Gastronomie

Gespräch mit Angela Inselkammer, HOGA-Präsidentin

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Wir können Hygiene! – Bayernbund-Interview mit Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes

Frage:

Sehr geehrte Frau Inselkammer, das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört zu den Branchen, die von der Coronakrise am härtesten getroffen wurden. Wie stellen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des völligen gesellschaftlichen Stillstands zu Beginn der Krise aus Ihrer Sicht heute dar?

Die Tatsache, dass Speiselokale und Hotels unter Auflagen wieder geöffnet haben, darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass nach wie vor viele Betriebe existenziell bedroht sind. Und ich spreche hier nicht nur für alle getränkegeprägten Betriebe, also Schankwirtschaften, Kneipen, Bars, Clubs und Diskotheken, die noch nicht einmal eine Eröffnungsperspektive haben. Auch für alle anderen ist es extrem schwierig, die Krise wirtschaftlich zu überleben. Im Gastgewerbe gibt es keine Nachholeffekte, alle Corona-Auflagen kosten viel Geld, zudem werden jetzt gestundete Beiträge fällig und die Tilgung der Überbrückungskredite steht auch noch an. Gleichzeitig spüren wir eine Zurückhaltung seitens der Gäste im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit.

Frage:

Können die Umsatzrückgänge in den verschiedenen Sparten, Hotels, Gaststätten etc. überhaupt aufgeholt werden oder werden wir im Herbst noch viele Insolvenzen sehen?

Unsere Dienstleistungen sind verderblicher als Frischmilch: die Betten, die ich letzte Nacht als Hotelier nicht verkauft habe, kann ich heute nicht nochmals anbieten. Tagungen, Messen und Kongresse werden nicht nachgeholt, sie fallen einfach aus. Dasselbe gilt für die Gastronomie: Das Osterfest ist rum, die Firmungen vorbei, Geburtstage und andere Familienfeiern sind gelaufen, die werden nicht nachgeholt. Aus diesem Grund fürchte ich, dass einige Betriebe die Krise nicht überstehen werden. Auch kann ich keine zwei Schweinsbraten essen, um meinen Wirt zu unterstützen. Aber – und das ist mir sehr wichtig – wir von der DEHOGA Bayern kämpfen um und für jeden einzelnen Kollegen. Wir versuchen, Nischen aufzuzeigen, neue Geschäftsmodelle vorzustellen, wir beraten, unterstützen und versuchen die Rahmenbedingungen gemeinschaftlich mit den politischen Entscheidungsträgern zu anzupassen, dass zumindest ein bisserl mehr geht.

Viele Gäste nutzen in erster Linie die Lokale im Freien, die Sommersaison wird aber in wenigen Monaten zu Ende sein.

In der Tat läuft die Außengastronomie derzeit besser, als das Innengeschäft. Dabei funktionieren die Hygienekonzepte innen ebenso gut. Aber dennoch sind wir auch hier dran, zusätzliche Ideen einzubringen.

Frage:

Funktionieren nach Ihrer Erfahrung die Hygienekonzepte in Hotels und Gaststätten oder müssen wir auch in Bayern mit neuen Corona-Ausbrüchen rechnen wie zum Beispiel in St. Wolfgang in unserem Nachbarland Österreich?

Zum einen muss ganz klar festgehalten werden: Wir leben in einer Zeit der Pandemie und solange es kein probates Gegenmittel gibt, wird es immer wieder ein Aufflammen des Infektionsgeschehens geben. Unsere Aufgabe ist es, die Wahrscheinlichkeit einer Infektion zu minimieren und falls es doch einmal zu einem Ausbruch kommt, diesen möglichst dadurch schnell effektiv zu bekämpfen, dass Infektionsketten nachvollzogen werden können. Auch wenn niemand garantieren kann, dass es in einem gastgewerblichen Betrieb nicht zu einer Ansteckung kommen wird, funktionieren unsere Hygienekonzepte. Unsere Betriebe wenden diese seit Mai an und wir hatten ein ständig sinkendes Infektionsgeschehen. Der Anstieg der letzten Tage kam auch nicht von uns, sondern von außen. Übrigens macht mir das Beispiel St. Wolfgang Mut: Hier konnte das Geschehen schnell erkannt, analysiert und bekämpft werden. Hätte es dort keine Hygienekonzepte gegeben, wäre die Lage sicher viel stärker eskaliert.

Frage:

Welche Wirkung hat in Ihrer Branche die Senkung der Mehrwertsteuer?

Die Senkung der Mehrwertsteuer hat eine ganz enorme Bedeutung und das gleich in mehrere Richtungen: Zum einen ist wenigstens für ein Jahr die sehr deutliche Wettbewerbsverzerrung mit dem gesamten To-Go-Geschäft ausgesetzt. Zum anderen ist es ein Signal seitens der Politik an alle Wirtinnen und Wirte, dass sie nicht vergessen sind. Es ist aber zugleich auch ein sehr wichtiges Signal an die Banken: Die Politik hat unsere Branche nicht aufgegeben. Und zu guter Letzt hilft es jedem Betrieb ganz direkt, denn bei jedem noch so kleinen Umsatz bleibt ein kleines Stückerl mehr in der Kasse, was in Summe dann doch zur Rettung des Betriebes beiträgt. Jetzt gilt es, diese Reduzierung dauerhaft beizubehalten und die Getränke mit einzubeziehen.

