Kirche

Diözesanratsvollversammlung Frühjahr 2024

Veröffentlicht von Christina Rechl

Der Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising hat Hans Tremmel zu seinem Ehrenvorsitzenden ernannt. Er würdigt ihn damit für zwölf Jahre an der Spitze des obersten Laiengremiums der Erzdiözese. Der Ehrenvorsitz wurde Tremmel im Rahmen der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrats am Samstag, 9. März 2024, in Bruckmühl, Landkreis Rosenheim, verliehen.

In seiner Laudatio schilderte Monsignore Klaus Peter Franzl, Bischöflicher Beauftragter für den Diözesanrat, die Zusammenarbeit während der drei Amtszeiten des ehemaligen Diözesanratsvorsitzenden. Die öffentliche Wahrnehmung der katholischen Kirche habe sich in dieser Zeit, so Franzl, dramatisch verändert. Hans Tremmel habe sich davon jedoch nicht abschrecken lassen und sich stets dafür eingesetzt, „die verschiedenen Ereignisse und Situationen, die uns oft plötzlich herausgefordert haben, einzuordnen und einen Weg nach vorne aufzuzeigen“. Besonders engagiert sei Tremmel dabei, die Erneuerung der Kirche voranzutreiben. Auch zu kontroversen Themen habe Tremmel sich, so der Bischöfliche Beauftragte für den Diözesanrat, „klar positioniert, diejenigen, die rückwärtsgewandt denken in unserer Kirche kritisiert“ und dabei als „Freund klarer, deutlicher Worte“ die Vielfalt des Laienapostolats „und die enorme Kraft, die im ehrenamtlichen Engagement in unserer Kirche steckt, nicht nur aufgezeigt, sondern mit leuchtendem Beispiel demonstriert“.

Monsignore Franzl verwies außerdem auf Hans Tremmels Engagement bei der Vernetzung jenseits des Diözesanrats im Zentralrat der Katholiken, dem er von 2010 bis 2022 als Diözesanratsvorsitzender angehörte. Er habe „immer wieder versucht, Menschen miteinander zu verbinden“; Tremmel sei es „ein Herzensanliegen“ gewesen, „die Gemeinschaft untereinander zu führen und unterschiedliche Menschen auf ein gemeinsames Ziel hin zu motivieren“. Als Bischöflicher Beauftragter für den Diözesanrat habe Franzl das Miteinander als vertrauensvoll, herzlich und konstruktiv erlebt. Vor allem aber betonte der Laudator das große Verständnis des Diözesanratsvorsitzenden für die Realität der Ehrenamtlichen, dafür, in welchem Umfang „Energie, Nerven, Herzblut, Kompetenz, Geld und nicht zuletzt ganz viel Lebenszeit“ eine solche Arbeit den Einzelnen abverlange. Tremmel habe damit „als Diözesanratsvorsitzender in außergewöhnlicher Weise und weit über das Erwartbare hinaus mitgewirkt“, dass die Kirche „wirklich Zeichen und Werkzeug dafür wird, dass Menschen sich trauen, Wege der Veränderung zu gehen.“ Als Ehrenvorsitzender wird Hans Tremmel auch weiterhin an den Vollversammlungen teilnehmen.

Hans Tremmel ist Professor für Theologie und Ethik in der sozialen Arbeit sowie Professor für Moraltheologie und Sozialethik in der Religionspädagogik an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Abteilung Benediktbeuern, Leiter der dortigen Theologischen Zusatzausbildung und Studiengangsleiter des Pastoralkurses der Ständigen Diakone in Bayern. Von 2010 bis 2022 war er Vorsitzender des Diözesanrats der Erzdiözese München und Freising. (fho)

Erzdiözese plant Einrichtung eines Synodalen Gremiums
Rat aus Gremienvertretern soll grundlegende Themen der Erzdiözese diskutieren

Die Erzdiözese München und Freising geht konkrete Schritte zur Einrichtung eines Synodalen Gremiums. Am Samstag, 9. März, diskutierte der Diözesanrat der Katholiken bei seiner Frühjahrsvollversammlung in Bruckmühl, Landkreis Rosenheim, über das Vorhaben und bekräftigte den aktuellen Stand der Planungen durch einen Beschluss der rund 170 Delegierten. Das geplante Synodale Gremium setzt sich aus Vertretern bestehender Gremien, insbesondere der kirchenrechtlich vorgesehenen, zusammen. Es soll insbesondere bei grundsätzlichen Themen mit Bedeutung für die gesamte Erzdiözese, bei denen es unterschiedliche Sichtweisen gibt, diese verschiedenen Perspektiven auch in den direkten Austausch bringen. Ziel ist, durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit den relevanten Themen zu einer möglichst einmütigen Sichtweise zu finden.

