Kultur

Inselkonzert auf Herrenchiemsee

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Um die „goldenen“ 1920er Jahre, die gar nicht so golden waren, drehte sich ein mitreißendes Konzert des Duo Runge & Ammon im ausverkauften Bibliothekssaal des Augustiner Chorherren-stiftes im alten Schloss auf der Herreninsel. Gemeint sind der Cellist Eckart Runge, der das weltbekannte Artemis Quartett mit gegründet hatte und sein Duopartner, der Pianist Jacques Ammon, der unter anderem Professor an der Leipziger Musik-hochschule ist.

Eckart Runge selbst führte durch das bunte Pro-gramm, von dem nur ein kleiner Teil im Programmheft zu fin-den war. Beide präsentierten ihr neues Programm „Opium“, das anhand ganz verschiedener Musikstücke rund um die Jahrhun-dertwende diese hoch kreative, dekadente und frivole Zeit der 1920er Jahre vorführte – eine Zeit des Aufbruchs und Aufruhrs, einerseits kurz „golden“ im Lichte der Hoffnung auf moderne Zeiten, andererseits vorausweisend auf die sich schon ankündi-genden Gräuel der beiden Weltkriege und anderer Katastrophen des 20. Jahrhunderts.

Das Konzert war der Auftakt der diesjährigen fünften Saison der Inselkonzerte auf Herrenchiemsee, gegründet von Nils Mönkemeyer und William Youn. Letzterer freute sich, die vie-len treuen Besucher begrüßen zu dürfen. Ambivalent wie die beschriebene Zeit, so waren die ausgewählten Stücke. Es be-gann fetzig mit dem berühmten „Ein Amerikaner in Paris“ von George Gershwin (1897 bis1938), arrangiert von Runge & Ammon. Ursprünglich als symphonisches Werk geschrieben, baute Gershwin auch Autohupen in sein Stück ein – bei der Ur-aufführung der New Yorker Philharmoniker waren sogar origi-nale Hupen zu hören. Eine Paraphrase aus Kurt Weills Musik zu Bert Brechts 1928 uraufgeführter „Dreigroschenoper“ und „Youkali“, einem Tango Habanera aus Weills Oper „Maria Ga-lante“ – laut Runge „die heimliche Hymne der französischen Resistance“. Weill war wegen seiner jüdischen Abstammung 1933 nach Frankreich und zwei Jahre später in die USA emi-griert. Den Moderator faszinierte es in dem Zusammenhang, dass er und Jacques Ammon zu diesem Konzert mit einem 1926 gebauten Schiff zur Herreninsel gebracht worden waren.

Schon nach den ersten Klängen im historischen Saal begeisterte die Zuhörer das virtuose, vollkommen aufeinander abgestimmte Spiel der beiden Musiker. Dazu kam der einzigartige Klang des Violoncellos von Eckart Runge, der ein seltenes Instrument aus dem Jahr 1595 aus der Werkstatt der Brüder Hieronymus und Antonio Amati aus Cremona spielt – eine Leihgabe des Merifo String Instrument Trust, Wien. Die unglaublich wei-chen, singenden Klänge korrespondierten ideal mit denen des Steinway-Flügels. Claude Debussys wunderschöne Sonate d-Moll für Violoncelle und Klavier ist eine Liebeserklärung an seine letzte Frau Emma, bei der das Hauptmotiv aus C D E D besteht, jeweils den Anfangsbuchstaben beider Namen. Die Moderation von Eckart Runge war zu jedem Stück prall gefüllt mit Informationen und unterhaltsamen Anekdoten, die natürlich nur bruchstückhaft wiedergegeben werden können.

Nach der Pause, in der man den Rosengarten im Innenhof des Augustiner Chorherrenstifts genießen konnte, ging das Pro-gramm mit dem Lied „Versuchung“ von Erich Wolfgang Korn-gold und „Capriccio“ des äußerst kreativen, auch zeichnerisch tätigen Paul Hindemith, danach besinnlich, düster Gustav Mah-lers Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“. Inspiriert vom sich verbreitenden Jazz der 1920er Jahre war dann der vom Duo Runge & Ammon für Cello und Klavier arrangierte „Blues“ aus der Sonate für Violine und Klavier Nr. 2, Piece en forme de Habanera, von Maurice Ravel. Die durchweg virtuo-sen, feinfühligen Interpretationen versetzten den Raum und mit ihm die Anwesenden in verträumte, beglückende Schwingun-gen in der – draußen wie innen – wunderschönen historischen Umgebung.
Nach lange anhaltendem Applaus spielten die Beiden als Zuga-be eine Burlesque des russisch/ukrainischen Komponisten und Pianisten Nikolai Kapustin Astor Piazolla (1937 bis 2020). Für alle, die von der Musik und der Landschaft der Konzerte auf der Herreninsel begeistert sind, wäre es eine gute Idee, dem 2005 in Prien gegründeten Förderverein „Freunde der Inselkon-zerte auf Herrenchiemsee e.V.“ beizutreten. Das nächste Insel-konzert ist ein Klaviernachmittag mit William Youn.

Bericht und Fotos: Christiane Giesen  – Jacques Ammon am Flügel und Eckart Runge am historischen Violoncello spielten In ihrem neuen Programm „opium“ einen faszinierenden Musikmix um die Zeit der 1920er Jahre im Bibliothekssaal des Augustiner Chorherrenstifts auf der Herreninsel.

 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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