Frage:

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das Beherbergungsverbot für Gäste aus Risikogebieten gekippt. Was bedeutet dies in der Praxis?

So verständlich und nachvollziehbar die Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung war, uns alle möglichst gut vor einer Infektion schützen zu wollen, so kompliziert stellt es sich für unsere über 10.000 Beherbergungsbetriebe allein in Bayern dar, bei jedem Gast zu prüfen, woher er kommt und wie es dort mit der Ansteckungsgefahr aussieht. Viel sinnvoller wäre es, eine bundeseinheitliche Regelung zu finden, dass Bürger betroffener Gegenden für eine gewisse Zeit nicht verreisen dürfen. So war es übrigens auch angedacht, nur hätten da die politischen Entscheidungsträger der betroffenen Regionen mitmachen müssen

Frage:

 Was wünschen Sie sich konkret aus heutiger Sicht von der Bayerischen Staatsregierung?

Da fällt mir vieles ein, eines will ich aber auch festhalten: Die Krise hat gezeigt, dass wir alle, Politik, Wirtschaft und Bürger, handlungsfähig sind. Es gibt nichts zu beschönigen, die Lage ist für viele Kolleginnen und Kollegen dramatisch, ja existenziell bedrohend. Das was Generationen vorher aufgebaut haben und was Weltkriege überdauert hat, steht auf dem Spiel. Andererseits bin ich so dankbar, dass ich in dieser Zeit in Bayern leben darf. Wir haben es geschafft, das Infektionsgeschehen so in den Griff zu bekommen, dass im internationalen Vergleich viele staunen, wie wir das geschafft haben. Und auch aus wirtschaftlicher Sicht kenne ich kaum ein Land, das so viel an Unterstützung weitergeben konnte. Die Zusammenarbeit mit Politik, Ministerien und Behörden war gekennzeichnet durch ein gemeinsames Wollen. Gleichwohl habe ich Wünsche: Neben der bereits angesprochenen Entfristung der Umsatzsteuerreduzierung, die jedoch Bundesrecht betrifft und bei der wir die Staatsregierung an unserer Seite wissen, wünsche ich mir, dass endlich Schankbetriebe wieder öffnen können. Hier zeigen viele Beispiele aus anderen Ländern, dass dies gefahrlos funktioniert. Und für alle anderen Betriebe, die unverschuldet in Not geraten sind und nach wie vor nicht öffnen dürfen, um uns alle zu schützen, benötigen wir deutlich mehr an Unterstützungsleistungen. Wir dürfen diese Betriebe nicht verlieren, sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur.

Fragen gestellt von Fritz Lutzenberger, Redakteur der Weiß-Blauen Rundschau, der Mitgliederzeitschrift des Bayernbundes  –  www.bayernbund.de

Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes und Geschäftsführerin des Brauereigasthof Hotel Aying ist Mitglied des Bayernbundes.

Bilder:

Ministerpräsident Dr. Markus Söder zeichnete Sie 2018 mit dem Bayerischen Verdienstorden aus:  „Aufgrund ihres herausragenden Engagements für das bayerische Hotel- und Gaststättengewerbe, insbesondere für dessen beruflichen Nachwuchs, und ihres Einsatzes zur Förderung der Nachhaltigkeit im bayerischen Gastgewerbe durch Verwendung regionaler und qualitativ hochwertiger Produkte hat sich Frau Angela Inselkammer hervorragende Verdienste um das Tourismusland Bayern und seine Bürgerinnen und Bürger erworben, die mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet werden.“  (Foto: Bayerische Staaatskanzlei)

DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer im Gespräch mit dem Bayernbund-Landesvorsitzenden Sebastian Friesinger (links) und WBR-Redakteur Fritz Lutzenberger (rechts)

Um Gastgeber bei der im Rahmen der Corona-Pandemie bestehenden Registrierungspflicht ihrer Gäste zu unterstützen, hat die darfichrein GmbH, ein gemeinsames Tochterunternehmen der AKDB und des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern eine einfache Lösung für dieRegistrierungspflicht auf den Weg gebracht. Digitalministerin Judith Gerlach, die die Schirmherrschaft über das Projekt übernommen hat, betont: „Ungewöhnliche Zeiten erfordern kreative Ansätze. Die Digitalisierung hilft uns bei der Bewältigung der Corona-Krise. Mit dieser cleveren digitalen Lösung kann die erforderliche Registrierung kontakt- und papierfrei erfolgen. Auch hier kann uns die Digitalisierung das Leben ein kleines bisschen erleichtern.“„Unser oberstes Ziel ist es, die Registrierungspflicht abzuschaffen“, erläutert DEHOGA Bayern-Präsidentin Angela Inselkammer, „doch solange es sie noch gibt, wollen wir eine möglichst praktikable und einfache digitale Lösung anbieten. Die Web-Anwendung ermöglicht Gastronomen, der Dokumentationspflicht hinsichtlich der Kontaktinformationen ihrer Gäste einfach und vor allem sicher und datenschutzkonform nachzukommen“. Gudrun Aschenbrenner, Mitglied des Vorstands der AKDB, Digitalministerin Judith Gerlach und DEHOGA Bayern-Präsidentin Angela Inselkammer (v.l.) bei der Vorstellung von darfichrein.de beim Paulaner am Nockherberg.

 

 

 

 

 

 

 

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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