Egal ob in der Ebene oder auf der Alm, Diebstahl macht auch vor höchsten Höhen nicht halt; ein Firstbaum, der nicht gestohlen wird, schafft keine sichere Dacheindeckung. Der Firstbaum auf dem Oberkaser am Geigelstein, der zurzeit auf 1500 Meter Höhe wieder neu gebaut wird, wurde von zunächst unbekannten Dieben gestohlen „Weil der Firstbaum des Kasers unbewacht herumlag, stellten ihn die Almbauern von den Nachbaralmen solange sicher, bis er zum Eindecken des Daches gebraucht wurde“, erklärte Nachbar Wast Pertl von der Sulzingalm. So gab es schließlich ein gutes Ende: die Firstbaumdiebe entpuppten sich als die Almleute am Oberkaser und so gaben sie gegen eine freundliche Spende das sperrige Raubgut wieder heraus.
Seit Sebastian und Vroni Steinbeisser vor zwei Jahren das Weiderecht auf dem Oberkaser erwarben sind sie damit beschäftigt, die traditionsreiche Hütte auf dem Weg zum Geigelstein wieder herzurichten. Der Oberkaser wird derzeit komplett neu aufgebaut und hergerichtet, um den Erhalt der Almbewirtschaftung auch für die nächsten Generationen zu sichern.
Ungewollt bekannt wurden der Oberkaser und die Sennerin Maria Furtner, die Oberkaser Mare, als der Kaser im Winter 2009 von einer Lawine verschüttet wurde und nur noch der Kamin zu sehen war, was ihr vermutlich das Leben rettete. Die Bergwacht legte einen Zugang zur Hütte frei und brachte die Seniorin ins Tal, die jedoch nach zwei Tagen auf eigenen Wunsch wieder auf die Alm und zu ihren Hauskatzen zurückkehrte. Die „Oberkaser-Mare“ verstarb 2017 im Alter von 92 Jahren auf der Oberkaseralm. Von 1941 bis 2017 lebte sie alleine auf der Alm und verbrachte bis ins hohe Alter auch die Winter auf der Alm, nachdem das Vieh an Michaeli schon längst ins Tal getrieben wurde. In ihrer Biographie „Harte Tage, gute Jahre“ hat Christiane Tramitz der Sennerin vom Geigelstein ein Denkmal gesetzt. Unbewohnt und von mehreren schweren Wintern mit zahlreichen Lawinen gezeichnet, stand der Almkaser nach ihrem Tod viele Jahre leer. Mit Sebastian und Vroni Steinbeisser zieht nun wieder junges Leben in den alten Kaser ein. Die verfallende Almhütte wird wieder hergerichtet und für die nächsten Jahrzehnte mit einem neuen Dachstuhl ausgestattet.
Diese Bauarbeiten blieben den aufmerksamen Almnachbarn von der Sulzingalm nicht unbemerkt und in einem geeigneten Moment stahlen sie unbemerkt den Firstbaum und brachten ihn zur Sulzingalm. Nach einem kurzen Telefongespräch mit den Eigentümern wurde die Übergabe des „Diebesgutes“ für den nächsten Tag ausgehandelt. Mit Latschen geschmückt brachte eine übermütige Gruppe von Sennern und Sennerinnen, Almnachbarn der Schreck- und Sulzingalm, Freunden und Bekannte der Almen das gute Stück dem Eigentümer zurück. Erst nach zähen Verhandlungen und der Drohung durch den Verhandlungsführer der Firstbaumräuber“ Wast Pertl, ein Stück des Firstes mit der Kettensäge abzuschneiden und somit unbrauchbar zu machen, gab es dann schnell eine Einigung: Die Nachbarn wurden mit ausreichend Kaltgetränken und flüssigem Obst versorgt und alle Diebe sind zur späteren Hebfeier mit Musik eingeladen. Wast Pertl überreichte dem Eigentümer nach dem erfolgten Handschlag einen geschmückten Latschenboschen als Zierde für die Stirnseite des Firstes. Schnell hob die ganze Mannschaft den schweren Firstbaum auf die vorgesehene Stelle und es wurde auf dem Oberkaser noch lange geratscht und gefeiert. Die Oberkaser Mare häte ihre Freude an diesem Hoagascht gehabt. Die Sennerleut von der Sulzingalm Hermine Schwojer und Franz Kinne, Sepp Klinger, der Senner von der Schachenalm, Angela und Wast Pertl, die Almleute von der Sulzingalm, Peter Pfaffinger, der Almerer von der Schreckalm, Ludwig Wörndl, der ehemalige Senner von der Aberg- und der Schachenalm sowie Hans Schlutt und Albert von der Sulzingalm feierten gemeinsam mit den neuen Oberkaseralmleuten Sebastian und Vroni Steinbeisser.
Bericht und Fotos: Heinrich Rehberg