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Im Gespräch: Michaela Streich, Geschäftsführerin des Franziskuswerks

Auch am Franziskuswerk Schönbrunn bestimmt seit fast zwei Jahren der Infektionsschutz das Alltagsleben. Das Bezirk aktuell sprach mit Geschäftsführerin Michaela Streich, wie die Einrichtung sowie deren Mitarbeitende und die dort geförderten Menschen mit Behinderungen die Lage bisher gemeistert haben.

Wie schaffen Sie es, den Leistungsberechtigten ein Stück „Normalität“ zu ermöglichen?

Michaela Streich Unsere Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Beschäftigten haben keine speziellen Einschränkungen und leben ­Normalität. Sie nehmen am öffentlichen Leben teil, sie gehen Einkaufen und in Restaurants. Sie machen Wochenendbesuche bei ihren Angehörigen und erhalten auch selbst Besuch. Natürlich sind für die Leistungsberechtigten die veränderten Alltagsbedingungen eine psychische Herausforderung. Der heilpädagogisch-psychologische Fachdienst kümmert sich deshalb besonders um die Menschen, die sich im Laufe der Pandemie eher zurückgezogen ­haben.

Wie ist die aktuelle Lage in Ihrer Einrichtung?

Streich Mit jeder Infektionswelle wurden auch Infektionen in die Einrichtung eingetragen. Dies ist jetzt auch verstärkt in der aktuellen Omikron-Welle so. Über die Gesamteinrichtung gesehen haben wir nicht auffallend viele Infektionen. Ende Januar hatten wir in drei von insgesamt 80 Wohn­gruppen Ausbrüche. In der Werkstatt und Förderstätte können wir den Betrieb aufrechterhalten, weil es nicht sehr viele Infektionen gibt. Wir sind sehr dankbar für die Regeln des Bezirks Oberbayern zur Refinanzierung der Einrichtungen während der Pandemie, die doch ein gewisses Maß an ­Flexibilität und sehr personenzentriertes Handeln ermöglichen.

Welche Beschränkungen belasten besonders?

Streich Die Teilhabemöglichkeiten und die Inklusion von Menschen mit Behinderung sind durch die pandemische Lage stark ­beschränkt. Seit vielen Monaten erleben Menschen mit Behinderung den Kontakt mit ihren Assistenzen nur noch mit Maske und Abstand. Wenn erst wieder die ganze Mimik, das Lächeln von Augen UND Mund wahrgenommen werden können, wenn wir uns unbeschwert wieder die Hand geben können und in den Arm genommen werden – das wird nochmals vieles verändern. Auch die Angst vor Quarantäne und Iso­lierung ist hoch. Belastend ist auch, dass viele unserer gruppenübergreifenden ­Freizeitangebote nicht im gewohnten Rahmen stattfinden können.

Wie ist die Lage in den Werkstätten?

Streich Vor einigen Wochen sind leider aus einer großen Arbeitsgruppe Infektionen in 18 verschiedene Wohngruppen getragen worden. Dies war eine extreme Situation für den gesamten Wohnbereich. Deshalb haben wir die Arbeitsgruppen umgestaltet, um Schließungen zu vermeiden. Eine Arbeitsgruppe setzt sich jetzt aus nicht zu vielen verschiedenen Wohngruppen zusammen. Diese Entscheidung führt für die Beschäftigen dazu, dass sie nicht auf ihrem angestammten Arbeitsplatz arbeiten können. Es ist allerdings erstaunlich, wie gut die Umstellung klappt.

Wie kommen Ihre Klientinnen und Klienten zurecht?

Streich Wir sind sehr beeindruckt, wie verständnisvoll Menschen mit Behinderungen diese Veränderungen mittragen. In zwei Jahren der Pandemie waren Besuchsverbote und Werkstattschließungen, die große Ungewissheit und die Angst für alle sehr belastend. Unsere Mitarbeitenden erklären und informieren viel, gehen auf Ängste ein und machen immer wieder Mut und Hoffnung. Natürlich hören wir immer wieder die Frage: Wann ist Corona endlich vorbei? Es imponiert uns sehr, wie viele Menschen mit Behinderungen die Vorgaben umsetzen. Gleichzeitig brauchen die, die sich zurückziehen, beson­ders viel Aufmerksamkeit, Zuwendung und ­Unterstützung.

Wie unterstützen und schützen Sie sich gegenseitig?

Streich Es ist unglaublich, was die Mitarbeitenden mit persönlichem und zeitlichem Engagement seit fast zwei Jahren leisten. Der Zusammenhalt und die Solidarität im Unternehmen sind riesengroß. Es war auch schon vor der Pandemie sehr anspruchsvoll, in der Eingliederungshilfe zu arbeiten. Die Mitarbeitenden sind mit den Stellenschlüsseln nicht gerade auf Rosen gebettet, und der Fachkräftemangel verstärkt eine schwierige Situation zusehends. Jede Wohngruppe hat bei uns ein eigenes risikobasiertes Schutzkonzept. Unsere Devise ist: Reden, reden, reden – im Kontakt bleiben, das Belastende aussprechen, aber auch den Blick auf die schönen Dinge nicht verlieren und auf das sehen, was trotz Corona möglich ist – und dies dann auch machen!

Das Thema Impfung und Testung ist nicht konfliktfrei. Wie bestimmt die damit verbundene Diskussion Ihren Alltag als Leitung und wie gehen Sie damit um?

Streich Es gibt zum Glück nur wenige ­Angehörige und gesetzliche Betreuungen, die einer Impfung nicht zugestimmt haben – auch wenn ein Ja zur Impfung aus medizinischen Gründen möglich gewesen wäre. Wir testen regelmäßig sehr viele Leistungsberechtigte. Auch unsere Mitarbeitenden kommen der Testpflicht nach. Aber das Franziskuswerk ist mit seiner großen Anzahl an Mitarbeitenden ein Spiegel der gesellschaftlichen Strömungen. Natürlich wird auch hier ­diskutiert. Die Aufgabe als Führungskraft ist es, aufzu­klären und zu informieren, im Gespräch ­Ängste zu nehmen und somit Klarheit ­und Sicherheit zu schaffen.

Wohnen, Leben, Lernen, Arbeiten

Mit besonderen Wohnangeboten sowie Arbeitsplätzen in Werkstätten unterstützt das Franziskuswerk in Schönbrunn und der Region Dachau rund 1 700 Menschen mit Behinderungen. Die Einrichtung hat fast 1 600 Mitarbeitende.

Interview und Bildmaterial: Bezirk Oberbayern


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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