Leitartikel

Interview mit Bayerns Heimat-Minister Albert Füracker

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Ein Beitrag des Bayernbundes  – Eigentlich war angedacht, dass Staatsminister Albert Füracker die Festrede auf der Landesversammlung 2021 des Bayernbundes halten sollte. Durch die Terminüberschneidung mit dem ersten Parteitag der CSU mit Neuwahlen als Präsenzveranstaltung nach dem Corona-Lockdown musste jedoch umgeplant werden. An Stelle der Festrede konnten wir das folgende Interview mit Albert Füracker führen.

Frage:

Sehr geehrter Herr Minister, Sie sind als Staatsminister sowohl für Bayerns Finanzen als auch für den weiten Begriff Heimat zuständig. Unter Finanzen können sich unsere Leser natürlich etwas vorstellen. Aber Heimat? Was verstehen Sie darunter?

Heimat betrachtet jeder aus einem sehr persönlichen Blickwinkel. Für mich hat sie zwei Ebenen. Einerseits ist Heimat ein Ort, wie der Geburts- oder Wohnort; andererseits handelt es sich um ein Gefühl, das mit Wohlfühlen, Erleben und Verwurzelung verbunden ist. Für mich als Heimatminister ist es der große Schatz an gelebten Traditionen, vielfältigen Landschaften, reichen kulturellen Angeboten und der Zusammenhalt in der Gesellschaft, der unser Leben und unsere Identität in den verschiedenen Teilen Bayerns prägt und so besonders macht. Bayern ist ein Land, das seinen Bewohnern die besten Chancen für ein gutes und erfolgreiches Leben bietet. Diese Heimat Bayern für alle Menschen attraktiv zu erhalten und zu stärken ist eine breite Gestaltungsaufgabe, die „harte“ und „weiche“ Faktoren vereint. Hierzu gehört einerseits die Schaffung guter ökonomischer und technischer Rahmenbedingungen sowie guter Infrastruktur, anderseits aber auch die Förderung regionaler Kultur und bürgerschaftlichen Engagements.

Frage:

Ziel des Heimatministeriums sind gleichwertige Lebens- und Arbeitsverhältnisse in allen bayerischen Landesteilen. Ist das nicht eine Illusion angesichts der immer größeren Bedeutung der Metropolregionen mit ihrer Massierung von Arbeitsplätzen?

Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass die bayerische Heimatpolitik einen wichtigen Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land leistet. Der ländliche Raum ist in den vergangenen Jahren entscheidend vorangekommen. Er ist Heimat für immer mehr Menschen, aber auch ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Ob Digitalisierung, gesellschaftlicher Zusammenhalt, demografische Veränderung oder Klimawandel – der Freistaat geht Herausforderungen aktiv und konsequent an. Unsere Heimatpolitik setzt bei der Stärkung der Kommunen, der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements vor Ort und der Investition in Strukturen, Institutionen und Innovationen an. Hierbei haben wir kräftige Impulse gerade für den ländlichen Raum gesetzt. Mit den Behördenverlagerungen schaffen wir beispielsweise zukunftsträchtige, sichere und qualifizierte Arbeitsplätze in allen Regionen Bayerns.  Wir wollen, dass jeder Mensch möglichst in seiner Heimat leben und arbeiten kann.

Frage:

Der ländliche Raum fühlt sich gegenüber den Metropolen immer mehr abgehängt. In Zeiten von Corona, in denen dem Homeoffice immer mehr Bedeutung beigemessen wird, berichtet unser Redakteur aus eigener Erfahrung, dass die Telekom in den Wohngebieten Internetanschlüsse mit nur 6 Mbit/Sek. anbietet, während in München geworben wird, dass Glasfaseranschlüsse bis in die Wohnung verlegt werden. Und bei der Revitalisierung oder Ausbau von Bahnlinien, wie zum Beispiel der Fuchstalbahn oder der Werdenfelsbahn blocken Staatsregierung und Regierungsfraktionen im Landtag mit dünnen Argumenten ab.

