Knapp 70 Bürgerinnen und Bürgern kamen am vergangenen Montagabend im Bürgersaal Neubeuern zusammen. Bürgermeister Christoph Schneider (Unabhängige Neubeurer) und der Marktgemeinderat luden zur Veranstaltung „Neubeuern schafft Wohnraum“ ein.
Schneider berichtete über die Initiativen des in 2020 gewählten Gemeinderats, der mit der generellen Lockerung der örtlichen Bauvorschriften zur Förderung der Nachverdichtung, mit der Außenbereichsatzung Freibichl, dem Seniorenwohnen Fröschenthal schon etliche Initiativen zur Wohnraumschaffung unternommen hat. Ein wesentliches Thema am Informationsabend sollte aber das genossenschaftliche Wohnen werden, welches laut Schneider für die ländlichen Gemeinden künftig eine große Chance sein könnte, um die bestehenden örtlichen Strukturen erhalten zu können. Das genossenschaftliche Modell habe viele Zielgruppen: junge Familien, die sich kein Eigentum leisten könnten, Singles und Pärchen in einer sogenannten Starterwohnung, aber auch Seniorinnen und Senioren, welche auf der Suche nach einer barrierefreien Wohnform seien.
Deshalb habe man sich in den letzten Jahren über verschiedene Modelle erkundigt und letztlich sei man mit der Wasserburger Wohnungsbaugenossenschaft eine Kooperation eingegangen. Der Geschäftsführer Martin Hintermayr präsentierte sein Unternehmen und zeigte auf, dass eine Genossenschaft nicht kurzfristige Renditeziele verfolge, sondern gemäß seiner Satzung verpflichtet sei seine Mitglieder mit guten, sicheren und sozial verantwortbaren Wohnungsverhältnissen zu versorgen. Der Mieter sei also auch Mitglied in der Genossenschaft, würde auf der jährlichen Generalversammlung seinen Vorstand wählen, habe eine starke Mitsprache und wäre sogar vor Eigenbedarfskündigungen geschützt. „Das ist sozusagen ein eigentumsähnliches Mietverhältnis“, so Hintermayr.
Die Genossenschaft verfolge neben dem Hauptziel seine Mitglieder mit Mieten unter dem ortsüblichen Niveau zu versorgen, auch energiepolitische und demographische Vorhaben. So würden bereits 75% der Wohnungen mit erneuerbaren Energien versorgt werden, 2/3 der Wohnungen seien mittlerweile barrierefrei umgerüstet. Dies würde auch dadurch ermöglicht, dass die Rendite aus dem Mietbetrieb nicht an Vorstände oder Geschäftsführer ausgeschüttet werde, sondern direkt in Instandhaltungsmaßnahmen reinvestiert würde.
In der Marktgemeinde Neubeuern seien zwei Projekte angedacht bzw. auch schon in Umsetzung: Im Mutzenweg 10 entstehen derzeit fünf genossenschaftliche Wohnungen in Größen zwischen 60 und 110 qm, die je nach Verlauf der Baustelle bis Ende 2023 bezugsfertig sein könnten. In der Rosenheimer Straße könnte mittelfristig eine größere Wohnanlage mit bis zu 25 Wohneinheiten entstehen. Hier habe man sich in den letzten Monaten intensiv mit Gemeinderat, Architekt, Bebauungsplaner und auch dem Kreisbaumeister beraten, wie man eine Wohnanlage in die ländliche Gemeinde integrieren könnte.
Eine Diskussion unter den Bürgern entstand vor allem im Hinblick auf die Vergabekriterien der Wohnungsbaugenossenschaft. Bürgermeister Schneider und Geschäftsführer Hintermayr erklärten, dass es bei den Bauprojekten eine exklusive Erstvermietungsphase ausschließlich für Bürgerinnen und Bürger aus Neubeuern geben wird. Solange diese läuft, dürfe die Wohnungsbaugenossenschaft keine Mietverträge mit Ortsfremden abschließen.
Parallel zur Erstvermietungsphase, aber auch im Nachgang sollten wieder Wohnungen frei werden, bestünden feste Vergabekriterien, die auch vertraglich zwischen Gemeinde und Genossenschaft fixiert seien. Zu diesen gehören:
- Bestehende Verbindung des Bewerbers zum Wohnort (z.B. Mitgliedschaft in Vereinen, bereits Wohnort in Neubeuern, sind Kinder in örtlichen Schulen oder Kindertageseinrichtungen, gibt es Angehörige am Ort)
- Entfernung zum Arbeitsplatz
- Auswirkungen auf die Hausgemeinschaft (Vermeidung einseitiger Belegungsstrukturen)
- Vorrang von schwerbehinderten Menschen, Alleinerziehenden, Familien mit Kindern
- Niedrigeres (ausreichendes) Einkommen vor hohem Einkommen
Ein Vergabeausschuss bespricht die Bewerbungen im Hinblick auf die Kriterien und muss dann eine nachvollziehbare und dokumentierte Entscheidung treffen, die auch vom Aufsichtsrat überprüft wird.
Mit dem genossenschaftlichen Ansatz versprechen sich Marktgemeinderat und Bürgermeister ein Wohnangebot, welches den Ort aktiv und lebenswärt hält.