“Anno 1447 bestand das Dorf Brannenburg aus sechs Häusern, der Hofpau und einer Taverne, dem heutigen Schloßwirt”, kann man im Eingangsbereich des Gasthauses einer Wandinschrift entnehmen. Andrea Pothast, die seit Ende 2019 die Leitung innehat, nennt es „einen Wink des Schicksals”, der sie und ihre Familie zum Schlosswirt geführt hat. Eigentlich wollte die erfahrene Gastronomin nicht mehr allzu aktiv tätig sein. Aber nachdem ihr das Objekt nahegelegt wurde und sie erst nur Fotos sah, dann an einem nebligen Novembertag mit ihrem Mann das Haus und den schönen Ort drum herum in Augenschein nahm, war sie bereits in den Bann gezogen. Nachdem die Entscheidung gefallen war, das Haus von der Gemeinde Brannenburg zu pachten, wurden zunächst notwendige Sanierungen vorgenommen. Als Familienbetrieb führten vor allem ihr Mann und ihre beiden Söhne die handwerklichen Arbeiten aus.
Eine optische Verjüngungskur erhielt eine Einrichtung, die zuvor im Stil der 70er Jahre gehalten war. „Wir haben alles in gutem Zustand vorgefunden, aber einfach nicht mehr zeitgemäß”, so Andrea Pothast. Beim Gang durch die Räumlichkeiten zeigt sich die behutsame Veränderung. Eine Mischung aus teils renoviertem Bestand und modernen Elementen. Im „Künstlerstüberl“, dem Lieblingsraum der Wirtin, fühlt man sich schon aufgrund des Beleuchtungs-Designs eingeladen, eine gemütliche Zeit zu verbringen. Reminiszenz an einen der berühmtesten Gäste, den Humoristen Wilhelm Busch: Die Stühle sind mit den Löchern der Rückenlehnen den Köpfen von Max und Moritz nachempfunden, diesen beiden Lausbuben, die mit ihren Streichen zu den bekanntesten Werken der deutschen Kinderliteratur gehören.
Wer aus der Kunstwelt hier noch alles aus- und einging und bedeutende Werke hinterließ, lässt sich an den Zimmernamen des Hotels in den beiden oberen Stockwerken ablesen. Max Liebermann: Sein Gemälde “im Biergarten”entstand unweit von dort und ist heute im Louvre in Paris ausgestellt. Wilhelm Leibl: Der Wegbereiter des Realismus und sein Malerfreund Johann Sperl, Franz von Defregger: Genre- und Historienmaler, sind ebenso genannt wie Karl Caspar, der sich ab 1939 mit seiner Frau Maria Caspar-Filser nach Brannenburg zurückzog, als Malerpaar nicht nur den Schulkindern der gleichnamigen Schule bekannt.
Sie alle entflohen der Stadt aus unterschiedlichen Gründen: Erholung und Inspiration suchten die einen, andere wählten die innere Emigration wegen Verfolgung durch das herrschende Regime. Das Motiv der Jagd inbegriffen, so wurden Dorfszenen und Landschaft in zahlreichen Studien festgehalten. Des Abends erfreute man sich heiterer Geselligkeit und feierte wohl unzählige Feste zu jedem erdenklichen Anlass, vor allem in der „Künstlerstube”.
Heutzutage gibt es traditionell meistens Freitagabend im Sommer ein Standkonzert der Musikkapelle Brannenburg, im Musikpavillon gleich nebenan. Kulinarisch wird das Ganze abwechselnd mit Grillhendl und Schweinshaxe untermalt. Regional und abwechslungsreich sind die Gerichte auf der Karte, so werden saisonale Schmankerl wie Spargel und Schwammerl mit einbezogen. Eigene Kreationen des jüngeren Sohnes, der in der Küche waltet, wie etwa der „Brannenburger“, runden das Angebot ab.
Die große zweiflügelige Türe im Erdgeschoß führt hinunter zur Kellerbar, die momentan renoviert wird – ab Oktober können dort Hotelgäste sowie einheimische Nachtschwärmer am Wochenende unter den alten Gewölbemauern die Atmosphäre genießen. Nach Vorankündigung und jeweils auf Reservierung werden dann Gin Cocktails mit den entsprechenden Menüs serviert. Schon jetzt beleben viele Vereine die Gaststube mit regelmäßigen Stammtischen, und Andrea Pothast betont, wie unterstützend der Ort und die Vereine sind. So fühlte sich die neue Pächterfamilie von Anfang an sehr willkommen geheißen.
Wer sich näher mit den Künstlern auseinandersetzen möchte, die zur Geschichte des Schlosswirts beigetragen haben, dem sei der Kulturspaziergang empfohlen, organisiert über die Tourist-Information in Brannenburg. Eine etwa zweistündige Wanderung, die rund um die fest installierten Stehlen der neuen Künstlerkolonie Brannenburg über elf Stationen führt und die wechselvollen Biographien erlebbar macht.
Text und Bilder: cl
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de