Wirtschaft

Hubschrauber-Flugmanöver bei DLR

Nebel, Regen, Dunkelheit – Schiffsdecklandung auf hoher See unter schlechten Sichtbedingungen sind auch für erfahrene Hubschrauberpiloten eine große Herausforderung. Im Projekt HEDELA (Helicopter Deck Landing Assistance) erforscht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit dem Flugdienst der Bundespolizei Assistenzsysteme, die die Piloten bei einer sicheren und präzisen Landung auf Schiffen unterstützen. Bei Flugversuchen mit dem DLR-Forschungshubschrauber FHS wurde dafür nun erstmals der Einsatz einer Augmented-Reality-Brille erprobt.

Hubschraubern kommt im stark wachsenden Offshore-Bereich eine besondere Rolle zu. Durch die Fähigkeiten senkrecht starten und landen, auf der Stelle schweben und eine hohe Fluggeschwindigkeit erreichen zu können, sind sie für alle Einsatzszenarien auf See besonders gut geeignet. Probleme ergeben sich durch die häufig vorherrschenden schlechten Sichtbedingungen wie Seenebel, Niederschlag oder Dunkelheit. „Auf hoher See fehlen dem Piloten fixe Referenzpunkte zur Orientierung. Um sie herum ist nur das offene Meer und das sich bewegende Schiff mit einer verhältnismäßig kleinen Fläche, auf der sie landen müssen“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Stefan Levedag vom Institut für Flugsystemtechnik. Zudem bilden sich am Schiffsdeck Nachlaufturbulenzen, die das Aufsetzen des Hubschraubers auf dem Schiffsdeck zusätzlich erschweren können.

Visuelles Assistenzsystem unterstützt Piloten beim Landeanflug

Im Projekt HEDELA hat das DLR spezielle Anzeigen für Schiffsdecklandungen entwickelt und validiert. Das Ziel ist es, den Piloten während des gesamten Fluges zu unterstützen, einschließlich der Bereitstellung hindernisfreier Flugpfadplanung (Trajektorien) für Anflug, Transfer und Abflug. Eine Augmented-Reality-Brille (AR-Brille) entlastet den Piloten bei diesen Aufgaben unter schwierigen Sichtbedingungen und blendet ihm optische Orientierungspunkte und wichtige Informationen direkt ins Sichtfeld ein. Das schwimmende Schiff im dichten Nebel wird beispielsweise durch einen gut sichtbaren grünen Rahmen markiert. Wichtige Informationen zu Fluggeschwindigkeit, Höhe und Position sowie ein künstlicher Horizont sind ebenfalls direkt im Sichtfeld des Piloten sichtbar. „Die eingeblendete Symbolik hilft den Piloten enorm bei der Orientierung“, sagt Projektleiter Malte-Jörn Maibach. „Der große Vorteil ist, dass der Pilot mit seinem Blick nicht ständig zwischen den Instrumenten im Hubschraubercockpit und der Außensicht wechseln muss. So kann er seinen Landepunkt konstant im Blick behalten.“ Die Arbeitsbelastung des Piloten wird so verringert, sein Situationsbewusstsein gesteigert und die Einsatzfähigkeit und Sicherheit von maritimen Hubschraubereinsätzen erhöht.

Die derzeitige Entwicklung von Hubschraubercockpits fokussiert eine Reduzierung und auch eine Kombination von Anzeigegeräten. Ein solches Beispiel ist der First Limit Indicator (FLI), welcher die wichtigsten Daten zum Triebwerkszustand (Drehmoment, Turbinendrehzahl sowie Turbinenauslasstemperatur) in einem einzigen Überwachungsinstrument darstellt. Mit dieser Art von Flugassistenzsystem, welches auch im getesteten Head Mounted Display (HMD) implementiert ist, können die generellen Flugeigenschaften und die Handhabungsqualitäten eines Hubschraubers deutlich verbessert werden.

Die Anzeigensymbolik haben die Wissenschaftler im Vorgängerprojekt HELMA (Helicopter Flight Safety in Maritime Operations) entwickelt und erfolgreich im Simulator erprobt. Bei Flugversuchen mit dem DLR-Forschungshubschrauber ACT/FHS (Active Control Technology/Flying Helicopter Simulator), einer modifizierten EC135, hat das DLR nun zum ersten Mal den Einsatz einer kommerziellen Augmented-Reality-Brille im Flug getestet. Head Mounted Displays, also Helme mit integrierten Anzeigen, die auf dem Kopf getragen werden, finden im militärischen Bereich bereits Anwendung mit vielfältigen Vorteilen und großem Nutzen für die Piloten. In der Anschaffung sind diese Systeme aber sehr kostenintensiv. Für ihre Forschungsarbeit greifen die Wissenschaftler deshalb auf kommerzielle Systeme zurück, die sie den speziellen Anforderungen der maritimen Hubschraubereinsätze entsprechend erweitern.