Tatsächlich ist ein leistungsfähiger Internetanschluss heutzutage für die meisten Lebensbereiche unabdingbar. Wir haben in Bayern bereits 2014 ein eigenes Breitbandförderprogramm aufgelegt, um eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Seither unterstützt der Freistaat seine Kommunen mit über 1,5 Mrd. Euro sowohl in eigenen Förderprogrammen als auch bei der Nutzung des Bundesprogramms. Über 97 Prozent der bayerischen Haushalte verfügen inzwischen über Zugang zu Bandbreiten von mindestens 30 Mbit/s; wenn alle laufenden Projekte in Betrieb sind, werden es über 99 Prozent sein. In ländlichen Gemeinden liegt Bayern mit einer Versorgung von 93 Prozent der Haushalte klar vor den anderen Bundesländern. Übrigens hat der Freistaat von der Europäischen Kommission die EU-weit erste Genehmigung erhalten, um den Ausbau auch in bereits mit mind. 30 Mbit/s versorgten Gegenden fördern zu können. Bereits seit März 2020 ist die neue bayerische Gigabitrichtlinie in Kraft. Vor Ort lohnt es sich oft, Anbieter zu vergleichen und zum leistungsfähigsten zu wechseln. Unser neuer Breitbandwegweiser (www.breitbandwegweiser.de) gibt hierbei konkrete Hilfestellung für Bürger und Unternehmen. Der Anschluss des ländlichen Raums an den Bahnverkehr ist für die Bayerische Staatsregierung ein wichtiges Anliegen und wurde in den letzten Jahren deutlich vorangebracht, insbesondere durch den sukzessiven Ausbau des Bayerntakts im Schienenpersonennahverkehr. Als Finanzminister sehe ich aber auch, dass Nutzen und Wirtschaftlichkeit in einem für den Steuerzahler vertretbaren Verhältnis stehen muss. Hinsichtlich der fehlenden Infrastruktur ist vor allem der Bund gefordert, bundeseigene Bahnstrecken auszubauen.

Frage:

Der Bayernbund plant ein Projekt „Zukunft der Regionen“ als Nachfolgemaßnahme zu dem Projekt „Zukunft unserer Dörfer“. Die Themenpalette ist ungeheuer breit mit den Stichworten „Flächennutzung“, „Klimaschutz“ und „Mobilität“ bis hin zu „Tourismus“ und „Regionalvermarktung“. Hat der ländliche Raum durch Corona auch eine neue Zukunft und was unternimmt die Staatsregierung konkret, um ihn weiter zu entwickeln?

Durch die Corona-Pandemie hat sich das Arbeitsleben nachhaltig verändert. Mit Homeoffice und flexiblem Arbeiten können Arbeitswege verkürzt und Familie und Beruf leichter vereinbart werden. Hierdurch ergibt sich auch ein zusätzliches Potential für den ländlichen Raum. Für die Weiterentwicklung von Stadt und Land haben wir unsere erfolgreiche Heimatstrategie an aktuelle Herausforderungen angepasst und weiterentwickelt – unser Ziel ist es, noch näher an der Lebensrealität der Menschen zu sein und an richtiger Stelle zu unterstützen. Deshalb setzen wir mit der „Offensive.Heimat.Bayern 2025“ gezielte Schwerpunkte in den Lebensbereichen „Heimat.Kommunal“, „Heimat.Leben“, „Heimat.Arbeiten“, „Heimat.Digital“ und „Heimat.Tradition“. So helfen wir z. B. Kommunen mit unserem neuen Pilotprogramm „Demografiefeste Kommune“ bei den Herausforderungen des demografischen Wandels. Wir führen aber auch bewährte Maßnahmen weiter, wie etwa die Behördenverlagerungen und den Breitbandausbau. Die Lebensqualität im ländlichen Raum umfasst jedoch auch viele andere Bereiche und ist natürlich eine ressortübergreifende Aufgabe. So tragen die zuständigen Ministerien und Behörden mit einer Vielzahl starker Projekte wie z. B. der Bayerischen Naturoffensive und dem Qualitäts- und Herkunftssicherungsprogramm „Geprüfte Qualität Bayern“ zur stetigen Entwicklung des ländlichen Raums bei oder helfen, wie mit dem Programm „Tourismus in Bayern – fit für die Zukunft“ etc., aktuell aus der Corona-Krise heraus. Nicht zu vergessen sind jedoch auch die Kommunen vor Ort sowie das Ehrenamt, bei dem jeder Bürger einen wertvollen Beitrag leisten kann.

