Kultur

Interview mit der Sawallisch-Stiftung

Veröffentlicht von Christina Rechl

„Ich liebe Herausforderungen und etwas gestalten zu können“ –  Gespräch mit dem Leiter der Sawallisch Stiftung und der Sawallisch-Musikakademie Andreas Hérm Baumgartner

Frage: Herr Baumgartner, seit 1. März diesen Jahres, also rund ein halbes Jahr, sind Sie jetzt verantwortlich für die Geschicke der Sawallisch Stiftung. Zuvor teilten sich diese Aufgabe die beiden ehrenamtlichen Vorstände Paul Bischof für den künstlerischen Bereich und Robert Höpfner, der vor allem für Finanzen und verwaltungstechnische Fragen zuständig war. Für Sie dürfte das jetzt ein wirklicher Full-time-Job sein. Gefällt es Ihnen bis jetzt?

B: Zunächst möchte ich sagen, dass das Sawallisch-Anwesen in mehrerlei Hinsicht ideale Bedingungen für die Förderung junger Musikerinnen und Musiker bietet: es ist ein Traum! Zum einen die Infrastruktur mit zwei Konzertsälen, einem Gästehaus für die ortsnahe Unterbringung der Kursteilnehmer und Dozenten (21 Betten) sowie die Lage – zwischen den beiden Musikmetropolen München und Salzburg. Zum anderen haben wir hier durch ein wunderbares Team am Mitarbeitenden eine unglaublich familiäre Atmosphäre. Die Vielfalt der Aufgaben, die vorhandenen Potenziale sowie das gemeinsame Wirken im Team machen mir riesige Freude, fordern aber natürlich auch heraus. Aber das ist ja auch das Spannende. Ich liebe Herausforderungen und ich liebe es, etwas gestalten zu dürfen. Deshalb ist es für mich unabdingbar, viel vor Ort zu sein. Meine ehrenamtliche Vorstandskollegin Annette Zühlke unterstützt mich natürlich ebenfalls nach Kräften.

Frage: Sie wurden als jüngstes von zwei Geschwistern 1974 in Wasserburg am Inn geboren, wuchsen dort auf und haben 1994 das Abitur am Ignaz-Günther-Gymnasium in Rosenheim absolviert. Wie sind Sie zur Musik gekommen?

B: Bei  uns zu Hause wurde viel musiziert und gesungen. Schon mit sechs Jahren wollte ich unbedingt Dirigent werden. Das ging natürlich nicht, sodass ich zunächst Trompete, dann bald darauf Klavier lernte. Schon in jungen Jahren hatte ich Trompetenunterricht bei Professor Paul Lachenmeir in München. Für die letzten zwei Schuljahre wechselte ich vom Gymnasium in Wasserburg an das Ignaz-Günther-Gymnasium, weil ich dort im Fach Musik Abitur machen konnte.

Frage: Dann haben Sie sicher Musik studiert!

B: Ja, Dirigieren am Mozarteum in Salzburg. Dann hatte ich schon bald das Glück, dass Anton Ruppert (1936 bis 2020), der Solo-Korrepetitor der Bayerischen Staatsoper in München, auf mich aufmerksam wurde und mich an Zubin Mehta empfahl. So durfte ich als junger Dirigent ihm und anderen fantastischen Dirigenten  wie Ivor Bolton zwei Jahre lang an der Bayerischen Staatsoper assistieren.

Frage: Zubin Mehta ist ein indischer Dirigent, 1936 in Bombay geboren, der erst Chefdirigent in Los Angeles, dann bei 1991 bei den New Yorker Philharmonikern war und von 1998 bis 2006 Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper. Davor hatte diesen Posten 20 Jahre lang Wolfgang Sawallisch inne. Wie haben Sie ihn als Musiker und Mensch kennen gelernt?