„Der Vorteil ist, dass sie in der Anschaffung günstiger und dazu technisch bereits sehr weit entwickelt sind“, betont Maibach. Eine bekannte Herausforderung ist allerdings das Head-Tracking der AR-Brillen, das nicht für die Nutzung in bewegten Systemen (als Fahrzeugführer) ausgelegt ist. „Das System muss die Bewegungen des Kopfes mit der Brille von den Bewegungen des Hubschraubercockpits, das sich wiederum in der Außenwelt bewegt, unterscheiden können“, erklärt Luft- und Raumfahrtingenieur Christian Walko vom Institut für Flugsystemtechnik. Die DLR-Wissenschaftler haben dafür zusätzlich eine Software entwickelt, die die Kopfposition des Piloten in Relation zum sich bewegenden Hubschrauber erkennt und bei der Darstellung der holographischen Symbolik berücksichtigt. Aktuell werten die Wissenschaftler die Daten der Flugversuche aus. Dabei untersuchen sie auch die Funktionsweise der AR-Brille in der Luft im Zusammenspiel mit dem entwickelten Head-Tracking-Algorithmus und welchen Einfluss die Vibrationen des Hubschraubers auf den gesamten Systemaufbau haben.

Die neuen Anzeigesysteme sind von großem Interesse für den Hubschrauber-Piloten in seinen sehr komplexen Flugaufgaben, bei denen es gilt, neben der Steuerung des Hubschraubers auch die Einhaltung aller flugmechanischen Grenzen ständig im Auge zu behalten. Die innovativen Anzeigen erlauben es, entsprechende Informationen mit den üblichen Anzeigen zu kombinieren und so die Grenzen intuitiv erfassbar zu machen.

Herausforderung Schiffsdecklandungen: Drei Fragen an den Leiter des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik Prof. Stefan Levedag

Warum forscht das DLR-Institut für Flugsystemtechnik am Thema Schiffsdecklandungen?

Schiffsdecklandungen gehören zu den anspruchsvollsten Flugaufgaben mit denen ein Hubschrauberpilot konfrontiert werden kann. Neben einer sich bewegenden Landeplattform kommen oft starker Wind, Turbulenzen durch Ablösungen an den Schiffsaufbauten sowie fehlende Referenzpunkte für die Schätzung von Lage und Geschwindigkeit zusammen, auch schlechte Sicht mit Horizontverlust ist möglich. Unter diesen extremen Bedingungen den Piloten optimal in das System zu integrieren ist eine herausfordernde Aufgabe, für die das DLR aktuelle Technologien in der Forschung einsetzt, um leistungsfähige Lösungen zu entwickeln.

Warum existieren solche Assistenzsysteme zwar im militärischen Bereich, aber für die zivile Luftfahrt gibt es bisher keine bezahlbaren Alternativen? Wann wird ein solches System für zivile Betreiber verfügbar sein?

Militärische Systeme sind sehr harten zusätzlichen Anforderungen wie z.B. der Kompatibilität mit Nachtsichtsystemen unterworfen und daher per se aufwendig. Die Integration neuer Funktionen ist in einem solchen Umfeld eher möglich, als in einem zivilen Produkt mit primär hohem Kostendruck.

Auch neue Systeme ähnlich der HoloLens müssen für den zukünftigen Einsatz in Luftfahrzeugen qualifiziert werden, also z.B. sehr starke Vibrationen, Temperaturunterschiede und elektromagnetische Felder fehlerfrei tolerieren. Für innovative Lösungen aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik bauen sich dabei oft hohe Hürden auf, deren Überwindung Zeit und erhebliche Mittel verlangt. Es ist daher schwer vorherzusagen, wann eine solche Technologie den Sprung in ein Luftfahrtprodukt schafft. Gerade in der aktuell sehr schwierigen Zeit für die Luftfahrt sind diese Hürden besonders hoch.

Was ist die Besonderheit des Forschungshubschraubers ACT/FHS?

Der Forschungshubschrauber EC135-ACT-FHS ist ein einzigartiges Forschungsinstrument. Er besitzt offene Schnittstellen, über die es gelingt, alle wesentlichen Flugzustandsdaten in experimentelle Systeme einzuspeisen, z.B. für neue Displays oder eben Anzeigen wie die HoloLens. Durch die ungewöhnliche Architektur des Systems müssen diese neuen Elemente nicht zugelassen werden, wie das für eine Serienanwendung erforderlich wäre. Dies gilt sogar für neue Systeme und Funktionen, die Steuerkommandos in den Hubschrauber einspeisen können.

Bericht und Fotos: Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum

Layout: Egon Lippert (www.lippert-egon.de)


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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