Der Deutsche und Bayerische Trachtenverband betrauern den Tod ihres Ehrenvorsitzenden Otto Kragler, der am Feiertag Heilig-Drei-König im gesegneten Alter von 95 Jahren verstorben ist. Die Trauerfeierlichkeiten finden am Mittwoch, 15. Januar um 10.30 Uhr in der Kirche St. Peter und Paul in München-Trudering sowie um 12.45 Uhr im Friedhof vom Perlacher Forst statt. Mit einem Interview, das vor fünf Jahren zum 90. Geburtstag geführt wurde und mit einigen Bildern wollen wir an das schaffensreiche Leben von Otto Kragler erinnern.
Zum 90. Geburtstag im Jahr 2014 – ein Gespräch mit Otto Kragler, Ehrenvorsitzender des Deutschen und Bayerischen Trachtenverbandes
1. Lieber Otto, Dein Trachtenverein ist der Verein Alt-München e.V., dem Du 60 Jahre aktiv verbunden bist. Wie kam es 1953 dazu, dass Du dich einen Trachtenverein angeschlossen hast?
1953 war es ein reiner Theaterverein mit dem Namen „Volkspielbühne Almenrausch“ der überwiegend Volksstücke aufführte. Meine Frau und ich wurden 1952 zur Weihnachtsfeier eingeladen, dort fiel der Musikant aus und wir sprangen ein: meine Frau am Schlagzeug, ich am Klavier. Und schon hatten wir einen Aufnahme-Antrag zur Hand und wurden 1953 mit meinen insgesamt 6 Musikanten als Vereinskapelle aufgenommen. Ich verfasste mein erstes Volksstück „Der Bettelbua“, das Weihnachten erfolgreich aufgeführt wurde. Im Laufe der .kommenden Jahre wurden von mir über 40 kurze und lange Volksstücke verfasst und vom Verein aufgeführt. Bereits ein Jahr später wurde ich zum Vorstand gewählt. Wir haben nun auch bei den Theateraufführungen mitgewirkt und das bis über 50 Jahre mit fünf bis sechs Aufführungen im Jahr. Dann mussten wir leider unsere Bühne wegen Wirtswechsel verlassen.
2. Was waren die wichtigsten Ämter, Aufgaben und Ereignisse in den sechs Jahrzehnten bei Deinem Verein, beim Gau und beim Landesverband?
Zu den wichtigsten Ereignissen zählt wohl die Wiederbelebung der Münchner Bürgertracht. Der Verein wurde gebeten, beim Fest 100 Jahre Eingemeindung von Haidhausen und Au beim Festzug mitzuwirken. Wir haben uns bei einem Maskenverleih Münchner Trachten (oder was diese dafür hielten) ausgeliehen und meine Frau saß als Münchner Kindl auf dem Dach meines DKW Baujahr 1937. Der Beifall ermunterte uns, uns daraufhin beim Gaufest zu beteiligen. Bayerische Trachten hatten wir ja vom Theater und so sagten wir zu. Das war unsere erste Verbindung mit der Trachtenbewegung und es blieb nicht damit. Wir waren mehrmals dabei, so auch bei einem Fest in Landshut, wo die neue Landshuter Volkstracht vorgestellt wurde. Dort tauchte bei unserem Verein die Frage auf, ob wir das nicht auch mit der Münchner Tracht machen könnten. Nach der dritten Maß Bier (es hatte über 30 Grad Wärme) wurde beschlossen, das zu tun. Wir ahnten nicht, wie viel Schwierigkeiten überwunden werden mussten. Vor dem Krieg gab es nur eine Münchner Trachtengruppe, deren Trachten im Vereinslokal untergebracht waren, wo sie dem Luftkrieg zum Opfer fielen. Der damalige Bezirks-Heimatpfleger sagte. „Es gibt in der Stadt keine Trachten, nur am Land“. Ich gab mich damit nicht zufrieden. Da ich beruflich viel in Bibliotheken, insbesondere in der Bayerischen Staatsbibliothek zu tun hatte, tippte ich einmal den Bereich „Trachten in München“ an und siehe da, es gab eine Unmenge Schriften, Berichte, Beschreibungen und Bilder aus der Zeit um 1800. Ich begann, das Wichtigste zu kopieren und zu registrieren. Schließlich hatten wir die wichtigsten Punkte beisammen und meine Frau begann Schnitte anzufertigen, wieder zu vernichten, neue zu entwerfen, bis sie zu unserer Zufriedenheit ausfielen. Nun kam die nächste Schwierigkeit: die Beschaffung der Trachtenstoffe, Mieder, Riegelhauben usw. Wir leerten unsere Sparbüchsen und begannen für die ersten Trachten einzukaufen. Schließlich hatten wir die ersten sechs Trachten, mit denen wir unsere Musiker einkleideten. Dies fand im Verein so großen Anklang, dass fast alle diese Trachten wollten. Bald wurden wir in der Stadt München auf uns aufmerksam und diese lud uns zur Mitwirkung beim großen Münchner Oktoberfestzug ein. Es mussten aber mindestens 30 Personen in Tracht sein. So begann das große Zuschneiden, Nähen und die Beschaffung historischer Stücke. Wir durften die Festkutsche des Oberbürgermeisters Hans-Jochen-Vogel begleiten. Seitdem sind wir alle Jahre dabei und begleiteten die Oberbürgermeister Kronawitter, Kiesl und Ude, schließlich auch Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Wir gaben dem Verein den neuen Namen „Bürger-Theater und Trachtengruppe Alt -München e.V.“. Oberbürgermeister Christian Ude hat meine Frau und mich mit der „Ehrenmedaille der Stadt München für Verdienste um die Volkskultur in München“ ausgezeichnet.
