Auch am Tag danach standen die Besucher des Kabarettabend im Jubiläum des Oberwössner Trachtenvereins D‘Rechlberger unter dem Eindruck dieser Veranstaltung. Sprachlich, musikalisch wie darstellerisch war es ein Genuss, was Gerhard Polt und die Well-Brüder auf die Festzeltbühne brachten. Das muss man erst einmal bringen: In einem rappelvoll besetzten Festzelt die bayerische Bierzeltkultur überspitzt und hart vor Augen zu führen und dafür dröhnenden Applaus und kräftiges Gelächter der wohl über tausend Gäste einzufahren.
Polt berichtet vom Fest zum 125-jährigen der Feuerwehr in Hausen. „Vom Jubiläum haben wir schon zwei, ach drei Jahre vorher gewusst. Es sollte etwas Kulturelles werden, so haben wir ein Bierzelt aufgestellt.“ Im Wettbewerb der Vereine lag die Feuerwehr mit ihrem Jubiläum weit vorn. 8900 Essen wurden ausgegeben, zitiert Polt aus dem vermeintlichen Vereinsprotokoll, darunter über 2000 ganze Hendl und 11 Fischsemmel. Besonders stolz ist der Verein auf über 20000 Liter getrunkene Bier, ohne Weißbier. Da hat der Bräu gleich 20 Fässer Weißbier für eine erfolgreiche Jugendarbeit gespendet. „Drogen schaden auch Dir“ stand groß über dem „Enzianzelt“ der Feuerwehrjugend, berichtet Polt. Die Jugend führte von jedem verkauften Schnaps 10 Cent, insgesamt über 7000 Euro an die Drogenprävention ab, zeigte sich Polt stolz.
Alkoholprobleme in der bayerischen Familie war Thema eines Radiointerviews. Mit der Darstellung einer erfolgreichen Karriere als Trinksportler, der Vater, und Kampftrinker, der Sohn, nahm Polt zugleich die unsinnigen Radio- und Fernsehformate auf das Korn, die mit sozialen Abgründen Zuschauer unterhalten. Polts Beiträge setzen sich immer gleich mit zwei, drei Themen in einem Beitrag auseinander. So gelingt es, zugleich das Erziehungsziel der Eltern, das Studium zu überspitzen, die Rolle der Frau in der Beziehung und den Umgang der Menschen untereinander zu kritisieren. In Kurzform beschrieben, beklagt sich Polt, dass alle Töchter Psychologie studieren, um das Wissen in der Ehe anzuwenden. Dabei würde doch gesunder Menschenverstand ausreichen. Männer sind dagegen oft deppert, wie sein Freund Karli, der ihm jederzeit Geld leiht. Manche Frau heiratet doch schnell mal so einen Deppen wie den Karli. „Nach relativ kurzer Zeit merkt sie dann, was sie sich für Schrott an Land gezogen hat. Frauen sind dann zu stolz zuzugeben, dass sie einen Teil des Lebens an so einen Typen verschissen haben. Zukünftig nehmen sie ihn dann in Schutz.“ Kinder sind behütete Helmkinder, die Mütter im Geländewagen gezopfte Helikopterschnecken, die mit Champagnerpartys den Übertritt aufs Gymnasium feiern. Über das Haus der Geschichte führt Polts Weg zu Seehofer, Söder, Stoiber und Strauß, die alle ihr Fett abbekommen. Die bayerische SPD kommt da besser weg, denn die genießt inzwischen Artenschutz. 77 Jahre jung ist der Polt jetzt. Hinter der bayerischen Bedächtigkeit, mit der er seine Vorträge beginnt, steckt ein blitzgescheiter Kopf. So lustig und humorvoll, so bissig, sarkastisch und ironisch sind die Beiträge. Dabei sitzt jede Betonung, Denkpause, Pointe. Nie verhaspelt er sich, auch wenn er auf hohem sprachlichem Niveau durch Dialekte und Sprachen wandert. Zwei auch sprachlich verschiedene Personen in einem Beitrag darzustellen, ist für Polt kein Problem. Unvergleichlich, wie er die Stimmungen vermittelt. Er beginnt ruhig im bedächtigen Ton, strotzt kurz darauf breitbrüstig vor Stolz, ehe er über eine Presseschreiberin in eine Granatenwut gerät.
Ein Höhepunkt des Abends war, als Polt einen indischen Pfarrer einer bayerischen Gemeinde spielte, unterwegs im Auftrag von Kardinal Reinhard Marx. Michael Well interviewt ihn auf Schulenglisch, gelesen vom Blatt. Polt beherrschte seinen langen Widerpart perfekt, switcht zwischen Englisch, Indisch, und einem Indisch-bayerisch, als wäre das nichts. Und mit Michael Well wären wir bei den anderen Protagonisten des Abends. Die Well-Brüder Karli, Stofferl und Michael Well stehen Polt in nichts nach. Allerdings ist ihre Exzellenz die Musik, Musik auf einer Zahl unendlicher Instrumente und in allen Stilrichtungen auf perfektem Niveau gespielt. Vieles ist kompositorisch verändert, überspitzt, aber immer hoch witzig und erstklassig vorgetragen und gesungen. Georg Friedrich Händels Feuerwerkmusik entstand nicht in London, sondern in Hausen. Auf der Durchreise von Wien nach London erlitt Händel in Hausen am vermaledeiten Kreisverkehr einen Fahrzeugschaden. Er musste in Hausen auf die Reparatur warten und schrieb in der Zeit das Original, die „Feuerwehrmusik“. Die Originalversion im Blasmusikcharakter grub der dortige Ortsheimatpfleger aus, die Well Brüder spielten sie. Dazu Mimik, Gestik und witzige Texte in der Anmoderation. Zwischen Tuba, Flöte, Alphorn oder Ziach streute Michael Well schon mal einen Plattler oder einen Irish Dance auf den Fußspitzen. Das Publikum war hin und weg, auch wenn einige – wie Altbundespräsident Horst Köhler – mit dem geballten Dialekt etwas Probleme haben. Statt drei, hätte es gern auch sechs Zugaben sein dürfen. Unmittelbar darauf unterhielt in der Bar die Formation Boarisch Six. Und während viele Gäste den Abend und einen grandiosen Abschluss des Festwochenendes in Oberwössen feierten, begannen die Oberwössner Trachtler bereits mit dem Abbau der Biertischgarnituren im Hauptzelt.
Bericht und Fotos: Ludwig Flug – info@ludwigflug.de