Mit gut 200 Besuchern war die Jahresversammlung des Verbandes der Forstberechtigten im Chiemgau im Hotel Zur Post wieder sehr gut besucht. Der Verband zählt über Jahrzehnte gleich bleibend etwa 800 Mitglieder, davon rund 550 aus dem Landkreis Traunstein, 250 aus dem Berchtesgadener Land und einige aus anderen Landkreisen, weil die Rechte auf dem Hof liegen und deshalb vererbt werden. Da die Forstrechte seit Jahrhunderten, teils noch aus dem Mittelalter, bestehen und immer wieder gefährdet sind, gründete Leonhard Schmucker 1952 den Verband der Forstberechtigten im Chiemgau und siedelte die Geschäftsstelle im Landratsamt an, mit dem jeweils amtierenden Landrat als erstem Vorsitzenden.
„Die Zusammenarbeit mit euch macht das ganze Jahr über viel Spaß und „auf die Bauern ist allweil Verlass“ stellte Landrat Siegfried Walch bei der Eröffnung der Versammlung fest. Der Verband kämpfe für die besonderen Interessen der Landwirtschaft und vertrete die Belange der Wald- und Almbauern, damit sie auch in Zukunft bewahrt werden. Im Gedenken an den kürzlich verstorbenen Landtagspräsidenten hob der Landrat dessen unermüdlichen Einsatz für die Landwirte und die Anliegen der Forstberechtigten hervor. Alois Glück habe auch lange nach seiner aktiven Zeit, häufig die Versammlungen der Forstberechtigten besucht und so seine Solidarität demonstriert.
„Die Basis unseres Sozialstaates ist harte Arbeit“, sagte Walch und zwar die von den Bürgern, die hart arbeiten. Daher sei er als Landrat sehr stolz auf die Landwirte, die bei den Demonstrationen der letzten Wochen eine Führungsrolle übernommen hätten. Eigentlich seien es Demos des ganzen Mittelstands gewesen und zwar – anders als die Klimakleber – rücksichtsvolle, stets mit freien Rettungsgassen, ohne Leib und Leben anderer zu gefährden.
Immaterielles Kulturerbe
Die Almen sind ein wertvoller Teil unserer Kulturlandschaft, betonte der Landrat, so dass die Bedingungen für traditionelle und zeitgemäße Bewirtschaftung sowohl auf Berechtigungs- als auch Eigentumsalmen gesichert werden müssten. Um diese Wertschätzung der Wirtschaftsweise der Landwirte im öffentlichen Bewusstsein zu fördern, aber auch um die Identität und den Zusammenhalt der Region zu erhalten, müsse der kulturelle Nutzen dieser Wirtschaftsweise definiert, erhalten und geschützt werden. .
Auf Initiative von Landrat Siegi Walch und nach Absprache mit den Forstberechtigten sollen vom Verband nun die notwendigen Schritte eingeleitet werden, dass die Almwirtschaft in Oberbayern in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes (IKE) aufgenommen wird. Das bedeutet nicht, dass das materielle Eigentum oder der Besitz aufgeführt werden, sondern Wissen, Traditionen, Bräuche und Handwerkskünste, die von Generation zu Generation weitergegeben und neu gestaltet werden.
Ein Referat zum IKE als „Zukunftsperspektive für Tal und Berg“ hielten die Sachgebietsleiterin „Kultur und Brauchtum“ am Landratsamt Traunstein, Dr. Birgit Löffler, und der Germanist und Volkskundler Dr. Helmut Groschwitz vom Institut für Volkskunde der Bayerischen Akademie der Wissenschaft in München. Das immaterielle Kulturerbe begründe keinen Schutzstatur, keine rechtliche Verpflichtung und keinen Zwang zum Bewahren, aber die Vorteile seien, eine symbolische Auszeichnung, Imageaufwertung, Bewusstseinsbildung, Austauschplattform, Vorteile zum Beispiel bei Förderanträgen oder in Behördenprozessen. Dr. Groschwitz erklärte am Beispiel der Wässerwiesen in Franken oder der hochalpinen Alpwirtschaft im Allgäu, erfolgreiche Projekte, die bereits in das Verzeichnis des IKE aufgenommen wurden. Ein Großteil der weiteren Wortmeldungen bezog sich auf das IKE.
