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Gespräch mit dem Obb. Bezirkstagspräsidenten

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Der Bayernbund (www.bayernbund.de) führte -noch vor der Corona-Krise – für seine Mitgliederzeitung „Weiß-Blaue Rundschau“ ein Gespräch mit Josef Mederer, dem Präsidenten des Oberbayerischen Bezirkstages. Dieses Gespräch und den Beitrag über die heurige Haushalts-Verabschiedung dürfen wir hiermit zum Lesen empfehlen.

Vom Gesamthaushalt des Bezirks Oberbayern in Höhe von 2,06 Milliarden Euro fließen nach der Darstellung des Bezirks rund 1,74 Milliarden Euro in die soziale Sicherung der Menschen in Oberbayern. Der Großteil unserer Leser ist mit den haushaltsrechtlichen Begriffen nicht so vertraut. Können Sie uns mit einfachen Worten erläutern, wofür das viele Geld ausgegeben wird?

Josef Mederer: Der Löwenanteil unserer Ausgaben ist für Menschen mit Behinderungen und pflegebedürftige Menschen. Unser wichtigstes Ziel ist dabei, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen am Leben in der Gemeinschaft teilhaben können, also Inklusion in allen Lebensbereichen. Der Bezirk Oberbayern finanziert deshalb Heilpädagogische Tagesstätten für Kinder mit Behinderungen, Wohnangebote für Menschen mit seelischen Handicaps und natürlich auch Arbeitsplätze in Werkstätten. Das sind nur ein paar wenige Beispiele aus der riesigen Palette von Hilfeangeboten, die wir in Oberbayern mit unseren Partnern inhaltlich konzipieren und aus unserem Haushalt bezahlen. Summa summarum kommen wir in der Eingliederungshilfe auf Leistungen in Höhe von rund 1,147 Milliarden Euro. Darüber hinaus finanzieren wir für pflegebedürftige Menschen die ambulante und stationäre Pflege, wenn ihr eigenes Einkommen und Vermögen nicht ausreichen. Insgesamt sind das derzeit rund 275 Millionen Euro. Ich finde, das sind beeindruckende Zahlen, die zeigen: Der Bezirk prägt das soziale Gesicht Oberbayerns.

Ein erheblicher Teil der Mehraufwendungen wird dem Bezirk offensichtlich durch gesetzgeberische Maßnahmen auferlegt. Gilt da nicht der alte bayerische Grundsatz „wer anschafft, zahlt“?

Mederer: Sie spielen auf das Konnexitätsprinzip an. Demzufolge müsste der Gesetzgeber für Leistungen gerade stehen, die er bei den Kommunen neu beauftragt. Das ist leider nicht der Fall. Das gilt für den Bund ebenso wie für den Freistaat Bayern. So müssen jetzt wir deutliche Mehrausgaben schultern, wenn Angehörige mit einem Jahreseinkommen bis zu 100.000 Euro in der Hilfe zur Pflege nicht mehr für den Unterhalt ihrer Eltern oder ihrer Kinder herangezogen werden. Auch die Umsetzung der Inklusion belastet unseren Haushalt spürbar. Dazu gebe ich Ihnen gerne ein Beispiel: Für Kinder mit Behinderungen finanzieren wir Schulbegleitungen in Höhe von rund 35 Millionen Euro, obwohl die Umsetzung der Teilhabe im schulischen Bereich eine staatliche Aufgabe ist. Vom Freistaat Bayern haben wir dafür bisher nicht einen Cent gesehen. Ebenso lässt man uns im Regen stehen für Leistungen, für die wir gar nicht zuständig sind wie die Kosten für die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in Höhe von 59 Millionen Euro im laufenden Jahr.

Welche weiteren großen Haushaltspositionen gibt es neben den Aufwendungen für die soziale Sicherung?