Armin Schalk, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken, betonte, dass im Synodalen Gremium Themen behandelt werden sollten, die über die Zuständigkeiten der bestehenden Gremien hinausgingen, „Themen, bei denen wir vielleicht einen Interessenskonflikt haben oder bei denen wir uns beim besten Willen nicht einigen können“. Das neue Gremium solle „eine ganz intensive Auseinandersetzung“ ermöglichen, einen „Konsultationsprozess“, aus dem „neue Erkenntnisse“ entstehen sollten. Schalk zeigte sich zuversichtlich: „Wir wollen es probieren, im Sinne des Synodalen Weges, wollen jetzt im bestehenden kirchenrechtlichen Rahmen vorangehen.“ Der Vorsitzende hob zudem positiv hervor, dass im Synodalen Gremium ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Hauptamt und Ehrenamt bestehe.

„Unser Weg hier im Erzbistum ist, Schritt für Schritt zu einer synodalen Kirche zu werden, die auf dem Weg ist, und da gehen wir jetzt voran“, ergänzte der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, der ebenfalls das Wort an die Delegierten richtete. Es brauche eine Kirche, die „stärker partizipativ, transparent ausgerichtet“ sei. „Dafür stehe ich, dass wir uns hier einsetzen.“ Ziel sei, so Kardinal Marx, „dass wir realistisch, aber konsequent weiterarbeiten, dabei aber nicht denken, dass alles so schnell passieren kann, wie wir es wollen“. Er sei „sehr dankbar für das konstruktive und kritische Miteinander“ in der Erzdiözese. Der Synodale Weg sei „sehr notwendig, hier im Erzbistum und weltweit“, betonte der Erzbischof und wies gleichzeitig darauf hin: „Ein bisschen Gelassenheit und verbale Abrüstung täte uns ganz gut, und dafür werde ich eintreten, und das gilt natürlich auch für Rom.“

Zunächst soll das Synodale Gremium Themen des Synodalen Weges behandeln. Geplant sind Beratungen zur Umsetzung des Grundtextes „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, des Handlungstextes „Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament“, des Handlungstextes „Segensfeiern, für Paare, die sich lieben“ sowie zur Implementierung eines jährlichen Rechenschaftsberichts des Erzbischofs.

Das Synodale Gremium soll einen verlässlichen Ort schaffen, an dem die im Kirchenrecht vorgesehenen Gremien zusammentreten und so dem von Papst Franziskus angestoßenen Prozess einer stärker synodal geprägten Kultur der Beratung und Entscheidungsfindung eine Gestalt geben. So sollen fünf Vertreterinnen und Vertreter des Diözesanrats, drei Vertreter des Priesterrats und zwei Ehrenamtliche aus dem Diözesansteuerausschuss, der für Finanz- und Vermögensfragen zuständig ist, mitwirken. Hinzu kommen der Generalvikar der Erzdiözese, Christoph Klingan, die Amtschefin des Erzbischöflichen Ordinariats, Stephanie Herrmann, sowie die beiden Weihbischöfe Wolfgang Bischof und Rupert Stolberg. Den Vorsitz wird Erzbischof Kardinal Reinhard Marx innehaben, der in seinen Entscheidungen durch das Gremium verbindlich beraten werden soll. Das Synodale Gremium spricht Empfehlungen an den Erzbischof aus, die dieser dann in Kraft setzen oder zur erneuten Beratung vorlegen kann.

Die inhaltliche Ausrichtung, Zusammensetzung und Arbeitsweise des Synodalen Gremiums werden nun zunächst innerhalb der Erzdiözese weiter beraten, bevor Erzbischof Reinhard Kardinal Marx es offiziell einrichtet. Voraussichtlich zum Pfingstfest soll das Synodale Gremium seine Arbeit aufnehmen.

