Traumhafte Herbstjagd auf der Herreninsel:
Von Stelldichein bis Halali
An einem malerischen Herbsttag verwandelte sich die Herreninsel im Chiemsee in eine Kulisse, die den Geist vergangener Zeiten wieder aufleben ließ. Die 67. traditionelle große Schleppjagd lockte in diesem Jahr wieder Reiter und Zuschauer aus nah und fern, die hinter der Meute der englischen Foxhounds des Schleppjagdvereins von Bayern e.V. her ritten.
Die Szenerie erinnerte an ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, in dem die leuchtenden Farben der herbstlichen Bäume und der strahlend blaue Himmel die perfekte Kulisse für dieses historische Spektakel boten.
Es ist die Zeit, wenn die Landwirte die Ernte eingefahren haben und die Wälder sich rot und golden färben, wenn der Morgennebel sich hebt, wenn die Luft klar ist und das Jagdhorn zum Stelldichein ruft, dann sind besonnenes aber mutiges Vorwärtsreiten, Ausdauer und Entschlusskraft gefragt, sofern man an einer solchen Schleppjagd teilnehmen möchte. Schleppjagd heute ist Sport und Freizeitvergnügen, aber auch die Pflege von Traditionen und Brauchtum.
Von der Kapelle St. Maria am Alten Schloss aus konnte man die Spannung in der Luft förmlich spüren. Dort warteten die 30 Englischen Foxhounds, während sich rund 45 Reiter in ihren prächtigen roten und blauen Jagdröcken formierten.
Die Atmosphäre war durchzogen von Vorfreude und Stolz auf eine Tradition, die tief in der Geschichte verwurzelt ist. Dieses Zeremoniell, das sogenannte „Stelldichein“, lässt die Teilnehmer aufsteigen und sich versammeln.
Der Jagdherr hält eine mitreißende Rede und stellt die verschiedenen Positionen innerhalb der Meute vor: den Master, die Equipage (Reiter, die für die Hunde zuständig sind), sowie die Piköre, die den Master unterstützen und das Geschehen begleiten. Da nicht alle Reiter die Hindernisse meistern, unterteilen sie sich in ein „springendes Feld“ und ein „nicht springendes Feld“. Im Springerfeld sollten wirklich nur erfahrene Reiter Platz nehmen, deren Pferde kontrollierbar und sicher springen.
Bei der Schleppjagd steht dabei der gemeinsame Spaß und das naturverbundene Erlebnis im Vordergrund. Wild wird bei einer Schleppjagd nicht verfolgt.
Feine Hundenasen finden den Weg
Nach dem Stelldichein beginnt die Jagd mit dem Kommando „Schleppe ab!“. Der Schleppenleger gallopiert mit Begleitung los, während aus einem Kanister an der Satteltasche Heringslake, Pansenlauge oder Anissaft tropfen. Der Begriff „Schleppe“ stammt aus früheren Zeiten, als getunkte Tücher in offenen Draht- oder Eisenkugeln transportiert und hinterhergezogen wurden. Nun geht es mit Pferd und Hund über Stock und Stein. Einige Schleifen konnte in diesem Jahr auf der Herreninsel nicht wie in den Vorjahren geritten werden, weil die Wegstrecken viel zu nass und der Boden zu weich war. Hier stand die Sicherheit von Pferd und Reiter an erster Stelle.
Am Ende der Strecke, direkt hinter dem Schloß Herrenchiemsee, findet das Halali statt. Ein finaler Sprung ist so platziert, dass die Zuschauer das Jagdfeld ein letztes Mal aus nächster Nähe genießen können. Danach versammeln sich alle, die Reiter ziehen den rechten Handschuh aus, wünschen sich „Halali“ und bedanken sich.
Verschwitzte, glückliche Gesichter lachen, während Geschichten über große Sprünge und mutige Pferde erzählt werden. Hände tätscheln die feuchten Pferdehälse. Der Höhepunkt des Tages ist das „Curée“, die Belohnung für die Hunde: Die Meute stürzt sich auf einen Berg aus duftendem Pansen – ein wahrer Leckerbissen für die Tiere. Es ist die Anlehnung an das historische Füttern der Wildinnereien des gejagten Wildes bei den traditionellen Reitjagden von früher.
