„Die Heimatforschung ist Aufgabe der Trachtenvereine!“ Davon ist der Vorsitzende des Trachtenvereins „Immergrün“ Wotzdorf, Ludwig Bauer, felsenfest überzeugt. Wer ist besser geeignet die Geschichte der eigenen Heimat zu dokumentieren als die Bewohner der Gegend. Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich Bauer mit der Geschichte seines Heimatortes Wotzdorf und der umliegenden Dörfer im nördlichen Landkreis Passau und hat dabei einen großen Schatz an Bildern und Zeitdokumenten zusammengetragen und in Dorf- und Häuserchroniken dokumentiert. Lange Zeit war für ihn die große Frage, wie kann man diese Zeitzeugnisse der Nachwelt erhalten. Die Antwort hat er in der Topothek gefunden.
Auch Ludwig Bauer hatte wie viele andere damit begonnen die Zeitdokumente in Ordnern und Bilderalben zu sammeln und zu archivieren. Für ihn war das aber keine ideale Lösung, da damit die Bilder nur wenigen zur Verfügung stehen und nur eine sehr kleine Gruppe darauf zugreifen kann. Ludwig Bauer weiß, daß sich in vielen Bauernhäusern rund um Wotzdorf wahre Schätze mit Bildern aus dem Alltagsleben oder auch von besonderen Ereignissen befinden. „Doch wir dürfen keine Zeit verlieren, diese Zeitdokumente zu archivieren“, mahnt Bauer, Mit jedem Tag schwindet das Wissen zu diesen Bildern oder geht am Ende verloren. Also hat der Wotzdorfer Vorstand vor einigen Jahren nach einer Lösung gesucht und auch gefunden. Für ihn und die Wotzdorfer Trachtler ist die Topothek, ein Online-Archiv, das seine Wurzeln im österreichischen Wiener Neustadt hat, zum wichtigsten Werkzeug bei der Heimatforschung geworden. Die Trachtler des Trachtenvereins „Immergrün“ Wotzdorf sind dabei mit der Topothek für Hauzenberg die Pioniere in Bayern. Inzwischen kann man lokale Topotheken in ganz Europa finden, die auch auf der Internetseite topothek.at vernetzt sind.
Was ist nun die Topothek? Die Topothek definiert sich selbst als reines Online-Archiv. Sie ist kein Museum und auch kein historisches Werk. So ist es auf der Internetseite zu lesen. Die Topothek sammelt, archiviert und stellt zur Schau. Durch privates historisches Material und Wissen erweitert sie durch die Mitarbeit der Bevölkerung die Grundlage für all jene, die wissenschaftlich historisch arbeiten. Einen didaktischen Faden durch die Vergangenheit zu spinnen, die Zusammenhänge von Fakten zu beschreiben, bleibt damit jenen vorbehalten, die Museen und Ausstellungen gestalten oder Bücher und Chroniken schreiben. Für diese soll die Topothek auch eine Quelle mit Material für ihre wissenschaftliche Arbeit sein. Ludwig Bauer hat durch seine jahrzehntelange Arbeit in der Heimatforschung die Vor- und noch viel mehr die Nachteile der verschiedensten Dokumentationsformen kennengelernt und kann damit mit vielen Beispielen erklären, wo er die Vorteile der Topothek sieht. Im Gegensatz zur Archivierung von Bildern und Zeitzeugnissen in Ordnern oder Büchern können sie in der Topothek zu jederzeit abgerufen werden. Da es ein offenes Archiv ist, hat jeder über das Internet Zugriff auf die Bilder und Dokumente.