Bei seiner Frühjahrsvollversammlung befasste sich der Diözesanrat der Katholiken unter dem Motto „Der Mensch im Mittelpunkt – KI verantwortungsvoll gestalten“ schwerpunktmäßig mit dem Thema Künstliche Intelligenz. Mit Dekan Thomas Schlichting feierten die Delegierten einen Gottesdienst in der Pfarrkirche Herz Jesu. Der Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising ist die höchste Vertretung der Laien in der Erzdiözese und über die Pfarrgemeinde- und Dekanatsräte sowie die Verbände demokratisch gewählt. Die mehr als 200 Mitglieder des Diözesanrates treffen sich jeweils im Frühjahr und im Herbst zu ihren Vollversammlungen. (bs)

Künstliche Intelligenz – Chance, Herausforderung und Auftrag
Beschluss der Frühjahrsvollversammlung 2024
des Diözesanrates der Katholiken der Erzdiözese München und Freising

Papst Franziskus hat in seiner Friedensbotschaft vom 1. Januar 2024 Künstliche Intelligenz (KI) als eine „Galaxie verschiedener Wirklichkeiten“ benannt, deren Entwicklung dann einen positiven Beitrag „zur Zukunft der Menschheit und zum Frieden zwischen den Völkern leisten wird“, wenn wir verantwortungsbewusst handeln und menschliche Werte respektieren.[1] Das positive Potenzial von KI  kann jedoch nur dann zur Entfaltung kommen, wenn ihre Entwicklung und Anwendung in einen ethischen Rahmen eingebettet sind, der die jedem Menschen innewohnende Würde stets im Blick hat. Wir unterstützen und bekräftigen die Forderung des Rome Calls[2], dass alle KI-Systeme in Entwicklung, Design und Implementierung stets so zu konzipieren sind, dass sie der menschlichen Person und ihrer Umwelt dienen und diese schützen. Im Sinne des Personalitätsprinzips heißt dies konkret, dass KI-Systeme nicht zum Instrument der Diskriminierung aufgrund rassistischer Zuschreibungen, nach Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand[3] werden dürfen. Aufgrund der Freiheit und   Gleichheit an Würde und Rechten aller Menschen dürfen KI-Systeme niemals für die Ausbeutung menschlicher Personen gebraucht werden, sondern müssen im Dienst des Menschen als „Träger, Schöpfer und Ziel“[4] aller sozialen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivität stehen. Wir begrüßen vor diesem Hintergrund, dass politische Verantwortungsträger:innen für die möglichen positiven wie negativen Konsequenzen der Entwicklung und Implementierung von KI  sensibilisiert sind und sich für einen gesetzlichen Rahmen einsetzen, der die elementaren Rechte jedes Menschen schützen soll. Ein wichtiger Schritt im Prozess der Regulierung auf europäischer Ebene ist der Artificial Intelligence Act und das darin zum Ausdruck gebrachte Bestreben, auf der Grundlage eines risikobasierten Ansatzes Schaden und Grundrechtsverletzungen abzuwenden.[5]

KI ist auch für die Kirche von Relevanz: Zum einen werfen insbesondere Zukunftsvisionen der KI und die Überschreitung natürlicher Grenzen menschlicher Möglichkeiten grundsätzliche Fragen auf, die das christliche Bild vom Menschen berühren. Zum anderen ergibt sich aus der zunehmenden Präsenz von KI in vielen Bereichen des Lebens ein Bedürfnis nach Orientierung, Werten und Leitbildern. Es ist unsere Überzeugung, dass die katholische Soziallehre mit ihren Prinzipien als Orientierung in den vielen sozialethischen Fragen dienen kann, die sich aus einer voranschreitenden Entwicklung und Implementierung der KI zwangsläufig ergeben. KI wirft ethische Fragen in vielen Bereichen auf, insbesondere bei der Pflege und Medizin, der Bildung, der Öffentlichen Kommunikation, der Verwaltung[6] sowie der Arbeitswelt. Im Sinne der Solidarität ist zu gewährleisten, dass der Einsatz von KI nicht bedenkliche Exklusionsmechanismen in Gang setzt oder verstärkt, z.B. im Hinblick auf den Zugang zu digitalen Medien und entsprechender Hardware, aber auch hinsichtlich des Zugangs zu Kompetenzvermittlung – zu berücksichtigen sind hier besonders marginalisierte Gruppen wie z.B. (aber nicht ausschließlich) Senior:innen, Geflüchtete und Menschen in Armut. Eine Transformation hin zu KI-basierten Systemen muss gerade diese Menschen solidarisch berücksichtigen.

