Von Karl J. Aß, Kreisheimatpfleger und Leiter des Priener Heimatmuseums
Mit Georg Baselitz ist sie wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt: Die Kunst des Nationalsozialismus. Auslöser ist die Forderung des zeitgenössischen Künstlers ein Werk, des „Reichsschamhaarmalers“ Adolf Ziegler, aus dem Jahr 1937, in der Pinakothek der Moderne in München abzuhängen.Zeitgleich zeigt das Heimatmuseum Prien nach nunmehr über 40 Jahren erstmals wieder eine Retrospektive zur Künstlergruppe der „Frauenwörter“, die im Mai 1921 auf der Fraueninsel, im ehemaligen Vikarhaus, der heutigen Torhalle, ihre erste Ausstellung zeigte.
Mitglieder dieser losen Vereinigung waren Künstler, die in den Folgejahren nach 1933 reüssierten und von der diffusen nationalsozialistischen Kunstpolitik vereinnahmen ließen oder sich anbiederten. Wirtschaftlichen Hintergründe und Zwänge veranlassten damals die Künstler die Städte zu verlassen und auf dem Land ihr Glück zu suchen. Es war für die damalige Zeit ein gewagter, völlig neuer und innovativer Versuch sich auch im Kunstbetrieb eine neue, ökonomisch ergiebige Position zu schaffen, die einheimische Bevölkerung und ein gehobenes touristisches Publikum als Kunden zu gewinnen. Die drei Gründungsmitglieder der Gruppe waren: Thomas Baumgartner (1892-1962), Constantin Gerhardinger (1888-1970) und Hiasl Maier-Erding (1894-1933). Dazu kommt schon sehr früh Hermann Groeber (1865-1935) und Anton Müller-Wischin (1865-1949). Die „Frauenwörther“ waren in ihrer Weltanschauung konservativ, nationalistisch ja wohl reaktionär. Zunächst wohl als Anhänger der Monarchie ausgerichtet, insbesondere Hiasl Maier-Erding und Thomas Baumgartner, standen sie wohl bald, sicher auch unter dem Einfluss des Münchner Akademieprofessors Hermann Groeber dem Nationalsozialismus nahe.
Hiasl Maier-Erding kam 1907 kam als Malerlehrling nach Prien. Dem Besuch der Kunstgewerbeschule folgte ab 1912 das Studium an der Münchner Kunstakademie. Ab 1919 lebte er beständig am Chiemsee in Gstadt. Maier-Erding zählte neben seinem Freund Thomas Baumgartner zu den herausragenden Vertretern der Gruppe. Sein früher Tod im Alter von 38 Jahren im Jahr 1933 bewahrte ihn vor der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten. Der gebürtige Münchner Thomas Baumgartner war ab 1911 an der Münchner Kunstakademie bei Angelo Jank, später wohl bei Hermann Groeber eingeschrieben. Auf der Internationalen Kunstausstellung 1913 im Münchner Glaspalast erhielt er mit 21 Jahren die Goldmedaille für ein Porträt. Baumgartner fand als „Bauernmaler“, mit seinen Gemälden aus dem „bäuerlichen Genre“, das er schon von Anfang an in seiner Kunst zelebrierte, großen Anklang und stellte seit 1937 bis 1944 im Haus der Deutschen Kunst aus. 1943 wurde er zum Professor ernannt. Sein Werk bestimmen vorrangig Porträts.
Über einen publizierten Briefverkehr ist die politische Haltung Constantin Gerhardinger weitgehend bekannt. Er lernte Thomas Baumgartner wohl schon 1911 an der Münchner Akademie kennenlernte. Seine künstlerische Ausbildung erhielt Gerhardinger bei Angelo Jank und wohl bei Adolf Hengeler in München. 1938 wurde er zum ordentlichen Professor an der Kunstakademie München ernannt. Trotz seiner Nähe zum Nationalsozialismus und zu Adolf Hitler und als Großverdiener bei den Ausstellungen im Haus der Deutschen Kunst weigerte er sich ab 1943 die Große Deutsche Kunstausstellung zu beschicken und fiel in Ungnade. Nach 1945 wurde er Präsident der Münchner Künstlergenossenschaft.
Der im politischen Zusammenhang wohl interessanteste Künstler der „Frauenwörther“ ist: Hermann Groeber, der schon ab 1923 seine Arbeiten in der Ausstellung der „Frauenwörther“ zeigte und bald, auch auf Grund seiner gesellschaftlichen Stellung, deren künstlerischen Mittelpunkt bildete. Er engagierte sich schon früh in der NSDAP, deren Mitglied er bereits 1921/22 wurde. Groebers geistige Nähe zum Nationalsozialismus manifestierte sich endgültig 1928, als er offiziell Förderer der neu gegründeten –völkisch gesinnten, antisemitischen– „Nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur“ wurde, die später in „Kampfbund für deutsche Kultur“ umbenannt wurde. Groeber war seit seiner Kindheit in Eggstätt und Prien ein enger Freund Ludwig Thomas.