 Mederer: Bildung und Kultur sind wichtige Schwerpunkte unserer Arbeit ebenso wie die Bereiche Heimat und Umwelt. Für unsere Förderschulen und Berufsfachschulen sowie die Schülerbeförderung sind fast 14 Millionen Euro im Haushalt 2020 eingestellt. Für seine kulturellen Aufgaben gibt der Bezirk über 12 Millionen Euro aus. Davon fließt ein großer Teil in die Förderung unseres Freilichtmuseums Glentleiten und unseres Bauernhausmuseum Amerang sowie die Zweckverbände des kelten römer museums manching und des Deutschen Hopfenmuseums in Wolnzach. Außerdem fördern wir die Kultur- und Denkmalpflege mit einem Betrag von 4,8 Millionen Euro. Sie sehen, der Bezirk prägt also nicht nur das soziale, sondern auch das kulturelle Gesicht Oberbayerns.

Sie haben ausgeführt, dass die Belastung der Umlagezahler nur deshalb stabil bleibt, weil rund 48,4 Millionen Euro der Rücklage entnommen werden, die dadurch auf 25 Millionen Euro sinkt. Was bedeutet dies für die nächsten Jahre?

 Mederer: Der Bezirk Oberbayern hat mit der Entnahme aus der Rücklage bewusst finanzielle Risiken abgefedert, die durch neue Gesetze und die Übernahme der ambulanten Hilfe zur Pflege auf den Haushalt einwirken. Allerdings kann die Rücklage bei einem Haushaltsvolumen von 2,06 Milliarden Euro nur im Ausnahmefall diese Risiken ausgleichen. Unstrittig ist, dass wir unseren Bedarf über die Bezirksumlage decken müssen. Diese konnten wir für 2020 aber nur dank der eingesetzten Rücklage stabil halten. Allerdings zeichnet sich nach neun Jahren Wachstum jetzt erstmals eine konjunkturelle Delle mit geringeren Steuereinnahmen ab. Wir sind aber für unsere Umlagezahler ein verlässlicher Partner. Das heißt, wir werden die 20 Landkreise und drei kreisfreien Städte Oberbayerns rechtzeitig informieren, was gegebenenfalls auf sie zukommt.

Muss damit gerechnet werden, dass der Bezirk damit weniger Mittel für Maßnahmen außerhalb der sozialen Sicherung wie Bildung und Kultur einsetzen kann?

Mederer: Nein. Kultur und Bildung sind nicht nur ein Herzstück unserer Arbeit, sondern auch Pflichtaufgaben, die gleichberechtig neben dem Sozialen stehen. Wir werden also auch in Kultur, Denkmalpflege und Bildung investieren, selbst wenn weniger Mittel zur Verfügung stehen.

Fragen von Fritz Lutzenberger  – Foto: Wolfgang Englmaier – Bezirkstagspräsident Josef Mederer und Regierungspräsidentin Maria Els von der Regierung von Oberbayern bei der Haushaltsberatung

                                                                                                     Oberbayerns Bezirkstag verabschiedet Zwei-Milliarden-Haushalt

 Im Jahr 2020 überschreitet der Haushalt des Bezirks Oberbayern erstmals die Zwei-Milliarden-Marke und erreicht damit einen neuen Rekordwert. Rund 90 Prozent des Gesamtetats in Höhe von 2,06 Milliarden Euro fließen in soziale Aufgaben, Bildung und Kultur. Für die Umlagezahler hatte Bezirkstagspräsident Josef Mederer bei der Haushaltsdebatte die gute Nachricht, dass die Umlage trotz gewaltiger finanzieller Herausforderungen stabil bei 21 Prozentpunkten bleibt. Der Bezirkstag verabschiedete den Haushalt mit fünf Gegenstimmen.

Mehr inklusive Hilfeangebote, die Übernahme der ambulanten Hilfen für pflegebedürftige Menschen und Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst führen 2020 zu deutlichen Mehrausgaben. Erheblicher Kostendruck entsteht durch gesetzliche Änderungen wie das Bundesteilhabegesetz (BTHG) und das Angehörigen-Entlastungsgesetz in der Hilfe zur Pflege. Allein die Mehrausgaben im Etat Soziales und Jugend liegen bei rund 170 Millionen Euro (plus 10,8 Prozent). Davon entfallen als größte Einzelposten 92,4 Millionen Euro auf Leistungen nach dem Bundesteilhabegesetz (bisher Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen) sowie 37,2 Millionen auf die Hilfe zur Pflege.