Das eigene Leben im Lichte der KI souverän gestalten zu können, braucht nicht nur ethische, politische und rechtliche Regulierung, sondern auch Kompetenz.[1] Ihre Vermittlung ist eine gesellschaftliche Gesamtaufgabe. Unter Kompetenz ist dabei nicht nur Nutzungskompetenz als eine instrumentell-qualifikatorische Dimension zu verstehen. Im Sinne des Personalitätsprinzips umfasst Kompetenz auch kognitive, affektive, kreative, soziale und kritisch-reflexive Dimensionen.[2]

Für den Medizin- und Pflegebereich muss gelten, dass eine Implementierung von KI, z.B. in der Form von maschinellem Lernen im Rahmen von Diagnostik-Verfahren und der Erarbeitung von Therapieempfehlungen, im Sinne des Personalitätsprinzips der jeweils spezifischen und persönlichen Situation von Patient:innen durch eine überprüfbare Plausibilität gerecht wird. Es muss gewährleistet werden, dass KI-gestützte Modelle keinen Bias zulasten von marginalisierten und strukturell benachteiligten Personengruppen (re)produzieren.[3] Die Verarbeitung von Patient:innendaten im Rahmen der medizinischen Forschung muss zugleich den Schutz Betroffener und ihrer Daten gewährleisten. Anwendung und ethische Einbettung von KI-Systemen müssen einen Platz haben in der Ausbildung von Mediziner:innen, um deren verantwortungsvollen Gebrauch zu gewährleisten. Der Zweck von KI-basierten Systemen darf nicht die völlige Ersetzung, sondern muss stets die Unterstützung medizinischer Fachkräfte sein. Dies gilt v.a. für die Pflege: Menschliche Nähe ist nicht ersetzbar. Aber gerade der Einsatz von HealthCare-Robotik und KI kann Kapazitäten freisetzen und mehr Raum für menschliche Zuwendung in der Pflege schaffen.

KI hat weitreichende Konsequenzen für Bildung in allen Lebensaltern. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung muss die Bildungsforschung die Altersgruppe der über sechzigjährigen  Menschen noch stärker in den Blick nehmen.  Bildung beschränkt sich dabei nicht nur auf den schulischen und universitären Bereich, sondern umfasst auch non-formales und lebenslanges Lernen. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels Der zugrundeliegende Zweck von Bildung ist die Entfaltung einer freien, verantwortungsvollen und individuellen Persönlichkeit. Der Einsatz von KI-basierten Instrumenten muss diesem Verständnis von Bildung entsprechen. KI kann zur „Befreiung von Unwissenheit“[4] beitragen. Die Technologisierung und Digitalisierung von Bildung ist kein Selbstzweck, sondern muss im Dienst eines am Personalitätsprinzip orientierten Bildungsverständnisses stehen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn KI-gestützte Systeme verwendet werden, um Schüler:innen mit Beeinträchtigungen  eine stärkere Selbstmitteilung – etwa im Bereich des Schriftspracherwerbs[5] –  und damit mehr Partizipation und Autonomie zu ermöglichen. Auch die Vermittlung von Sprach- und anderen Kenntnissen an Geflüchtete durch KI-gestützte Systeme ist Ausdruck einer am Personalitätsprinzip orientierten und solidarischen Nutzung von KI. Das Vermitteln von Kompetenz im Sinne einer umfassenden Fähigkeit, an sich (selbst) gestellte Anforderungen selbstbestimmt und verantwortungsvoll bewältigen zu können,[6] ist Grundaufgabe von Bildung. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die Anforderungen, die sich durch KI ergeben.  Um die Kompetenz hinsichtlich KI-basierter Systeme bei Lernenden und Lehrenden zu stärken, bedarf es entsprechender Bildungsinhalte. Auch hier gilt: Zweck von KI-gestützten Systemen in der Bildung ist nicht, Lehrende zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen und zu entlasten.

Öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung haben sich durch Digitalisierung und die Einbindung von KI-gestützten Instrumenten v.a. in den Sozialen Medien erheblich verändert.  Demokratie lebt vom freien Meinungsaustausch mündiger und informierter Bürger:innen – gerade deswegen sind eine ethische Einbettung und wirksame Regulierung Sozialer Medien ebenso unabdingbar wie eine umfassende Kompetenzvermittlung. Hierzu gehört angesichts der Gefahr von Filterblasen und Echokammern, dass Soziale Medien dazu verpflichtet werden, nicht nur transparent zu machen, woher Inhalte stammen, sondern auch, aufgrund welcher Kriterien diese ausgewählt und zusammengestellt sind. Gegen sogenannte Deep Fakes, also täuschend echte, mithilfe von KI produzierte oder verfälschte Medieninhalte, bedarf es wirksamer Mechanismen. Angesichts der Gefahr gewinnorientierter Datenverarbeitung durch Soziale Medien bedarf es klarer und robuster Regeln zur Sicherung der Datensouveränität[1] von Nutzer:innen. Die Betreiber Sozialer Medien müssen dazu verpflichtet werden, wirksam die Diskriminierung von Menschen auf ihren Plattformen zu unterbinden.

Auch im Bereich der sozialen Verwaltung bietet KI großes Potential für die Beschleunigung von Prozessen. Algorithmenbasierte Entscheidungshilfen können insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hilfreich sein, aber gelegentlich auch destruktiv wirken. Exemplarisch gilt dies etwa für die Risikobewertung im Falle potenzieller Kindeswohlgefährdungen. Hier könnte KI bei der Erkennung bestimmter Muster, die auf eine tatsächliche Kindeswohlgefährdung hindeuten, zum Einsatz kommen.  Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass es zu Automatismen kommt, die der individuellen Konstellation Betroffener nicht gerecht werden.[2] Es wäre ein grober Verstoß gegen das Personalitäts-, Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzip, würde man weitreichende Entscheidungen an eine KI delegieren. Auch hier muss gelten: KI ist dann begrüßenswert, wenn sie subsidiär als Entscheidungshilfe fungiert, sie darf aber nicht anstelle eines menschlichen Verantwortungsträgers die Entscheidung selbst treffen. Das schließt auch die Möglichkeit ein, dass sich menschliche Verantwortungsträger gegen die Empfehlung einer KI entscheiden können, wenn sich dies z.B. durch persönliches Erfahrungswissen nahelegt [3].

Weitreichende Veränderungen werden sich durch die voranschreitende Entwicklung und Implementierung von KI im Bereich der Arbeit ergeben. Neue Aufgabenfelder und damit Arbeitsplätze werden entstehen. Eine aktuelle Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) weist darauf hin, dass bis zu 60 Prozent der Jobs in Industrieländern von KI betroffen sind. Für etwa die Hälfte davon werden sich laut IWF negative Konsequenzen ergeben, da KI Aufgaben übernehmen können wird, die bislang von Menschen ausgeführt werden.[4] KI kann langfristig zu einer erhöhten Ungleichheit führen: Diejenigen, deren Produktivität durch KI weiter gesteigert wird, profitieren durch höhere Gehälter, diejenigen, deren Tätigkeit zunehmend durch KI ersetzbar ist, könnten zurückfallen. Es bedarf daher einer politischen und unternehmerischen, proaktiven Gestaltung der Transformation. So sollten z.B. Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen frühzeitig Orientierung bieten und sie mit Kompetenzen ausstatten, die für neu entstehende Aufgabenfelder benötigt werden. Dieser Prozess setzt voraus, dass Arbeitnehmer:innen nicht als Objekte, sondern Subjekte der Transformation wahrgenommen und partizipativ beteiligt werden.

