeichnete Arbeit und Kassenführung.
Bezirksvorstand Klaus Dingler bedankte sich bei Vorstand Hans-Peter Priller für seine Arbeit und lud zur Bezirksversammlung am Sonntag, 14. April um 11 Uhr nach Rimsting ein.
Die Begriffe „Rauchen“ und „Gemütlichkeit“ gehörten in der Zeit vor Volksbegehren und Volksentscheiden einst zusammen. Doch war das Rauchen zu keiner Zeit der alleinige Vereinszweck der Rauchclubs in unserer Region, das Ziel war ganz anders: die Vereinsmitglieder sollten ein ordentliches Begräbnis erhalten. Sterbekassen waren zur damaligen Zeit auf dem Lande für Bauern- und Holzknechte noch nicht bekannt. So fanden sich in Wildenwart, Prien und Rimsting ein paar Männer zusammen, um die verbliebenen Angehörigen im Todesfall rasch mit ein paar Mark unterstützen zu können. Auch der gesellige Teil sollte dabei nicht zu kurz kommen und so stand in den Statuten des Vereines, „der Verein habe die Pflege des anständigen Vergnügens und der geselligen Unterhaltung zu pflegen“. In einigen Nachbarorten, entwickelten sich aus den Krankenunterstützungsvereinen und Rauchclubs der Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts die heutigen Trachtenvereine.
Bericht und Foto: Heinrich Rehberg