Seit Jahren herrscht in Bernau Mangel an günstigem Wohnraum. Seit Monaten stehen Gewerbeflächen, hauptsächlich Einzelhandelsflächen leer, vor allem entlang der Chiemseestraße. Weitere Flächen in der Priener Straße werden gebaut. Vor diesem Hintergrund veranstaltete der Gewerbeverein Bernau e.V. am Mittwoch, den 7. März 2018 um 19:30 Uhr im voll besetzten Café Rothenwallner, Bahnhofstraße 24 in Bernau eine Podiumsdiskussion zum Thema: „Immobilienmarkt in Bernau – Wohnungsmangel und Gewerbeleerstand“.
Der Vorsitzenden des Gewerbevereins, Norbert Klauck, begrüßte den Bernauer Bürgermeister Philip Bernhofer, die zahlreich erschienenen Gemeinderäte und die über 80 interessierten Bernauer Bürger, die zu der Veranstaltung gekommen waren. Klauck erinnerte Bürgermeister Bernhofer daran, dass der Gewerbeverein schon seit längerem erfolglos den Kontakt zur Gemeinde in dieser Angelegenheit suche und nun mit dieser Veranstaltung hoffe einen Schritt weiter zu kommen.
Diskussionsleiter Sascha Klein stellte dann die Referenten und zugleich Teilnehmer der Podiumsdiskussion vor: Gerhard Kirchbuchner, Inhaber des Immobilienbüros „Ihr Chiemseemakler“, Jörg Kaller von Engel & Völkers, Geschäftsführung Bereich Rosenheim, Chiemsee, Reichenhall, Eva Beatrix von Sluyterman, Inhaberin des Immobilienbüros „Bayern -Domizil“. Klein bat dann Kirchbuchner mit seinem Referat zu eröffnen.
Mit grundlegenden Daten und Fakten gespickt schilderte Kirchbuchner den aktuellen Wohnungsmarkt in Bernau. Der Wert der Wohnungen sei seit 2007 um rund 90% angestiegen, der der Häuser um rund 80 % . Der Mietzins stieg um fast 50 %. In Bernau stünden aktuell einem Angebot von 10 Wohnungen ein Bedarf von fast 300 Wohnungen gegenüber, gemessen an den gespeicherten Suchanfragen in den Immobilienportalen im Internet.
Von Sluyterman beschreibt anschließend in ihrem Referat Bernaus Bevölkerungsentwicklung. Bernau hatte im Oktober 2017 genau 7010 Einwohner nach 6802 am 31.12.2016, dies entspricht einer Steigerung um über 200 in nur 10 Monaten. 350 Bernauer sind jünger als 6 Jahre, über 1500 sind älter als 65 Jahre. Laut Landesregierung betrage das Bevölkerungswachstum bis 2034 5% bis 10%. Von Sluyterman folgerte abschließend, dass bestenfalls nur rund ein Drittel der Nachfrage in den nächsten Jahren befriedigt werden könne.
Kaller referierte über Gewerbeimmobilien. So seien im vergangenen Jahr Landesweit 17 % weniger Mietverträge über Gewerbeflächen geschlossen worden. Es sei zu erwarten, dass weit über 10 % der Einzelhändler in den nächsten Jahren verschwinden würden. Dies sei dem Trend, im Internet einzukaufen und der vermehrten Ansiedlung von Outlet-Centern geschuldet. Speziell in Bernau warnte Kaller vor Leerstand im Gewerbebereich, da sich die Höhe des geforderten Mietzinses nicht realisieren ließe. Er rät bei Einzelhandelsflächen im Zentrum zur Zurückhaltung.
Hier meldete sich Bürgermeister Bernhofer zu einem Grußwort, das er als Koreferat gestaltete und schilderte, dass in dem neuen Gebäude in der Chiemseestraße von den 8 Gewerbeeinheiten bereits 4 vermietet seien und er überzeugt davon sei, dass zeitnah auch für die restlichen Einheiten geeignete Mieter gefunden würden. Denn auch die Gemeine bemühe sich, hierbei unterstützend mitzuwirken. Und zur Höhe des Mietzinses bei Gewerbeflächen sagte er, dass diese seines Wissens absolut im üblichen Rahmen lägen und Kaller hier irre.
Daran schlossen sich sofort mehrere Fragen aus dem Publikum an. Viele davon an Bernhofer gerichtet, weshalb Klein ihn dann auch auf das Podium bat. Die Frage, warum alle Gebäude in der Chiemseestraße immer mit einem großen Gewerbeanteil gebaut würden, konnte im Vorfeld Diskussionsleiter Klein beantworten: Dieser Ortsteil ist baurechtlich als Mischgebiet ausgewiesen und da ließe das Gesetz nur Gebäude mit gleichen Anteilen an Wohnungen und Gewerbeeinheiten zu.
Auf die Frage, wieviel Zweitwohnungen es in Bernau gäbe und ob diese Wohnungsnutzung nicht von der Gemeinde eingeschränkt werden könnten, antwortete Bernhofer, dass die Zahl zwar nicht bekannt sei, er aber keine rechtlich einwandfreie Handhabe hätte, dies zu unterbinden auch wenn es Gemeinden, wie beispielsweise Unterwössen gäbe, die es durch Satzungen versuchten.
Wie die Gemeinde mit Bauanträgen umgehe, wollte ein weiterer Teilnehmer wissen. Es gäbe doch viele Möglichkeiten Wohnraum zu schaffen, Stichwort Ausbau Dachgeschoß. Dies würde oft abgelehnt. Bernhofer erläuterte, dass das gemeindliche Einvernehmen zu dem Bauvorhaben vielfach erteilt würde aber das letzte Wort die Baubehörde, also das Landratsamt habe.
Eine Vermieterin aus dem Publikum beschrieb die aktuellen Mietpreise in Bernau als unhaltbar für Rentner oder junge Familien. Eine adäquate Wohnung könne sich derzeit kaum jemand leisten. Sie appellierte an alle Vermieter den Trend umzukehren und wie sie selber auch, nicht über 7 EUR pro Quadratmeter zu vermieten.
Zu guter Letzt wurde an Klein die Frage gerichtet, welche Haltung der Gewerbeverein gegenüber einer zukünftigen Nutzung des Hitzelsbergs, das 16 Hektar große Sahnegrundstück des Ortes hat, der von der Gemeinde verkauft wird. Klein erläuterte, dass nach Meinung des Gewerbevereins die beste Lösung für Bernau die Ansiedelung eines Vier-Sterne-Hotels auf einem Teil des Areals wäre. Dies würde den Ort immens aufwerten, dem umsatzträchtigen Tourismus dienen und auch den vorhandenen Hotel- und Gaststättenbetrieben nutzen.
Nach rund dreistündiger Debatte beendete Klein die Diskussion. Er stellte fest, dass an diesem Abend wie zu erwarten war, zwar kein Allheilmittel als Lösung gefunden wurde, aber dennoch die Thematik aufgrund der faktenreichen Referate und der kundigen Beiträge zur Diskussion ein gutes Stück aufgearbeitet werden konnte. Klein dankte den Podiumsteilnehmern für die informativen Beiträge und dem Publikum für die rege Teilnahme.
Vereinsvorsitzender Klauck schloss die Veranstaltung und wünschte allen Teilnehmern eine gute Heimfahrt und kündigte an, dass der Gewerbeverein in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen über aktuelle Bernauer Themen plane, um, wie heute eine Plattform für Informations- und Meinungsaustausch zu bieten.
Bericht und Bilder: Sascha Klein