Leitartikel

Doppelinterview zum Bernauer Hitzelsberg

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger
Fragen an die Gemeinde Bernau und an die Bürgerinitiative Hitzelsberg vor dem Bürgerentscheid am Sonntag, 24. November an Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber und an Petra Kaufmann

Sehr geehrte Frau Biebel-Daiber, sehr geehrte Frau Kaufmann, am Sonntag, 24. November sind die Bernauer Bürger aufgefordert zur Wahlurne zu gehen. Anlass ist ein Bürgerentscheid zu einem Bürgerbegehren (gegen die Bebauung des Hitzelsberges) und zu einem Ratsbegehren (für eine Bebauung des Hitzelsberges). Die Samerberger Nachrichten befragen beide Seiten mit nachfolgenden gleichen Fragen:

1. Warum befürworten Sie Ihr Begehren gegenüber dem anderen Begehren?

Gemeinde Bernau:

Wir haben uns nun 10 Jahre lang in Gemeinderat und Verwaltung mit der Entwicklung des Hitzelsberges befasst. Unser größtes Ziel war dabei immer, den Hitzelsberg als Naherholungsgebiet für die Bernauer Bevölkerung zu erhalten. Nach den ersten Vorstellungen von Interessenten vor zehn Jahren erkannten wir im Gemeinderat, dass die Vereinbarkeit von Naherholungsgebiet für die Bernauer Bürger und künftiger Nutzung nur mit einem touristischen Konzept vereinbar ist. Mit dem Chaletdorf wurde nun eine Planung entwickelt, die sich größtenteils auf den bereits versiegelten Flächen abspielt und mit den Häusern auch gut in die Struktur des Berges einfügt. Insgesamt entstehen 78 Einheiten (Chalets inklusive Terrassengebäude), dazu Gastronomie und ein Spa-Bereich. Durch den Wegfall der zusätzlichen Erschließungsstraße und des Hotels werden nochmals rund 7000m2 Versiegelung eingespart, was ja wiederum der Natur zugutekommt. Denn auch durch die Zufahrtsstraße von Norden herauf wäre ein bestehendes Biotop tangiert worden.

Bürgerinitiative:

Die hohe Baumasse mit 39, zum Teil zweistöckigen Chalets, ein Apartmenthaus am Steilhang mit weiteren 1000 m² Grundfläche, eine Tiefgarage für 185 Fahrzeuge, Wellnessbereiche, zwei Restaurants, Biergarten, Veranstaltungsraum, etc. – das ist einfach zu viel für den Hitzelsberg, der nach einer Planung von 1991 von weiterer Bebauung freigehalten werden muss. Das Reizvolle des Chiemgaus besteht aus seiner kraftvollen Natur, der anmutigen Landschaft und dem dörflich-gemütlichen Lebensgefühl. Großprojekte zerstören mehr und mehr dieses Feine und Kraftvolle. Nicht umsonst wehren sich im Voralpenland Bürgerinitiativen gegen Großprojekte – siehe Malerwinkl in Seebruck, Schlierseer Hof am Schliersee, Ainring bei Piding, Neubau der Kampenwandbahn – auch das Landratsamt hat bereits eine Verordnung entworfen, in der der Hitzelsberg einen Status als „Geschützter Landschaftsbestandteil“bekommen soll.

2. Welche Entwicklungswege sehen Sie für den Hitzelsberg durch ihr Begehren?

Gemeinde Bernau:

Wir sehen in der Entwicklung des Chaletdorfes eine große Chance für die Zukunft Bernaus. Die Planung des Chaletdorfes vereint die schöne Natur des Hitzelsberges, da alle schützenswerten Flächen auch entsprechend erhalten bleiben. Gleichzeitig fördert die Planung die Form des sanften Tourismus. Durch den Bebauungsplan hat die Gemeinde die bauliche Entwicklung am Hitzelsberg immer in der Hand und bestimmt, wo und was gebaut werden darf. Hier wird selbstverständlich auch auf eine energetisch hochwertige Bauweise und Häuser, die möglichst aus Naturmaterialien bestehen, Wert gelegt. Der Bebauungsplan sichert auch, dass das Chaletdorf touristisch genutzt werden muss und die Häuser beispielsweise nicht einzeln abverkauft werden können. Zudem wird in Wasserrückhaltung investiert. Derzeit fließt das Regenwasser wild ab, da der Fels kein Wasser speichern kann. Mit dem Bau muss auch ein Regenwasserrückhaltungskonzept entwickelt werden, damit das Wasser eben nicht mehr ungehindert abfließen kann.

Bürgerinitiative:

Im Bürgerentscheid lautet die Forderung: Keine weitere Bebauung. Im Laufe der letzten beiden Jahre haben wir unsere Forderung etwas justiert: durch Recherche „Was passt zu uns?“ kamen wir zu einigen äußerst innovativen – und deutlich kleineren Projekten (z. B. „Kulturhof Stanggass Berchtesgaden), die dank einer perfekten Balance zwischen Tradition und Vision einen Ort der Begegnung schaffen, der auch für Einheimische sehr attraktiv und eine Bereicherung ist. Diese Projekte sind Gesamtkunstwerke – weil sie im Bezug sind – mit der Natur, der Landschaft und den Menschen. Ein Schwerpunkt, der sich anbietet, wäre natürlich eine Einrichtung zur Umweltbildung für Kinder und Erwachsene: nirgends sonst in Bernau lassen sich auf kleiner Fläche eine solche Vielzahl von eng vernetzten Lebensräumen und Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren finden und erforschen. Um diese zu erhalten, muss man nichts weiter tun als die extensive Nutzung beizubehalten, die den Hitzelsberg zu dem gemacht hat, was er ist: ein einzigartiger Schatz an Artenvielfalt.