B. Wolfgang Sawallisch war eine unglaublich beeindruckende Künstlerpersönlichkeit. Wenn man ihn als Dirigent erleben durfte, war es einfach frappierend zu sehen, welche Präsenz er allein durch seine Augen ausstrahlte. Er dirigierte an sich sehr funktional, aber konnte mit minimaler Gestik, Unfassbares aus dem Orchester und der Musik herausholen. Das ist eine ganz große seltene Kunst. Es war für mich ein großes Geschenk, dass ich ihn bei mehreren Proben erleben und mit ihm sprechen konnte. Sawallisch genoss in der Musikwelt einen unsagbaren Respekt. Er wollte „sein“ jeweiliges Orchester oder Opernhaus wirklich prägen, etwas nachhaltig entwickeln. Sein Wirken war ein behutsames und stetes Fördern der guten Dinge in uns Musikern.

Frage: Ist es dieser Geist seines Musizierens, den Sie auch in der Sawallisch-Stiftung bewahren wollen?

B. Unbedingt. Dies spiegelt genau unseren Ansatz bei den Meisterkursen wider. Wir möchten deshalb verstärkt die Entwicklung junger Musiker/innen ganzheitlicher verstehen. Die familiäre Atmosphäre schafft dafür ein perfektes Umfeld. Neben den technischen Fähigkeiten am Instrument rücken wir noch mehr die künstlerische Persönlichkeit der Kursteilnehmer ins Zentrum, zum Beispiel durch die Arbeit mit Coaches. Hier geht es um Auftrittstraining und Ernährung, aber auch um das Erlernen von Entspannungs- und Konzentrationstechniken. Es gilt, die jungen Musiker/innen in jeder Weise zu stärken, damit sie die Herausforderungen einer langen Musikerlaufbahn auch bewältigen können.

Frage: Wie lange dauern die Meisterkurse üblicher Weise mit wie vielen Teilnehmern?

B. Das ist ganz unterschiedlich. Je nach Art des Kurses sind es zwischen acht und 16 Teilnehmende, die sich durchschnittlich drei bis fünf Tage bei uns aufhalten. Oft ist es erstaunlich, was schon innerhalb von drei Tagen erreicht werden kann. Wir bieten 30 bis 40 Meisterkurse im ganzen Jahr an, unterbrochen von einer kurzen Sommerpause.

Frage: Gibt es etwas, das in der kommenden Saison anders wird als es bisher war?

B: Kunst sollte sich per se immer wieder aufs Neue hinterfragen, sich befreien und neu definieren, um sich weiterentwickeln zu können. So möchten wir uns verstärkt als Ort der Offenheit und der Begegnung verstehen. Im kommenden Jahr werden wir nicht nur Meisterkurse mit Klassischer Musik anbieten,  sondern erstmals auch einen Meisterkurs Jazz und einen Meisterkurs Volksmusik veranstalten. Neue Instrumente wie Akkordeon oder Gitarre werden unser Angebot ebenso bereichern wie Workshops für Improvisation. Bewusst sollen hierbei auch „Laien“ angesprochen werden, denn es gibt neben Berufsmusikern natürlich auch eine Vielzahl begabter Laien, die unser Musikleben erst so breit und vielfältig machen. Wir intensivieren auch die Zusammenarbeit mit der Musikschule Grassau, mit der wir ja aufs Engste verknüpft sind. Neu werden neben einem Streichquartett-Zyklus auch unsere Rising-Star-Konzerte mit jungen „aufstrebenden Sternen“ sowie eine Reihe von Education-Projekte sein, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wolfgang Sawallisch fühlte sich tief in der Region des Chiemgaus verwurzelt und wirkte dennoch als Dirigent auf der ganzen Welt. Wir möchten dem Rechnung tragen und die Tore der Sawallisch-Stiftung und Musikakademie weit öffnen: ganz im Sinne unseres Stifters.

Das Interview führte Christiane Giesen
Auf dem Titelfoto: Andreas Hérm Baumgartner

Foto & Text: Christiane Giesen

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Christina Rechl

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