Flüsse sind Lebensandern der Landschaft“ -Ein Gespräch mit Bernhard Lederer, Leiter des Traunsteiner Wasserwirtschaftsamtes, zum internationalen Tag der Flüsse
Gewässer sind Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Dass sie einen wichtigen Beitrag leisten zum Erhalt der ökologischen Vielfalt, daran erinnert der internationale Tag der Flüsse. Jedes Jahr findet er am letzten Sonntag im September statt und wird seit dem Jahr 2005 von den Vereinten Nationen (UN) als offizieller Tag unterstützt. Mit Alz, Inn, Traun, Saalach und Salzach fließen einige der längsten Flüsse Bayerns durch das Amtsgebiet des Traunsteiner Wasserwirtschaftsamtes. Sie in ihrer ökologischen Entwicklung zu fördern und zu verbessern, ist eine der wichtigen Aufgaben der Behörde. Wie das funktioniert, erklärt Behördenleiter Bernhard Lederer.
Flüsse sind mächtige Gewässer und Lebensräume von großer Vielfalt. Vielerorts hat sie sich der Mensch untertan gemacht. Und muss doch seit Jahrhunderten mit der Macht und der Gefahr des Wassers leben. Wie erleben Sie das Spannungsfeld zwischen Landgewinnung und naturbelassenem Lebensraum?
Die seit Jahrhunderten bestehende Konkurrenz um Flächen dauert in sich ändernden Formen bis heute an. Natürlich haben sich die Bedürfnisse der Gesellschaft geändert: Früher war es oft überlebensnotwendig, gewässernahe Flächen zu nutzen, um die eigene Ernährung sicherzustellen. Heute ist die landwirtschaftliche Nutzung nach wie vor wichtig. Die heutzutage viel größeren Betriebe wirtschaften aber ganz anders als noch vor hundert Jahren: Sie haben größere Flächen, andere Feldfrüchte und andere Zielsetzungen. Ähnlich ist es mit der Fischerei, die für viele von einer unverzichtbaren Ernährungsgrundlage zu einem Freizeitvergnügen geworden ist. Über die Jahrhunderte hat der Mensch immer mehr Möglichkeiten bekommen, sich die Natur untertan zu machen. Dadurch sind die naturnahen Flächen natürlich immer weniger geworden. Dieses Defizit versuchen wir heute ein wenig zu lindern. Dazu kommt heute oft die Nutzung der Flächen für die Erholung der Menschen, insbesondere in der Nähe von größeren Städten – ein relativ neues Phänomen.
Über Jahrhunderte hat man Flüssen Land abgetrotzt. Hat sie begradigt und reguliert, um Ackerflächen und Weideland zu gewinnen oder sie für die Schifffahrt nutzbar zu machen. Heute denkt man anders: Das Zurück zur Natur steht im Fokus. Renaturierungen sind das große Thema, auch im Amtsbezirk des Wasserwirtschaftsamtes. Welche Faktoren haben diesen Sinneswandel in Ihren Augen möglich gemacht?
Früher stand neben der Flächengewinnung vor allem die Sicherheit im Fokus. Mittlerweile sind weitere Aspekte dazu gekommen:
So hat man erkannt, dass Biotope für das Funktionieren der Natur wichtig sind. Besonders wichtig sind Flüsse und Bäche als Lebensadern der Landschaft, die die einzelnen Biotope vernetzen. Ein weiteres Augenmerk richtet man seit mehreren Jahrzehnten auf die Sohlstabilität der Flüsse, die sich über die Jahrzehnte – teils gewollt – eingetieft haben. Aufgrund neuer Berechnungsmethoden und von Forschungsergebnissen der vergangenen Jahrzehnte kann man sich weiter „an die Grenze wagen“. Daraus resultieren neue Bauweisen, die bei gleich hoch bleibender Sicherheit mehr Ökologie und Gestaltung erleben.
Sicherheit, etwa vor Hochwasser, bleibt eine unverrückbare Voraussetzung, aber innerhalb der gegebenen Spielräume wollen wir so viel Ökologie wie nur möglich erlauben.
Das Wasserwirtschaftsamt Traunstein hat bereits einige Renaturierungen umgesetzt. Etwa an der Alz, der Isen oder auch an der Salzach. Was eint und was trennt die Maßnahmen dort?