Ebenso ein unvergessliches Erlebnis sind auch die Besuche von vier Trachtenfesten des Gauverbandes Nordamerika und Kanada in Montreal, Toronto, Los Angeles und New York mit der Trachten- und Musikgruppe.
Schließlich brachte mich meine Vereinstätigkeit zu weiteren Ämtern und ich war 30 Jahre Schriftführer beim Trachtengau München und Umgebung, 20 Jahre Schriftleiter bei der Deutschen Trachtenzeitung, 16 Jahre Geschäftsführer und 1. Vorstand beim Landesverband Bayerischer Heimat- und Volkstrachtenvereine und 18 Jahre Präsident des Deutschen Trachtenverbandes, den ich mit zwei Landesverbänden übernahm und mit allen Landesverbänden in Deutschland einschließlich der neuen Bundesländer meinen Nachfolger als Mitgliedsverbände übergeben konnte. Ein besonderes Ereignis war die Durchführung des ersten Gesamtdeutschen Bundes- Trachtenreffens in Wechmar/Thüringen mit allen Landesverbänden und über 40000 Zuschauern in einen Ort mit 1.700 Einwohnern.
3.Wie war Euer Verein und Gau München und Umgebung damals in Bayern und Deutschland strukturiert und organisiert. Was waren die wesentlichen Festlichkeiten und Aufgaben.
Der Verein war Mitglied im Trachtengau München und Umgebung und über den Gau auch Mitglied im Landesverband Bayerischer Heimat und Volkstrachtenvereine und im Deutschen Trachtenverband. Im Gegensatz zu jetzt galt jedes Vereinsmitglied auch als persönliches Mitglied im Bayerischen und Deutschen Verband. Heuer waren wir zum 44. Mal in Folge beim großen Oktoberfestzug dabei. Mit dem Vorsitzenden der Vereinigten Bayerischen Trachtenverbände Hans Zapf hatte ich stets ein gutes Verhältnis und alle wichtigen Entscheidungen wurden von uns gemeinsam besprochen. So auch die Verhandlungen zum Zusammenschluss. Wir gingen nur in einer Meinung auseinander, ich wollte den Sitz nach München legen, die Vereinigten in Traunstein bleiben. Leider konnte ich mich nicht durchsetzen.
4. Ein so intensives Leben mit der und für die Tracht kann man nicht ohne Rückhalt der Familie leisten, welche Unterstützung hast Du von Deiner Frau Elfi in all den Jahren erfahren?
Ich lernte meine Frau beim Tanzen kennen. Ich brachte sie nach Hause und wir stellten fest, dass wir gegenüber wohnten. Übrigens waren das die einzigen beiden Häuser, die den Abwurf einer Luftmiene im Zweiten Weltkrieg einigermaßen unbeschädigt überstanden. Bald darauf wurde ich in dem Lokal mit meiner Tanzkapelle engagiert. Am Eröffnungsabend hatte ich mein Schlagzeug aufgebaut, da kam die Nachricht, der Schlagzeuger ist erkrankt und kann nicht kommen. Was tun – ein unbesetztes Schlagzeug ist sehr plamabel. Da hatte ich die Idee, meine Tanzpartnerin soll sich an des Schlagzeug setzen und wenigstens so zu tun als ob. Sie willigte ein, setzte sich ans Schlagzeug, was sie bisher nur von weiten kannte – und spielte, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht. Somit war sie engagiert wir spielten zusammen, verlobten uns und heirateten. Jetzt sind wir 63 Jahre verheiratet, machen 63 Jahre Musik zusammen und pflegen Tracht und Brauchtum zusammen. Ohne ihrer Mithilfe wäre vieles, ich möchte sagen fast gar nichts, möglich gewesen.
5.Die Zukunft der bayerischen Trachtler liegt in Holzhausen. Welche Bedeutung hat für Dich das dortige Trachtenkulturzentrum?
Schon während meiner Amtszeit als Landesverbandsvorsitzender war mir bewusst, dass ein Trachten-Kulturzentrum, insbesondere für die Jugend dringend benötigt wird. Der Jugendleiter von Niederbayern hatte ein unbewohntes Schloss ausfindig gemacht, das zwar sehr herunter gekommen war, aber nach seiner Meinung durchaus renoviert werden kann. Er hatte bereits mit dem Besitzer gesprochen und der war mit der Erneuerung für die Trachtenjugend einverstanden. Rund 1.000 ehrenamtliche Artbeitsstunden hat er angewendet, bis alles wieder in Ordnung war und das Kultur-und Jugend-Zentrum eingeweiht werden konnte. Es mussten nur noch Übernachtungsmöglichkeiten hergerichtet werden. Ich feierte darin mit der Trachtenjugend meinen 60. Geburtstag. Aber plötzlich erhielt der Jugendleiter die Nachricht, es muss alles wieder ausgeräumt werden, das Schloss wurde verkauft und soll als Erholungsheim für eine Fabrik genützt werden. Somit waren all seine Leistungen umsonst, bzw wurde er vom Besitzer nur ausgenützt. So war ein schöner Traum zu Ende. Als nach längerer Zeit der neue Bayerische Trachtenverband auch ein solches Projekt ansprach, war ich natürlich skeptisch, aber umso mehr war ich erfreut, als alles Wirklichkeit wurde. Es wird bestimmt ein wichtiger Bestand für alle Trachtler und besonders die Jugend! Ich kann mich aus Altersgründen leider nicht mehr an den Aufbauarbeiten beteiligen, wünsche aber einen vollen Erfolg!
Das Interview führte Anton Hötzelsperger
Foto: Gau München und Umgebung, Bayer. Trachtenverband, Hans Kronseder, Hötzelsperger