Der Landschaftsmaler Anton Müller-Wischin ist künstlerisch als Autodidakt zu sehen. Erst im Alten von über 30 Jahren besuchte die private Malschule von Heinrich Knirr in München. Ab 1907 nahm er an Ausstellungen der Münchner Künstlergenossenschaft teil, schon ab dem Jahr 1921 gehörte er der Künstlergruppe der „Frauenwörther“ an. 1925 wurde ihm der Ehrentitel eines Professors verliehen, eine Lehrtätigkeit war damit nicht verbunden. Von 1937 bis 1944 war er auf allen Großen Deutschen Kunstausstellungen im Haus der Deutschen Kunst in München mit insgesamt 49 ausgestellten Werken vertreten und stand 1944 in der „Gottbegnadeten-Liste“ des nationalsozialistischen Propagandaministeriums.
`“Angepasst, Aufrecht oder Entartet“ in der Zeitschrift aviso 3 von 2016 setzt sich der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Bernhard Maaz mit der Problematik von Kunst und Künstler im Nationalsozialismus auseinander. „Es ist ein Umgang mit einem schwierigen Erbe, mit Kunst von Künstlern, die dem nationalsozialistischen System nahestanden und damit inakzeptable sind, oder mit Kunst von Künstlern, deren Anliegen es war das Regime schadlos zu überstehen.“ Ganz berechtigt sagt er dazu: „Die Geschichte fordert Differenzierung und Auseinandersetzung.“ Hier natürlich auch die der Gruppe der „Frauenwörther“. Explizit erwähnt Maaz hier Hans Müller-Schnuttenbach, ebenfalls ein Mitglied der „Frauenwörther“, dessen „Fokussierung auf die Innensicht und Verhaltenheit dem Künstler durch die Zeit des Nationalsozialismus (half)… Auch das konnte ein Ausweg sein, in Deutschland den Nationalsozialismus – gegebenenfalls mit Kompromissen – durchzustehen.“ Letztendlich ist heute in dieser Frage Diskurs und Auseinandersetzung statt Verdrängen, notwendig!
Ein Großteil der Angriffe auf Künstler, die in der Zeit des Nationalsozialismus an Ausstellungen beteiligt waren oder sich dem politischen System angebiedert haben, resultiert heute auch mit dem Versuch der Künstler, ihrer Nachkommen oder Bearbeiter, vielfach auch dem Kunsthandel, die Jahre von 1933 bis 1945 in den Biographien auszuklammern. Schon die unbedingt notwendige Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer zu erwähnen, war für viele inakzeptabel. Eine Ausstellungsbeteiligung an der Großen Deutschen Kunstausstellung in München nicht zitierbar. Diese 12 Jahre blieben in den Biographien weiße Flecken. Auch zahlreiche Chiemgauer Künstler unterzogen sich diesem „clean washing“. Aber es sollte hier keinesfalls relativiert werden! Zahlreiche Künstler waren gezwungen in die Emigration oder in die innere Emigration zu gehen. Und es gibt auch die Künstler, die sich dem Nationalsozialismus verweigerten. Auch bei den „Frauenwörthern“. Hier Prinzessin Clara von Bayern, als Wittelsbacherin zu nennen ist müßig. Man kann an Hermann Euler und Daisy Campi denken, oder auch an Heinrich Heidner, der sich nach einer Ausstellungsbeteiligung auf Frauenchiemsee im Jahr 1921, wieder von der Gruppe löste. Wenn man weiß, dass er von 1933 bis 1945 nicht mehr ausgestellt hat, ahnt man auch warum. Es sind aber auch nur wenige, die harte Konsequenzen ziehen mussten. So Karl Caspar in Brannenburg der als Professor an der Kunstakademie München entlassen wurde und dessen Bilder als einzigem in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt wurden. Versuche die regionale Kunst im Nationalsozialismus aufzuzeigen und zu bewerten gab es bisher nicht viele. So 2017 in der Städtischen Galerie in Rosenheim unter dem Titel „vermacht, verfallen, verdrängt. Kunst und Nationalsozialismus“.
Die Priener Retrospektive soll nunmehr die Bewertung der Kunst dieser verhängnisvollen Jahre ermöglichen. Sie ist der Versuch eine kritische, wissenschaftliche Auseinandersetzung anzustoßen. Während die künstlerische Qualität zumeist bewundert wird, geht der zeithistorische Kontext verloren. Gerade die Künstler in der zweiten Reihe werden gerne als „Nazikünstler“ bezeichnet, während international bekannte Künstler, wie Emil Nolde einen politischen Freibrief, nicht zuletzt durch das hochpreisige Wort des Kunsthandels, „entnazifiziert“ werden. Der SZ Musikkritiker Reinhard J. Brembeck hat es kürzlich im Bereich der Musik auf den Punkt gebracht, als er Richard Strauß als „zeitweiligen Nazisympathisanten“ bezeichnete. So geht das natürlich auch!
Text: Karl J. Aß – Bilder: Heimatmuseum Prien
Die Retrospektive ist noch bis 30. Oktober, täglich außer Montag, 13 bis 17 Uhr, zu sehen. Sonntag, 30. Oktober, durchgehend von 10 bis 17 Uhr. Kreisheimatpfleger Karl Josef Aß gibt an diesem Sonntag um 14.30 Uhr und um 16 Uhr eine Einführung in das Thema.