Die Alz ist ein mittelgroßer Fluss, der durch die Pufferwirkung des Chiemsees einen relativ gleichmäßigen Abfluss aufweist. Im Rahmen der Maßnahmen in Trostberg haben wir hier besonders auf eine gute Zugänglichkeit des Flusses geachtet.
An der Isen bauen wir bereits bestehende Rampen so um, dass sie für die Fische wieder durchwanderbar werden und stellen auf diese Weise langfristig auch die Verbindung zum Inn wieder her. An der Salzach hingegen bestehen bis auf die Rampe bei Flusskilometer 51,9 oberhalb von Laufen noch keine Querbauwerke. Hier ist die Eintiefungsproblematik besonders stark ausgeprägt. Da es sich um einen Grenzfluss handelt, erfordern alle Maßnahmen eine Abstimmung mit den österreichischen Partnern. Wichtig ist hier auch, dass die ökologisch besonders bedeutsamen Auwälder nicht von der Wasserversorgung abgeschnitten werden.
Und schließlich geht es auch um den ökologischen Zustand eines Flusses. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) schreibt vor, dass jedes Gewässer bis zum Jahr 2027 einen „guten ökologischen Zustand“ erreichen muss. Wie stellt das Wasserwirtschaftsamt den ökologischen Zustand eigentlich fest?
Ausschlaggebend ist letztendlich die Biologie, das heißt, welche Fische, Wasserpflanzen und Kleinlebewesen („Makrozoobenthos“) in welcher Häufigkeit im Gewässer vorkommen.
Durch entsprechende Monitoring-Untersuchungen werden diese Parameter regelmäßig erhoben und bewertet. Neben dem ökologischen Zustand ist auch der chemische Zustand wichtig, der ebenfalls einem Monitoring unterliegt.
Was kann man tun, um einen Fluss ökologisch aufzuwerten?
Am wichtigsten ist es, Strukturen und Lebensräume schaffen. Treibholz etwa bietet Rückzugsmöglichkeiten für Fische, Laichplätze entstehen, unterschiedliche Strömungsverhältnisse sind wichtig. Und natürlich auch die Durchgängigkeit eines Gewässers, über die sich Fische neue Lebensräume erschließen können. Wir schaffen für all dies die Voraussetzungen, wenn es notwendig ist. Im Anschluss soll sich der Fluss selbst entwickeln.
Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat sich der „Wasserzukunft Bayern 2050“ verschrieben. Angesichts der Zunahme von Trockenheit und Starkregenereignissen: Welche Zukunft werden unsere Flüsse haben?
Speziell bei uns in den Alpen und im Alpenvorland werden die Extremereignisse vermutlich zunehmen. Das Thema Trockenheit spielt bei uns keine so große Rolle wie in Nordbayern. Aber auch bei uns werden Trockenzeiten zunehmen. Gleichzeitig werden die Temperaturen steigen und die Lebewesen im Gewässer unter zusätzlichen Stress stellen. In diesem Zusammenhang wird man, insbesondere bei kleineren Gewässern verstärkt auf eine natürliche Beschattung, etwa durch standortangepasste Gewässersäume achten müssen.
Bericht: Wasserwirtschaftsamt Traunstein
Isen 1: Mit dem Umbau des Absturzes in der Isen am Sportplatz in Winhöring ist auch ein Zugang zum Gewässer entstanden. Die Höhe des Absturzes wurde verringert, eine Sohlgleite ermöglicht Fischen, die Hürde zu überwinden.
Foto: Wasserwirtschaftsamt Traunstein
Isen 2: Neue Strukturen und eine Fischaufstiegshilfe im Wasser schaffen neuen Lebensraum für Fische, die vom Inn in die Isen schwimmen. Nase, Barbe und Äsche können jetzt flussaufwärts neue Laichplätze sowie Plätze zur Nahrungsaufnahme finden.
Foto: Wasserwirtschaftsamt Traunstein
Salzach 1/Salzach 2: Die Uferaufweitung der Salzach bei Tittmoning ist abgeschlossen. Mit dem Ausbau der Uferbefestigung hat der Fluss mehr Platz bekommen. Neue Lebensräume sind sowohl im Wasser als auch an Land entstanden. Auch das Ziel, die Sohle des Flusses zu stabilisieren, ist erreicht. Fotos: Wasserwirtschaftsamt Traunstein