Erdbeobachtung und globale Kommunikation – zwei Begriffe, die einen sofort an Satelliten denken lassen. Bau und Positionierung sind teuer und am Ende kann Weltraumschrott zurückbleiben. Aber auch Flugzeuge oder Hubschrauber sind für diese Aufgabe nicht ideal. Ihr Einsatz ist zeitlich und örtlich begrenzt und stark wetterabhängig. Ein Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht und entwickelt ein unbemanntes und solarbetriebenes Stratosphärenflugzeug für zukünftige wissenschaftliche Experimente, das die Vorzüge von Raumfahrt und Luftfahrt vereint.
HAP alpha – so nennen die DLR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den von ihnen entwickelten Technologieträger. „HAP steht für ‚High Altitude Platform'“, erklärt Florian Nikodem vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik. „Es handelt sich dabei um meist solarbetriebene Plattformen, die dauerhaft in der unteren Stratosphäre auf einer Höhe von etwa 20 Kilometern stationiert werden.“ Damit fliegen sie weit über dem zivilen Luftverkehr und dem Wettergeschehen. Sie können an beliebigen Orten positioniert und, je nach Ausstattung, für unterschiedlichste Missionen eingesetzt werden, ausreichend Sonnenenergie vorausgesetzt. Außerdem sind sie, in der unteren Stratosphäre erstmal angekommen, unabhängig vom Wettergeschehen und ohne Mannschaft an Bord auch unabhängig von Einsatzdauern. Das haben sie klassischen Luftfahrtzeugen voraus.
HAP alpha soll mit fünf Kilogramm Nutzlast auf 20 Kilometer Flughöhe aufsteigen, dort allerdings noch nicht für längere Zeit stationiert werden können. Die Plattform ist robust und modular aufgebaut, so dass sie leicht angepasst und modifiziert werden kann. Ihre Spannweite von 27 Metern entspricht bereits der einer dauerflugfähigen Variante. Das Gesamtgewicht der Struktur beträgt 36 Kilogramm. „Das für die Größe geringe Gewicht erreichen wir durch extremen Leichtbau mit kohlefaserverstärkten Kunststoffen“, erklärt Nikodem. „Hauptholm, Rumpf und Leitwerksholme bestehen aus gewickelten CFK-Rundrohren. Diese sind sehr leicht und trotzdem stabil.“
17 DLR-Institute arbeiten am Erstflug
Es ist aber nicht allein der solargetriebene, unbemannte Demonstrator, den das Team im Projekt entwickelt. Auch eine Bodenstation, die operationellen Prozeduren und drei Nutzlasten, die von der Plattform getragen werden, sind Teil der wissenschaftlichen Forschungen. In der mobilen Bodenstation koordinieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Missionen und den Datenempfang. Sie ist in transportablen Containern angelegt und soll auf mehr als 100 Kilometer Entfernung Daten mit der HAP austauschen können. Die drei Nutzlasten, darunter das hochauflösende Kamerasystem MACS-HAP (Modular Aerial Camera System-High Altitude Platform) und das Radar System HAPSAR (High Altitude Platform Synthetic Aperture Radar), bieten eine Vielzahl von zukünftigen Einsatzmöglichkeiten. Insgesamt 17 DLR-Institute aus den Bereichen Luftfahrt, Raumfahrt, und Sicherheit arbeiten unter der Leitung des Braunschweiger Instituts für Flugsystemtechnik zusammen an HAP alpha.
Im April 2019 hat das Team gezeigt, dass die aufgestellten Systemanforderungen und das Konzept-Design geeignet sind, um die Projektziele zu erreichen. Es folgte das Preliminary Design Review (PDR). Dort zeigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem vorläufigen Design der Plattform, dass alle Systemanforderungen mit vertretbarem Risiko und innerhalb der Kosten- und Terminvorgaben erfüllt werden. So bildet es die Grundlage für die weitere Vorgehensweise bei der Detailplanung und zeigt, dass die richtigen Designoptionen ausgewählt, Schnittstellen identifiziert und Verifikationsmethoden beschrieben wurden. Aktuell bereiten die Forscherinnen und Forscher das nun folgende Critical Design Review vor. Dabei wird geprüft, ob das detaillierte Design die Projektziele erreichen kann. Im Anschluss daran können sie die Einzelkomponenten produzieren und zusammenbauen. So entsteht nach umfangreichen Tests der Demonstrator HAP alpha.
HAP hebt ab
Ende 2022 soll HAP alpha zum ersten Mal abheben. Dabei sind zunächst Testflüge in niedriger Höhe über dem Gelände des Nationalen Erprobungszentrums für unbemannte Luftfahrzeuge in Cochstedt geplant. Die Flughöhe wird dort einige Hundert Meter betragen. Nach erfolgreichen Tests in niedriger Höhe wird HAP alpha in weiteren Höhenflugkampagnen nach und nach die Zielhöhe von 20 Kilometern erfliegen. „Anders als bei den ersten Erprobungsflügen in Cochstedt, bei denen die eigentliche Versuchsdauer nur wenige Stunden betragen wird, kann ein Höhenflug aufgrund der langsamen Fluggeschwindigkeit der HAP bis zu 24 Stunden dauern, auch wenn sich die Plattform nur etwa zwei Stunden auf 20 Kilometern Höhe aufhält“, erklärt Nikodem die Herausforderung zukünftiger Versuche. Dafür muss das Team mehrere Crews und deren Wechsel im Schichtbetrieb trainieren.
In solchen Höhenflügen kommen dann auch die verschiedenen Nutzlasten zum Einsatz. Mit jedem Test sammelt das Team Erfahrungen und kann die HAP so modifizieren, dass auch Dauerflüge möglich werden. Mit ausreichender Betriebssicherheit des Teams und der Plattform in der Höhe ließe sich das Stratosphärenflugzeug als Versuchsträger für Nutzlasten einsetzen. Und auch neue plattformspezifische Technologien, wie beispielsweise der Einsatz der HAP als Knotenpunkt für die digitale Kommunikation als Unterstützung für ein 5G-Netz, werden dann möglich.
Bericht und Fotos: Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum
Layout: Egon Lippert (www.lippert-egon.de)