Der Jagdherr überreicht jedem Reiter einen sogenannten „Bruch“, ein Eichenlaub, als Zeichen, dass der Reiter die Jagd bis zum Ende mitgeritten ist. Zur Abschlusszeremonie werden die passenden Jagdsignale durch die Jagdhörner geblasen.
Nicht nur für die Reiter war die Jagd ein aufregendes Erlebnis, sondern auch für die über 1.000 Zuschauer, die über die Insel schlenderten. Der Klang der Jagdhörner von „Les Trompes de Bavière“ hallte über das Wasser und verlieh dem Ereignis eine magische Note. Schon von weitem konnte man das kräftige Bellen der Meute, auch Geläut genannt, hören. Besonders beeindruckend war die Vielfalt der Teilnehmer, die sich in zwei Felder aufteilten – ein springendes und ein nicht springendes. Die mutigeren Reiter stellten sich den 28 Hindernissen auf der 20 Kilometer langen Strecke, während die anderen auf sicheren Wegen das Jagderlebnis genossen.
Ein besonderes Highlight, das sowohl die Reiter als auch die Zuschauer in seinen Bann zog, war der Sprung der Reiter in den Chiemsee bei Pauls Ruh. Dieses beeindruckende Bild wird den Besuchern noch lange in Erinnerung bleiben – eine perfekte Verbindung von Mut, Tradition und Natur. Als eines der Pferde ins kühle Nass sprang, fiel der Reiter ab, landete jedoch unversehrt im Wasser. Dieses Spektakel brachte die Zuschauer zum Staunen, und der mutige Reiter konnte sich schnell wieder auf sein Pferd schwingen.
Die Schirmherrschaft über die Veranstaltung übernahm auch in diesem Jahr der Bayerische Staatsminister und stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger. Vor der romantischen Kulisse der Kapelle würdigte Toni Wiedemann, Präsident des Schleppjagdvereins von Bayern, Aiwangers Engagement und bedankte sich für seine Treue zu diesem jahrhundertealten Brauch. In seiner Ansprache erinnerte Wiedemann daran, wie wichtig diese Veranstaltungen für die bayerische Kultur und die Bewahrung historischer Orte wie der Herreninsel sind.
Die Jagd war mehr als nur ein sportliches Ereignis – sie war ein harmonisches Zusammenspiel von Mensch, Tier und Natur. Der Hintergrund der Schleppjagd in Deutschland ist international geprägt: Man reitet englisch in flottem Galopp hinter schnellen Hunden und über Hindernisse, folgt französischen Zeremonien und Musik-Signalen, die aus der Hirsch- und der Parforcejagd des Mittelalters stammen, und ehrt die Reiter nach deutschen Ritualen aus der grünen Jagd.
Ein weiterer Höhepunkt des Tages war die herzliche Gastfreundschaft, die Reiter und Zuschauer erfuhren. Gastgeber Josef Ettenhuber und Esther Höhn empfingen Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und der Schweiz und sorgten dafür, dass sich jeder willkommen fühlte. Diese familiäre Atmosphäre machte das Erlebnis zu etwas Besonderem und zeigte die verbindende Kraft der traditionsreichen Jagdkunst.
Am Ende des Tages bleibt ein Gefühl der Zufriedenheit und Dankbarkeit, Teil eines so einzigartigen Erlebnisses gewesen zu sein.
Die Herbstjagd auf der Herreninsel vereinte Geschichte, Natur und Tradition auf eine Weise, die unvergesslich bleibt – ein Tag, der die Herzen aller Beteiligten berührte und in Erinnerung bleiben wird.
Der Dank der Jagdreiter und Zuschauer geht an die Jagdherrenschaft Esther Höhn und Josef Ettenhuber für diesen Jagdtag auf der Königsinsel.
Text & Fotos: Rainer Nitzsche