Wirtschaft

Gymnasium Landschulheim Marquartstein

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

„Einen Joker in der Tasche“ – Zwei fertige Schreinerinnen mit Gesellenprüfung und Abitur am Gymnasium Landschulheim Marquartstein – in 20 Jahren wurden 36 ausgebildet

Seit 2004 läuft das bayernweit einzigartige Projekt „Handwerk und Schule“ am Gymnasium Landschulheim Marquartstein. Gestern (heute) erhielten die diesjährigen Absolventen, diesmal zwei Damen, Stella Steffan aus Aschau und Josefa Wendlinger aus Rottau, die Nachricht von der Handwerkskammer, dass sie die Schreinerprüfung zur Gesellin bestanden haben. Damit haben sie neben dem heuer mit sehr guten Noten bestandenen Abitur auch den Gesellenbrief in der Tasche. Wendlinger hatte sogar mit 1,0 abgeschlossen (wir berichteten). Bisher hatte nur ein Azubi vor 14 Jahren, Markus Irger, in 2010 das Abitur mit dieser Traumnote abgeschlossen, trotz der parallel dazu laufenden anstrengenden und zeitaufwändigen Schreinerlehre.

„Diese bei uns einzigartige Ausbildung in Bayern hat sich etabliert“, erklärt Schreinermeister Michi Huber, der das Projekt von Anfang an betreut hat. „Es gibt seit langem mehr Bewerber als wir aufnehmen können“, denn mehr als 15 auf einmal gebe weder der Raum der Schreinerei noch das Lehrpersonal her. Heuer hat der letzte Jahrgang des G8 die Ausbildung abgeschlossen. „Egal ob sie studieren, auf die Meisterschule gehen oder etwas ganz anderes tun wollen, die abgeschlossene Berufsausbildung werden sie immer brauchen können“, ist Ausbilder Miche Huber überzeugt. Stolz zeigen die fertigen Gesellinnen ihr Meisterstück, das zur Gesellenprüfung dazu gehört, ein Möbelstück aus Eschenholz mit Schublade, bei dem sowohl die Holzmaserung als auch die perfekte technische Ausführung selbst dem Laien ins Auge fallen. Auf die Frage, wie die Ausbildung für sie war, sagt Josefa Wendlinger, dass die ersten Lehrjahre in der Schreinerei ab der 8. Klasse die schwierigsten gewesen seien. Wenn mal die Zwischenprüfung in der 10. Klasse bestanden sei, habe man eine  Bestätigung für das eigene Können, und in der Oberstufe sei das Handwerkliche dann genau der richtige Ausgleich zur geistigen Arbeit in der Schule gewesen. Josefas Eltern haben eine Polsterei in Rottau, aber ob sie dort arbeiten möchte, weiß sie noch nicht. Erstmal will sie mit einer Freundin zusammen ein Jahr bei einer Hilfsorganisation in Costa Rica arbeiten und danach Innenarchitektur, Design oder Physik studieren.

Stella Steffan, deren Vater in Berlin Musicalproduzent und Autor ist, hat nach ihrem Führerschein erstmal ein Bühnenbaupraktikum geplant und möchte in 2025 mit einer Freundin nach Spanien und Norwegen reisen. Da sie „in der Theaterwelt aufgewachsen ist“, wie sie erzählt, wird sie ab September 2025 in Berlin Bühnenbild studieren – handwerklich ideale Voraussetzungen hat sie ja nun. Im nächsten Schuljahr werden wieder insgesamt 15 Schüler, davon 7 Mädchen, an der Ausbildung teilnehmen, auf fünf Jahrgänge verteilt.

Bericht und Fotos: Die zwei fertigen Schreinergesellinnen, Josefa Wendlinger (rechts) und Stella Steffan mit Schreinermeister Michael Huber im Büro der Schreinerei   –    Stella Steffan (links) und Josefa Wendlinger neben einem Gesellenstück aus Esche.  

           

Redaktion

Toni Hötzelsperger

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