Gesundheit & Corona

Gesundheitsminister Klaus Holetschek in Flintsbach

Veröffentlicht von Christina Rechl

Die große Mehrheit aller Pflegebedürftigen wird zu Hause versorgt, viele von Angehörigen, oft mit Hilfe von Pflegediensten. Die Herausforderungen der pflegerischen Versorgung zu Hause sind bekannt: Fachkräftemangel, eine Schieflage in der Refinanzierung und eine Überlastung des Systems.Doch wie sehen praxisnahe Lösungen aus?
Um diese Frage zu diskutieren, lud der Kreisverband des Gesundheits- und Pflegepolitischen Arbeitskreises der CSU (GPA) in Stadt- und Landkreis Rosenheim die Fachleute aus der
ambulanten Pflege zu einem Austausch mit Staatsminister Klaus Holetschek ins Mehrgenerationenhaus Flintsbach a.Inn ein. Die im vergangenen Jahr veröffentlichte Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung des Landkreises Rosenheim stellt alarmierende Zahlen für den zukünftigen Pflegebedarf dar undgibt zugleich die klare Handlungsempfehlung, den gesetzlichen Auftrag „ambulant vor stationär“ konsequent umzusetzen. Vor allem die Angebote für Kurzzeitpflege, Tagespflege und die ambulanten Dienste müssen vor Ort stark ausgebaut werden, um pflegende Angehörige zu entlasten. Die Auflagen und die Bürokratie werden jedoch immer höher, hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und Kostensteigerungen machen es den ambulanten
Diensten schwer. Da viele Pflegeheime aus Personalnot oder aufgrund der hohen bürokratischen Hürden keinen Kurzzeitpflegeplatz anbieten können, wird es für die Kliniken schwer, die Pflegebedürftigen zu entlassen. Auch die Versorgung durch ambulante Pflegedienste ist nicht überall umfassend gegeben. So entsteht der sog. „Drehtüreffekt“: Wenn die Versorgung zu Hause nicht sichergestellt ist, werden Pflegebedürftige wieder in die Klinik eingewiesen. Durch die im Zuge der anstehenden Klinikreform zurecht geforderte Ambulantisierung von einfachen Eingriffen, kann sich dieser Effekt noch verstärken, befürchten Fachleute. „Es ist essenziell wichtig, dass wir bei allen Reformvorhaben sektorenübergreifend denken“ fordern Elmar Stegmeier und Evi Faltner, die Vorsitzenden des GPA Kreisverbandes. „wenn Patienten aus der Klinik nach einer OP früher oder sofort entlassen werden, muss auch die Anschlussversorgung durch die ambulante Pflege gewährleistet sein“ so ihre Forderung.

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung der häuslichen Pflege: mit Einführung des Tariftreuegesetzes 2022 müssen alle Träger, die einen Versorgungsvertrag mit den Kassen haben, ihre Pflegekräften in Tarifhöhe entlohnen, was seitens der Träger als überaus positiv bewertet wurde. Die Kostenträger müssen den Trägern die Refinanzierung garantieren, die Ansprüche aus der Pflegeversicherung für die Angehörigen werden ab 2024 aber nur minimal steigen. Das führt dazu, dass die gestiegenen Kosten für Löhne, Energie und Sprit als Eigenanteil von den Angehörigen bezahlt werden müssen, denn die Pflegeversicherung wurde in den 90er Jahren als Teilkasko Versicherung angelegt.

„Viele Pflegebedürftige und Angehörige können diese finanziellen Belastungen nicht mehr tragen und so bleibt ihnen nach einem arbeitsreichen Leben nichts anderes übrig, als „Hilfe zu
Pflege“ beim Sozialamt zu beantragen“ stellt Evi Faltner, Geschäftsführerin des Mehrgenerationenhauses und Mitglied des Landesvorstandes des GPA fest. „Das sind Menschen, die eine Lebensleistung vollbracht haben, die unser Land nach dem Krieg wieder aufgebaut haben, das können wir so nicht akzeptieren!“, so die Geschäftsführerin. „Was wir beobachten ist eine fatale Entwicklung“ ergänzt Elmar Stegmeier: „die Kosten für die pflegerische Versorgung werden von der Pflegeversicherung über die Sozialleistungen hin zur Kommune verschoben“, aber auch ein weiterer Punkt treibt den Vorstand des Ökumenischen Sozialdienstes Aschau um: „immer mehr Frauen geben ihren Beruf wieder auf oder reduzieren ihre Arbeitszeit, um die Angehörigen zu pflegen, weil sie die Kosten nicht tragen können oder schlichtweg kein Pflegedienst oder Pflegeheimplatz zu finden ist“. Gemeinsam mit dem Ausschussvorsitzenden Gesundheit und Pflege im Landtag, MdL Bernhard Seidenath und der Gesundheitspolitikerin im Bundestag, MdB Emmi Zeulner haben Faltner und Stegmeier bereits 2021 ein umfassendes Papier zur Pflegestrukturreform vorgelegt. Das 2021 veröffentlichte Papier zur Pflegestrukturreform „Die Pflege der Zukunft – zur Zukunft der Pflege“ fordert eine Revolution der Pflegeversicherung – demografiefest, generationengerecht und qualitätsorientiert. Dabei setzt der Entwurf auf eine konsequente Umsetzung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ mit einer klaren Ausrichtung auf die
kommunale Anbindung im Sozialraum, eine ortsnahe pflegerische Versorgung, eine Tagespflege in jeder Gemeinde, dem Ausbau der Kurzzeitpflege und auf die Verschlankungund Regionalisierung von Beratungsangeboten für pflegende Angehörige und Pflegebedürftige. Um dem demografischen Wandel zu begegnen rückt das Thema Prävention und Vermeidung von Pflegebedürftigkeit in den Focus. Dabei kommt nach Meinung des GPA insbesondere den hoch qualifizierten Reha Einrichtungen eine entscheidende Rolle als „Game
Changer“ im Kampf gegen Pflegebedürftigkeit zu. Zur Finanzierung der Reform setzt der GPA auf die Verschlankung von Strukturen, Koordinierung durch Pflegelotsen, Auflösung von
Doppelstrukturen und Kontrollinstanzen, Entbürokratisierung und umfassende Digitalisierung zur Struktur- und Prozessoptimierung und damit das Heben von Effizienzreserven in der
Pflege! Die Forderungen des GPA sind klar: nicht nur die Krankenhäuser müssen regional geplant werden, die gesamte Gesundheits- und Pflegerische Versorgung muss im Sinne der Daseinsvorsorge regional, sektorenverbinden und generationengerecht geplant und gedacht werden. Dabei löst das “mehr Geld ins System” nicht immer alle Probleme, sondern es wird
eine umfassende, ressourcenschonende Reform und „Revolution in der Pflege“ nötig sein.

 

Fotos & Text: Christliches Sozialwerk Degerndorf-Brannenburg-Flintsbach e.V.

Redaktion

Christina Rechl

Mitglied der Redaktion

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Samerberger Nachrichten

Beiträge und Fotos sind urheberrechtlich geschützt!