Hohes Lob zollten Landrat Siegfried Walch und mehrere Redner der Geschäftsführerin und stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes Maria Stöberl, die sich um alle Belange der Forstberechtigten stets engagiert kümmert. Das wurde auch in ihrem Jahresbericht deutlich, der schriftlich für alle Teilnehmer auslag. Ihr größter Dank sei es immer, wenn die jährliche Versammlung der Forstberechtigten so gut besucht sei. Eindringlich forderte sie die Anwesenden auf, bei Problemen mit Forst, Holz- und Weiderechten nicht abzuwarten, sondern sich gleich bei ihr telefonisch zu melden. Probleme könnten im Vorfeld oft rechtzeitig und gütlich gelöst werden. Die Abgabe von Rechtholz verjährt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nach drei Jahren. Danach können sie vom Verpflichteten, den Bayerischen Staatsforsten verweigert werden, wovon die Staatsforsten inzwischen verstärkt Gebrauch machen, erklärte die Geschäftsführerin. Wenn die Rechtsholzbezüge wegen eines größeren Bauvorhabens angespart werden sollten, sei das dringend vorher zu vereinbaren. Ebenfalls müsse ein Aufschub aus Krankheitsgründen dringend rechtzeitig vereinbart werden.
Geregelte Finanzlage
Der Kassenbericht von Ludwig Böddecker zeigte, dass der Verband finanziell gesichert dasteht und auch mögliche Rechtsstreitigkeiten durchstehen kann. Die Kasse geprüft hatten Johann Meier und Sepp Zeller so dass die Vorstandschaft einstimmig entlastet wurde. Einstimmig fiel wieder der Beschluss, die Mitgliedsbeiträge, die seit 2001 unverändert sind, nicht zu erhöhen. Ebenso ohne Gegenstimme wurde beschlossen, keinen eigenen Haushaltsplan aufzustellen. Damit ermächtigen die Mitglieder die Vorstandschaft, die Mittel den Verbandszwecken entsprechend zu verwenden.
Zu Anfang sprach auch Ruhpoldings Bürgermeister Justus Pfeifer, der in seinem Grußwort darauf feststellte, dass die Herausforderungen für Landwirte und Forstberechtigte immer größer würden. Vom Almwirtschaftlichen Verband Oberbayern dankte dessen stellvertretender Vorsitzender, Jakob Müller, für die gute Zusammenarbeit mit dem Verband und unterstützte das IKE – Anliegen des Landrats. Wenn der FFH-Management-Plan so umgesetzt werde, wie es geschrieben sei, müsse der Wolf geschossen werden. Wie auch Hans Steiner kritisierte Müller das Vorhaben der Regierung bei der Tierhalteverordnung zur Kombihaltung. Auch Kathi Brandner, Ramsau, sah keinen Schaden im IKE sondern nur Nutzen. Zum Beispiel könnte man bei der Diskussion mit Tierschützern um die Kuhglocken Vorteile erringen. Landrat Siegi Walch sagte, genau so etwas sei ein kultureller Wert, den es zu erhalten gelte. Hier könne die Kultur geradezu „eine neue Waffengattung“ sein.
Dr. Stefan Engelsberger empfahl dem Verband, sich auf die Lobbyarbeit anderer, wie der des Bayerischen Jagdverbandes einzustellen. Dieser habe so wie er selbst, ein Normenkontrollverfahren gegen die Wolfsverordnung eingereicht, denn die habe „gewaltige Schwächen“. Andreas Aigner, Naderbauer von Marquartstein, Piesenhausen, der eine 43 Hektar große Almfläche mit rund 100 Stück Jungvieh bewirtschaftet, forderte die Versammlung eindringlich auf, im Falle einer Aufgabe der Landwirtschaft ihre Holz- und Forstrechte an Kollegen zu veräußern und sie keinesfalls an den Staat zurückzugeben. Denn dann gäbe es immer weniger Rechte. Er betonte auch, wie wichtig das Wegerecht sei, damit die Transportwege zu den Almen auch für Notfälle stets befahrbar seien. Zweifellos hätte es noch viele Wortmeldungen gegeben, die der Vorsitzende mit Verweis auf die fortgeschrittene Zeit abbrach. Nach dem offiziellen Teil spielte die Fuschbach Musi unter Leitung von Johannes Miller auf und es gab noch kein Ende der Diskussionen.
Bericht und Foto: Giesen