Wegen der stetig weiter steigenden Ausgaben sieht Bezirkstagspräsident Mederer den Bezirk „vor gewaltigen Herausforderungen“. So sei die für den Haushalt 2020 relevante Umlagekraft von 2018 zwar um 10,8 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro gestiegen. Die daraus resultierenden Mehreinnahmen bezifferte Mederer auf 168 Millionen Euro. Dem Haushalt fließen 1,72 Milliarden Euro über die Bezirksumlage zu. Die Umlage kann jedoch laut Mederer 2020 nur stabil bei 21 Prozentpunkten gehalten werden, weil der Rücklage zusätzlich rund 48,4 Millionen Euro entnommen werden. Damit schmilzt die Rücklage auf 25 Millionen Euro und liegt nur noch knapp über der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenze.

Mehrausgaben durch Bundesteilhabe- und Angehörigen-Entlastungsgesetz

 Die für die Mehrausgaben verantwortlichen gesetzlichen Neuerungen werden den Bezirk dauerhaft finanziell stark belasten. So regelt das Bundesteilhabegesetz ab 2020 wesentliche Bereiche der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen neu. Es werden unter anderem deutlich höhere Freigrenzen für Einkommen und Vermögen eingeführt. Zudem tritt mit dem Jahreswechsel das Angehörigen-Entlastungsgesetz in Kraft. Es sieht vor, dass Kinder mit einem Einkommen niedriger als 100.000 Euro in der Hilfe zur Pflege nicht mehr für die Pflegekosten ihrer Eltern herangezogen werden.

Des Weiteren sinken die Zuweisungen des Freistaats Bayern an den Bezirk Oberbayern nach Art. 15 Finanzausgleichsgesetz von 87,2 Millionen Euro auf 47,6 Millionen Euro – ein Minus von rund 40 Millionen Euro. Die gesamte kommunale Familie Oberbayerns werde dadurch spürbar belastet. Mederer sparte nicht mit Kritik am Freistaat Bayern, der seinen Beitrag für die Umsetzung der Inklusion und Entlastung der Angehörigen schuldig bleibe. „Hier stellt sich für mich eindeutig die Frage nach dem Konnexitätsprinzip“, sagte Mederer. „Wer Leistungen einfordert, muss dafür auch finanziell geradestehen.“

„Verlässlicher Partner der Umlagezahler“

Der Bezirk Oberbayern sei deshalb gezwungen, „sich das Geld, das wir für unsere Aufgaben brauchen, von den Kommunen zu holen“. Dass die Bezirksumlage trotz der geschilderten Unwägbarkeiten stabil bleibe, so Mederer weiter, „zeigt, dass wir ein verlässlicher Partner unserer Umlagezahler sind.“ Der Bezirk Oberbayern erhebt die Umlage von den 20 oberbayerischen Landkreisen und den drei kreisfreien Städten München, Ingolstadt und Rosenheim zur Finanzierung seiner Aufgaben. Zielvorgabe ist die Vorlage eines genehmigungsfreien Haushalts. Das heißt, es dürfen keine Kredite aufgenommen und auch in den Folgejahren keine Verpflichtungsermächtigungen mit Krediten finanziert werden.

Über 90 Prozent des Haushaltsvolumens fließen in die sozialen Kernaufgaben des Bezirks. Als größter Posten steigen die Leistungen nach dem Bundesteilhabegesetz (bisher Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen) auf 1.147 Milliarden Euro (plus 8,8 Prozent). Davon gibt der Bezirk für Kinder im Vorschulalter über 115 Millionen Euro (plus 8,2) aus, für Leistungen im Schulalter rund 175 Millionen Euro (plus 7). Der Zuwachs ergibt sich unter anderem durch die weiterhin steigenden Ausgaben für individuelle Begleitungen in schulvorbereitende Einrichtungen, KITA, Schule und heilpädagogischen Tagesstätten von Kindern mit Behinderungen, die mit 50,4 Millionen Euro zu Buche schlagen. Für die ambulante und stationäre Hilfe zur Pflege gibt der Bezirk Oberbayern 2020 rund 275 Millionen Euro aus (plus 15,6). Davon entfallen rund 99 Millionen Euro auf die ambulante und 179 Millionen auf die stationäre Pflege.

 

 

 

 

 

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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