Es ging vom 19. bis 22. September um die Dynamik von Waldökosystemen.
Vom 19. bis 22. September 2022 versammelten sich führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Ökosystemforschung sowie Nachwuchsforscher zu einem internationalen Symposium in Berchtesgaden. Unter dem Titel „Forest Disturbances and Ecosystem Dynamics in a Changing World“ (Waldstörungen und Ökosystemdynamik im Wandel) präsentierten und diskutierten 100 Expertinnen und Experten aus 18 Ländern und von vier Kontinenten aktuelle Forschungsergebnisse. Organisiert wurde die Tagung von der Technischen Universität München (TUM) in Kooperation mit der Nationalparkverwaltung Berchtesgaden.
Das Symposium, mit dem der Nationalpark Berchtesgaden zum internationalen Lernort wurde, ist ein Höhepunkt der intensiven Zusammenarbeit mit der TUM, die vor drei Jahren begonnen hat. Ich freue mich über diesen Austausch von hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, der sicher ein verbessertes globales Verständnis für die Dynamik von Ökosystemen im Klimawandel bringen wird“, fasst Nationalparkleiter Dr. Roland Baier die erfolgreiche Tagung zusammen.
100 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt trafen sich im Nationalpark Berchtesgaden im Rahmen eines internationalen Symposiums zum Thema: „Waldstörungen und Ökosystemdynamik im Wandel“.
Inhaltlich war das Symposium in vier zentrale Themenblöcke unterteilt: Der Block „Störungsdynamik“ befasste sich mit der Fragestellung, wie sich Störungen im Wald – darunter Insektenkalamitäten, Windwurf, Schneebruch, Lawinen und Waldbrände – im globalen Wandel verändern. Im Block „Biodiversität und Ökosystemleistungen“ präsentieren und diskutierten die Teilnehmenden Auswirkungen von Störungen auf die Artenvielfalt im Wald sowie die Folgen von Störungen auf für die Gesellschaft wichtige Ökosystemleistungen, darunter Kohlenstoffspeicherung und der Schutz vor Naturgefahren. Mit der Thematik „Störungen und Management“ beschäftigte sich der dritte Veranstaltungsteil. Hier diskutierten die Forschenden, ob und wie Störungen und deren negative Effekte mit unterschiedlichen Managementkonzepten abgepuffert werden können und wie Bewirtschafter von Wäldern von der Dynamik in Naturwäldern lernen können. Block vier thematisierte Methoden, wie Störungen besser gemessen werden können, wie diese Messungen global vergleichbarer gemacht werden können und welche Methoden es braucht, um künftige Entwicklungen besser abschätzen zu können.
Nationalpark-Forschungsleiter Prof. Rupert Seidl stellt klar: „Die Herausforderungen hinsichtlich der Veränderung von Störungen sind global sehr ähnlich. Dennoch ist das Erkennen von Kipppunkten noch schwierig und bedarf einer Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten. Störungen wie Windwurf und Borkenkäferbefall erhöhen aktuell die Strukturvielfalt im Nationalpark Berchtesgaden und beschleunigen die Entwicklung in Richtung naturnaher Waldstrukturen. Überschreiten die jährlich neu entstehenden Störungsflächen jedoch eine gewisse Größe, so könnten die Wälder in ihrer Struktur wieder homogener werden.“ Nationalparkleiter Dr. Baier ergänzt: „In unserer vertikalen Wildnis prägen Wandel und langfristige Zyklen das Naturgeschehen. Hier können wichtige Prozesse der Ökosystementwicklung ohne direkte Einwirkung des Menschen gerade unter den Bedingungen des globalen Klimawandels optimal analysiert werden“.
Störungen haben vielfältige Auswirkungen, es gibt Gewinner und Verlierer der Störungsdynamik im Wald. „Es profitieren natürlich vorrangig die Artengruppen, die auf Licht, Wärme und Totholz angewiesen sind“, erklärt Dr. Sebastian Seibold, Co-Forschungsleiter im Nationalpark Berchtesgaden. „Verlierer sind vor allem Arten, die auf die kühlende Wirkung des Waldes angewiesen sind, denn diese geht zumindest temporär verloren. Im unserem Nationalpark wirken sich Störungen fördernd auf die Vielfalt der Arten aus“, analysiert der Wissenschaftler. Auch für Entscheidungen zum künftigen Umgang mit Wirtschaftswäldern spielt eine Analyse von Störungen in Wäldern eine wichtige Rolle. „Hier gibt es leider keine Allgemeinempfehlungen“, so Seidl. „Vielmehr müssen Lösungen für jeden Standort individuell an die Bedingungen angepasst werden. In der Pflegezone des Nationalparks orientiert sich die Waldentwicklungsplanung an natürlichen Prozessen.“
In seiner Forschung kann der Nationalpark Berchtesgaden auf ein dichtes Netz an Klima- und Waldinventurdaten zurückgreifen und kombiniert diese in aktuellen Forschungsfragen mit Daten aus der Fernerkundung. So sind Auswirkungen von Störungen im Gebiet des Nationalparks gut dokumentiert und analysiert. „Die Kombination verschiedener Methoden wie Felddaten, Fernerkundung und Simulationen helfen, unser Wissen über Störungen deutlich zu verbessern und zuverlässigere Aussagen und Vorhersagen zu treffen“, fasst Prof. Seidl zusammen.
Der Nationalpark Berchtesgaden ist nicht nur regional, sondern auch international ein wichtiger Lernort, stellvertretend für temperate Bergwaldökosysteme. Die Nationalparkforschung ist daher in zahlreichen internationalen, wissenschaftlichen Kooperationen beteiligt. So sind zum Beispiel im Verbund mit lokalen Expertinnen und Experten vergleichende Untersuchungen im Grand Teton Nationalpark/USA, Berchtesgaden und im Shiretoko Nationalpark/Japan, geplant. Wissenschaftliche Tagung sind wichtige Vernetzungspunkte und Katalysatoren in der internationalen Zusammenarbeit.
Pressemitteilung Nationalparkverwaltung Berchtesgaden