Einen weiteren Vorteil sieht er darin, dass es bei der Topothek keinen Redaktionsschluss gibt. Ludwig Bauer kann hier ein anschauliches Beispiel geben, da er für das Buch „Zeichen der Frömmigkeit“ über Wegkreuze und Kapellen in der Stadt Hauzenberg selbst Texte geschrieben hat. „Manches würde ich heute anders schreiben, da ich weitere Quellen gefunden habe, die das bisher veröffentlichte ergänzen oder korrigieren. In einer gedruckten Form kann man diese neuen Informationen nicht mehr einpflegen“, so Bauer. Die Topothek kann dagegen grenzenlos erweitert. Damit wird das regionale Wissen, das heute vielleicht nur wenige, oft ältere Mitbürger, haben, für die Zukunft bewahrt werden. Beim Trachtenverein Wotzdorf wird Ludwig Bauer noch von einigen älteren Trachtlerinnen und Trachtlern unterstützt. Immer wieder bekommen sie ganze Sammlungen mit Bildern, alten Zeitungsberichten, Urkunden und auch Sterbebildern, die dann gesichtet und digitalisiert werden müssen. Mit dem Einpflegen in die Topothek werden alle Bilder auch mit Schlagworten versehen, beschreibt Bauer die Arbeit mit der Topothek. Bei einem Blick in die Topothek fällt einem auch ein großer Vorteil des Systems auf. Personen auf Bildern können markiert werden und so auch Bilder zugeordnet werden. „Natürlich ist es nicht immer möglich alle Personen auf einem Bild zu identifizieren. Hier sind wir dann auf die Hilfe der Besucher unserer Topothek angewiesen. Denn diese können durch ihre Rückmeldungen zu Bildern, deren Bildbeschreibung dann vervollständigt werden kann, so der Vorstand der Wotzdorfer Trachtler.
Ludwig Bauer und die Wotzdorfer Trachtler haben auch ein Augenmerk darauf, dass in der Topothek von Hauzenberg nicht nur das Außergewöhnliche, sondern insbesondere die Normalität dokumentiert wird: So sind in der Hauzenberger viele Bilder zu finden, die das alltägliche Leben auf den Dörfern, in der Landwirtschaft oder in den Granitsteinbrüchen rund um Hauzenberg zeigen. Denn Fotos, die heute unbedeutend erscheinen, können in einigen Jahren in vielfältiger Weise interessant sein. Mittlerweile umfasst die Topothek für Hauzenberg mehr als 5200 Bilder, Dokumente, Videos und Audiobeiträge. Ludwig Bauer und die Wotzdorfer Trachtler haben diese Zeitdokumente nicht nur in der Topothek archiviert, sondern auch die Informationen zusammengetragen und in der Topothek mit Schlagworten und Ortsangaben versehen. Damit ergibt sich Möglichkeit das historische Material aus dem verstreuten Privatbesitz virtuell zu vereinen. Und auch in der Topothek bleiben durch die Digitalisierung die Bilder und Dokumente in Privatbesitz. Denn das Originalmaterial verbleibt ebenso wie alle Nutzungsrechte, die über die Darstellung in der Topothek hinausgehen, bei den jeweiligen Besitzern.
Ludwig Bauer hofft, dass sich noch viele Vereine und Gemeinden in Bayern und Deutschland dem Projekt „Topothek“ anschließen und so ihren Beitrag zur Sicherung des historischen Erbes Europas leisten. Denn die Topothek bietet vielfältige Möglichkeiten. Davon kann man sich auch in der Topothek für Hauzenberg überzeugen, die man im Internet unter der Adresse https://granitzentrum.topothek.de findet. Ein anderes Beispiel für die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten, das Bauer kennt, ist das Projekt einer Schule in Salzburg, die die Topothek nutzten, um sich mit der Kindheit ihrer Großeltern zu befassen. Als überzeugter Topothekar macht Ludwig Bauer aktiv Werbung für das Online-Archiv und ist auch bereit über seine Erfahrung zu informieren.
Christoph Hauzeneder, Gaupressewart Dreiflüssegau
Bildunterschriften: Die Topothek für Hauzenberg ist für die Wotzdorfer Trachtler zu einem wichtigen Werkzeug geworden, um Bilder und Dokumente zu archivieren und weltweit verfügbar zu machen.
Es muss nicht das Außergewöhnliche sein. Wichtig sind auch die anscheinend alltäglichen Bilder, wie hier die Arbeit bei der Heuernte 1950, die dokumentiert werden sollen.