Als sie 1928 auf einem Bergbauernhof in Pfarrwerfen geboren wird, sind viele im Land vom Ersten Weltkrieg traumatisiert. Die Not der 1930er Jahre erlebt sie als Kind hautnah und dann natürlich auch die ganzen Schrecken, die der Zweite Weltkrieg mit sich bringt. Die geborene Lienbacher ist ein gescheites und ehrgeiziges Dirndl, das Pädagogin wird und sodann als Volksschullehrerin im Pinzgau unterrichtet.
“A bissl kennt ma scho, dass‘da Pongauerin bist”, sagen hier die Einheimischen. Und die Großmutter im Pongau meint wiederum: “Mei, i versteh di neama. I woaß nit, wiasd du hiatz schatzt.” – Soviel zu den feinen Unterschieden in Aussprache, Betonung, Wortschöpfung schon in kleinräumigen Lebensbereichen! Im Dialekt zu schreiben, musste erst Stellenwert bekommen, und dabei werden Barbara Rettenbacher-Höllwerth und ihr Mann August wichtige Leitfiguren. „In der Mundart ist ja so unglaublich viel drin“, schwärmt Barbara Rettenbacher-Höllwerth zeitlebens.
Ab 1950 lebt sie in Niedernsill, ehelichte Alois Höllwerth und daraus entstammt ein Sohn und zehn Jahre nach Tod des Gatten folgte die Zweitehe mit dem Mundartdichter August Rettenbacher, die sich eingehend mit der regionalen Sprache beschäftigten. Erste Veröffentlichungen sind vier Gedichtbändchen in Mundart mit Einschluss von Prosatexten und Szenen für Märchen- und Hirtenspiele (1985 zweiter Preis beim Mundartwettbewerb des SBW „Sagen und Schwänke“). Daneben forschen die beiden in den Bereichen Heimatgeschichte und Mundartkunde, verfassen die Chroniken von Niedernsill und St. Koloman, ebenso die Abhandlung „Die Mundartdichtung in Salzburg“ sowie das Adventbüchlein „Lippei, steh auf“. Barbara schafft auch die Texte für einzelne Liedkompositionen ihres Mannes (Verlag Wöginger, St. Koloman). Von ihr kommt 1992 im IKS-Verlag das Lexikon „Unsere Mundart zwischen Gråsberg und Tauern“ und eine Mundart-CD heraus, das der TAURISKA-Verlag weiterführt. Die „TAURISKANER“ nutzen auch sonst das große Potenzial dieser Mundartdichterin. So ist diese beteiligt an ihrem Buch „Sprache und Essen“ und vom Werk „Tauernbleame“ ist sie die Autorin. Dies in Zusammenarbeit mit Feri Robl und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Im Oktober 2000 wird Barbara Rettenbacher-Höllwerth für ihr Lebenswerk mit dem „Walter-Kraus-Preis“ ausgezeichnet, und in Niedernsill wird unter ihrer Führung das TAURISKA-Mundartarchiv im Samerstall eröffnet. Die Sammlung hiefür (Mundartliteratur aus der Region, Wortschatz und Sprachmerkmale) wird 1988 vom Landesbeauftragten für Kulturelle Sonderprojekte, Prof. Alfred Winter, angeregt. 2001 wird diese durch die Video-Edition „Literarische Schatzkammer“, einem Projekt des Landes Salzburg mit dem Verein TAURISKA in Neukirchen (Video-Aufnahmen von Margit Gantner von 34 vorwiegend in Mundart Schreibenden im Pinzgau), bereichert.
Die „Niedernsiller Stund“ wird von Barbara, ihrem Mann August Rettenbacher, von Willi Aigner, Maridi Steiner, Bürgermeister Erwin Brennsteiner, Alfred Winter und den TAURISKANERN ins Leben gerufen und wird heute von Gerlinde Allmayer organisiert und durchgeführt. Diese Veranstaltung, die heuer das 36. Mal unter dem Titel „Berg und Toi“ (Mi 27. Sept. 2023 um 19.00 Uhr im Samerstall) stattfindet, trägt in erheblichem Maße dazu bei, den Dialekt zu stärken und seine Bedeutung zu erhalten.
Die Betreuung des TAURISKA-Mundartarchivs mit Unterstützung von Mitarbeitern erfüllte neben literarischen Arbeiten die Altersjahre von Barbara Rettenbacher-Höllwerth mit viel Freude. Am Dienstag, dem 29. August 2023, wenige Tage nach ihrem 95sten Geburtstag, ist sie verstorben. Wir werden sie stets in dankbarer und lebendiger Erinnerung behalten. Ihr Wirken war außergewöhnlich und ein großes Geschenk für unsere Salzburger Volkskultur.
Bericht und Fotos: Verein Tauriska