3. Der Tourismus in Bernau ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – welche Auswirkungen darauf wird der Bürgerentscheid haben?

Gemeinde Bernau:

Bernau leidet derzeit unter einem massiven Bettenrückgang. Das Plus an Übernachtungen konnten wir in den letzten Jahren vor allem dank unserer Wohnmobilstellplätze verbuchen, während wir bei den Ferienwohnungen und Gasthöfen ein Minus von 12 bzw. 7 % zu verbuchen hatten. Als Einwohner Bernaus profitieren wir aber alle vom Tourismus, da wir zahlreiche Einrichtungen wie z. B. das Strandbad, den Chiemseepark Felden, die Spielplätze, die Wanderwege und vieles mehr das ganze Jahr über nutzen können. Viele dieser Einrichtungen werden durch die Abgaben, die aus dem Bereich Tourismus und Fremdenverkehr kommen, unterhalten. Das Chaletdorf kann ein Wirtschaftsmotor für den gesamten Ort sein, da ja auch die Wirte und Geschäfte wiederum von den Gästen des Chaletdorfes profitieren. Zudem werden auch vom Chaletdorf sofort nach Inbetriebnahme wieder Fremdenverkehrsabgaben und Kurbeiträge fällig, von denen die Gemeinde und somit wir Bürgerinnen und Bürger profitieren. Diese müssen nämlich wieder für den Erhalt der touristischen Infrastruktur eingesetzt werden. Stimmen Sie deshalb für das Ratsbegehren und für die Entwicklung des Chaletdorfes, um unserer Heimatgemeinde eine Chance für die Zukunft zu geben!

Bürgerinitiative:

In Zeiten von Artensterben, Klimawandel, Mikroplastik im Wasser etc. geht es nicht mehr um mehr – sondern um richtig gut. Wie lange bleibt man attraktiv, wenn ein Gewerbegebiet am Dorfrand wuchert, Schwerverkehr durch den Ort rattert und Großprojekte Touristen bedienen? Der Tourismus im Chiemgau ist deswegen so erfolgreich, weil er kleinteilig und sehr persönlich ist: es ist heimelig zwischen den Vermietern, den Wirten und den Gästen: ein hochpreisiges Chaletdorf wird den Einheimischen keinen großen Nutzen bringen. Besonders bitter wäre es, wenn dort oben gebaut und die Natur unwiederbringlich zerstört werden würde, das Projekt dann aber aus verschiedenen Gründen scheitern würde.

4. Welche Folgen aus Ihrer Sicht hätte eine Ablehnung des Ratsbegehrens für den Hitzelsberg?

Gemeinde Bernau:

Wenn die Planung des Chaletdorfes abgelehnt wird, werden wir wohl auch keine neue Planung mehr anstoßen. Die Gemeinde hat bereits 10 Jahre Arbeit der Verwaltung und des Gemeinderates in das Projekt investiert, der Investor hat hohe Summen für die Planung ausgegeben. Sollte das Chaletdorf an dieser Stelle keine Zustimmung finden, kann derzeit auch nicht gesagt werden, wie es weitergeht mit dem Hitzelsberg. Fakt ist allerdings, dass der Hitzelsberg dann tatsächlich zum Privatgelände der Herecon wird. Die Wanderwege um den Hitzelsberg (Hitzelsbergrundweg) sind zwar gesichert und können weiter begangen werden, die Kuppe und das restliche Gelände aber nicht. Die Bernauer Bürgerinnen und Bürger würden dann das Naherholungsgebiet Hitzelsberg verlieren, wofür sich der Gemeinderat nun 10 Jahre lang mit großer Mehrheit eingesetzt hat.

Bürgerinitiative:

Ein Nein für das Ratsbegehren würde, ganz unabhängig vom Ausgang des Bürgerentscheids, auf jeden Fall bedeuten, dass die Gemeinde und die Fa. Herecon nicht so massiv weiterplanen könnten. Dann müssten sie auf jeden Fall die Meinung der Bevölkerung respektieren und ihre Planungen überdenken und anpassen. Das sind sie den Abstimmenden und nicht zuletzt den Anwohnern der beiden Zufahrtsstraßen schuldig. Und: Wir hätten die Chance, etwas sehr Zeitgemäßes und Passendes zu entwickeln. Warum nicht der Natur zur Abwechslung die wichtigste Rolle zuteilen: nehmen wir doch eine Vorreiterrolle ein, in dem wir nicht benutzen und ausbeuten, sondern uns auf den Weg machen und eine Balance suchen, die das Wohl aller im Blick hat.

Die Samerberger Nachrichten bedanken sich für das parallel geführte Gespräch und für die überlassenen Bilder.

Fotos:

  • Lageplan Städtbauliches Konzept Chaletdorf Hitzelsberg, LSA Architekten 2024
  • Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber von der Gemeinde Bernau a. Chiemsee
  • Petra Kaufmann von der Bürgerinitiative Hitzelsberg

 

 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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