Wirtschaft

Interview zum Thema Betriebsratswahlen

Alle vier Jahre gibt es in Deutschland Betriebsratswahlen. Heuer ist es wieder so weit. Noch bis zum 31. Mai wählen in zehntausenden Betrieben Beschäftigte ihre Vertreter in den Betriebsrat. Seit 102 Jahren vertritt dieser die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber und soll so für Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb sorgen. Fakt ist aber, nur noch gut 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland werden durch einen Betriebsrat vertreten. Vor 15 Jahren waren es noch fast die Hälfte. DGB-Regionsgeschäftsführer Günter Zellner erklärt im Gespräch mit Innpuls.me, warum das so ist. Außerdem erzählt er, was die Betriebsratsarbeit in den vergangenen Jahren bewirkt hat und wie der aktuelle Stand zu den Betriebsratswahlen 2022 aussieht.

FrageHerr Zellner, wieso geht die Zahl der Betriebsräte in Deutschland so stark zurück, vor allem in kleinen und mittleren Betrieben?
Antwort: Unsere Arbeitswelt ändert sich rasant. Betriebe spalten sich auf und viele Kleinstunternehmen entstehen neu. Bei Betriebsgründungen steht die Wahl eines Betriebsrates nicht an erster Stelle. Dadurch sinkt der Anteil an Firmen mit Betriebsrat. Trotzdem bleibt die Aufgabe, wieder mehr Betriebsräte zu installieren.

Frage: Wie viel Macht hat der Betriebsrat wirklich?
Antwort:
 Wie weit der Betriebsrat in Unternehmen mitbestimmen kann, ist gesetzlich im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Dabei ist die Liste der mitbestimmungspflichtigen Themen, bei denen der Betriebsrat mitredet oder sogar ein Initiativrecht hat, lang. Zum Beispiel bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, den Pausenzeiten, vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, allgemeinen Urlaubsgrundsätzen und Urlaubsplänen, der Einführung von Systemen zur Verhaltens- und Leistungsüberwachung der Arbeitnehmer*innen, dem Arbeitsschutz, dem Gesundheitsschutz und der Unfallprävention. Auch bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und der Entlohnungsgrundsätze sowie leistungsbezogene Entgelte und Entlohnungsmethoden (Einführung von Prämien, Akkordlohn, Zeitlohn) bestimmt der Betriebsrat mit. Sogar über Fragen wie Raucherpausen oder das Kantinen-Essen hat der Betriebsrat mitzuentscheiden. Und noch etwas ist wichtig. Ohne Betriebsrat gibt es in Unternehmen, die Personal abbauen müssen, keinen Sozialplan.

Frage: Wie erfolgreich war die Betriebsratsarbeit in den vergangenen vier Jahren?
Antwort:
 Betriebe mit Betriebsrat zahlen im Schnitt besser, bieten sicherere Arbeitsplätze und machen es Beschäftigten einfacher, Leben und Arbeiten zu vereinbaren. Nach einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung bejahen 73 Prozent der Beschäftigten aus Betrieben mit Betriebsrat, dass es Regelungen zu Homeoffice gibt. Bei Betrieben ohne Betriebsrat sind es nur 43 Prozent. Auch bei Kurzarbeit waren Betriebsräte erfolgreich. Zum Beispiel erhalten 66,5 Prozent der Beschäftigten mit Betriebsrat ein aufgestocktes Kurzarbeitergeld. In Betrieben ohne Betriebsrat waren das nur 25,6 Prozent.

Frage: Was waren typische Themen, mit denen sich die Betriebsräte in den vergangenen Jahren auseinandersetzen mussten?
Antwort:
 Aktuell sind es die Regelungen rund um die Corona-Pandemie. Arbeits- und Gesundheitsschutz ist für alle Beschäftigten wichtig. Weitere wichtige Themen waren und sind immer noch die Herausforderungen, die sich aus zunehmender Digitalisierung und klimaneutralem Wirtschaften ergeben. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie betriebliche Regelungen zur Altersvorsorge spielen eine wichtige Rolle.

Frage: Wie hat sich die Corona-Krise auf die Arbeit der Betriebsräte ausgewirkt?
Antwort: 
Erheblich. Dadurch sind neue Thematiken bei Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Betrieben entstanden. Regelungen mussten getroffen werden die den gemeinsamen, aber auch individuellen Schutzbedürfnissen der Beschäftigten Rechnung trugen. Und auch die konkrete Arbeit der Betriebsräte wurde schwieriger. Wie erreicht man zum Beispiel die Beschäftigten im Homeoffice und wie führt man virtuelle Betriebsversammlungen durch?

Frage: Man hört auch immer wieder, dass sich immer weniger Kandidaten für dieses Amt finden?
Antwort:
 Das kann ich so nicht bestätigen. Wo Betriebsräte bestehen ist meist auch die Nachfolge gesichert. Es hängt immer davon ab, aktiv auf Beschäftigte zuzugehen und für die wichtige Aufgabe der Betriebsräte zu werben.

Frage: Was ist Ihr Rat an die Betriebsräte, die heuer neu gewählt werden?
Antwort:
 Lasst euch von einer DGB Gewerkschaft bei eurer Wahlhandlung unterstützen. Bei uns gibt es Profis, die die gesetzlichen Regelungen zur Betriebsratswahl genau kennen und immer mit Rat und Tat zur Seite stehen. Nach der Wahl ist es wichtig, sich für das neue Amt schulen zu lassen. Das dürfen gewählte Betriebsräte wären der Arbeitszeit tun. Wir DGB Gewerkschaften bieten dazu ein umfangreiches Bildungsprogramm an.

Frage: Mit welchen Herausforderungen, denken Sie, werden es die Betriebsräte in den kommenden vier Jahren zu tun haben?
Antwort:
 Überwindung der Corona-Pandemie, wirtschaftlichen Verwerfungen in Folge des Krieges in der Ukraine, die weiter zunehmende Digitalisierung und die Veränderungen im Rahmen des Umbaus zu einer klimaneutralen Gesellschaft.

Interview: Innpuls.me

Bildrechte: dgb/attenhause


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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