Frage:

Neben dem Heimatministerium sind Sie auch für die Finanzen in Bayern zuständig und verantwortlich. In der Corona-Pandemie konnte man den Eindruck gewinnen, dass der Staat über unendliche Finanzmittel verfügt. Haben Sie schon einen Überblick, was uns die Pandemie in Bayern kostet und wie sich die Staatsverschuldung entwickeln wird?

Die Corona-Pandemie bedeutet eine enorme Belastung für alle öffentlichen Haushalte. Bei außergewöhnlichen Notsituationen, die die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, lässt die verfassungsrechtliche Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse ausdrücklich die Aufnahme neuer Schulden zu. Zur Bewältigung der Corona-Krise hat der Bayerische Landtag für den Staatshaushalt 2020 und 2021 einen Gesamtkreditrahmen von bis zu 20 Milliarden Euro bewilligt. Welche Auswirkungen die Corona-Krise letztlich auf die Entwicklung der Staatsverschuldung hat, hängt von ihrer weiteren Dauer ab. Mein Ziel als bayerischer Finanzminister ist es jedenfalls nicht, diese Kreditermächtigungen vollständig auszuschöpfen. Solides Haushalten ist und bleibt ein Kernanliegen der Bayerischen Staatsregierung.

Frage:

Viele unserer Leserinnen und Leser machen sich Sorgen darüber, ob die Schulden des Staates überhaupt zurückgezahlt werden können, zumal sich die politischen Stimmen mehren, die eine Abschaffung der Schuldenbremse fordern. Wie stehen Sie dazu?

Würden wir die Aufnahme neuer Schulden nicht begrenzen, würde der Schuldenberg, den wir kommenden Generationen hinterlassen, immer weiter wachsen. Die Corona-Krise hat auch gezeigt, dass die Schuldenbremse ausreichend flexibel ist und der Staat wirksam auf außergewöhnliche Notsituationen reagieren kann.

Frage:

In der letzten Ausgabe unserer Weiß-Blauen Rundschau haben wir über die Bedeutung und Leistungen der kleineren Krankenhäuser in Bayern in der Bekämpfung der Pandemie berichtet. Leitet sich aus Ihrer Sicht aus der Corona-Pandemie eine Umkehr des Weges hin zu immer weniger und immer größeren Kliniken ab? Stichwort Krankenhausförderung.

Die bayerische Krankenhauslandschaft verfügt über ein gut austariertes Netz leistungsfähiger Krankenhäuser der unterschiedlichen Versorgungsstufen, die sich effizient ergänzen. Die Staatsregierung hat bei kurzfristigen Herausforderungen und längerfristigen Planungen immer eine wohnortnahe und bedarfsgerechte Versorgung der Menschen in allen Landesteilen im Blick. Dieser Kurs hat sich in der Corona-Pandemie bestätigt: Wir dürfen bei den Versorgungsstrukturen nicht nur vom Regelbetrieb ausgehen, sondern müssen im Bereich der Gesundheitsversorgung auch Spitzenbelastungen bei außergewöhnlichen Ereignissen mitberücksichtigen und stellen dafür auch beträchtliche Mittel zur Verfügung. Der Freistaat sieht für die Förderung der Krankenhausinvestitionen jährlich Mittel von rd. 643 Millionen Euro vor; damit liegen wir pro Einwohner betrachtet unter den Flächenländern auf einer Spitzenposition. (Fragen gestellt von WBR-Redakteur Fritz Lutzenberger)

Interview und Fotos: Bayernbund – www.bayernbund.de – Die begleitenden Bilder stammen von der neuen Heimat. Gefühl-Bayernkarte, herausgegeben vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat (www.stmfh.bayern).

Alle Bilder:

B010a: Bayerischer Staatsminister der Finanzen und für Heimat Albert Füracker MdL

B010b: Bayernbund Landesvorsitzender Sebastian Friesinger im Gespräch mit Finanzminister Albert Füracker

B010c: St. Coloman mit Morgenstimmung

B010d: Alter Kanal in Nürnberg

B010e: Stadtbrille in der Amberger Altstadt

B010f: Altstadtviertel Deggendorf

B010g: Kloster Bernried am Starnberger See

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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