KI ist Ausdruck des schöpferischen Potenzials des Menschen. Theologisch gesprochen entspricht der Mensch dann dem Auftrag Gottes, wenn er „mit Hilfe der Technik“ dazu beiträgt, dass die Erde eine „würdige Wohnstätte für die gesamte menschliche Familie werde“[1]. Die Gestaltung dieser Wohnstätte ist nicht Aufgabe einzelner Expert:innen, sondern uns allen als kontinuierliche, fortlaufende Aufgabe aufgetragen – das gilt auch für den Umgang mit KI.

Wir rufen daher dazu auf, dass:

  • Verantwortliche in Medizin und Pflege in unserem Erzbistum, an medizinischen Fakultäten, in Forschung und Krankenhäusern den Einsatz von KI-basierten Systemen fördern und daran ausrichten, dass die Würde von Patient:innen im Mittelpunkt steht. KI ist immer als Unterstützung, niemals als vollständiger Ersatz medizinischer Fachkräfte zu gebrauchen.
  • Akteur:innen in formaler und non-formaler Bildung, z.B. Schulen in kirchlicher Trägerschaft, Erwachsenenbildung und Senior:innenpastoral, bei der Vermittlung von Kompetenz einen umfassenden, neben Nutzungskompetenz auch kognitive, affektive, kreative, soziale und kritisch-reflexive Dimensionen umfassenden Kompetenzbegriff zugrunde legen.
  • Verantwortungsträger:innen an unseren kirchlichen wie staatlichen Schulen Digitalisierung und den Einsatz von KI nicht als Selbstzweck behandeln, sondern an einem Bildungsverständnis ausrichten, das die Entfaltung freier, verantwortungsbewusster und individueller Personen begleitet und unterstützt.   KI ist insbesondere zur Förderung vulnerabler Gruppen, z.B. Kinder mit Beeinträchtigungen, im Sinne der Solidarität, der Befähigung und der Inklusion, zu fördern.Verantwortliche in Landes-, Bundes- und Europapolitik sich um die Regulierung Sozialer Medien bemühen und sich noch stärker als bisher für gesetzliche Regelungen für Datensouveränität und gegen Hass, Hetze und Diskriminierung einsetzen.
  • Städte und Gemeinden in unserem Erzbistum KI barrierefrei dort in ihre Verwaltung integrieren, wo dies im Sinne von Bürger:innen, Antragssteller:innen und anderweitig Betroffenen – etwa durch die Beschleunigung von Prozessen – ist. Diese Integration von KI ist so zu gestalten, dass die finale Verantwortung für weitreichende Entscheidung beim Menschen liegt. Die Möglichkeit, die Begründungspflicht umzukehren, ist explorativ zu erproben.
  • die katholisch-theologischen Fakultäten an den Hochschulen und Universitäten im Erzbistum München und Freising sich mit den anthropologischen, pastoralen und sozialethischen Implikationen und Herausforderungen der KI befassen, um Orientierung bieten zu können.
  • die kirchlichen Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Akademien und Bildungswerke KI als übergreifendes soziales, ethisches und theologisches Thema berücksichtigen. Dies muss auch eine Stärkung des medienpädagogischen Angebots und die Vermittlung vom Kompetenz miteinschließen.
  • die vielen Firmen in der Arbeitswelt im Bereich der IT-, Mikroelektronik und Hochtechnologie langfristige Strategien entwickeln, wie KI-bedingte Transformationsprozesse für sie und ihre Mitarbeiter:innen zukunftsweisend gestaltet werden können. Dies schließt mit ein, das Wohl von Mitarbeiter:innen im Sinne der Fürsorgepflicht, der Solidarität und Personalität durch entsprechende zukunftsweisende Fortbildungen und Kompetenzvermittlung zu stärken.

[1] Gaudium et spes, 57.

[1] Der Deutsche Ethikrat hat unter diesem Stichwort den Schutz von Individuen und ihren Grundrechten im digitalen Raum zusammengefasst, insbesondere im Hinblick auf Big Data und Gesundheit, siehe hierzu: Deutscher Ethikrat, Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung. Stellungnahme, Berlin 2017, abrufbar unter: Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung (ethikrat.org)

[2] Vgl. Interview „Zeit für KI?“ mit Andreas Lob-Hüdepohl, in: Treffpunkt Kommune, 3. Juli 2023, abrufbar unter: Zeit für KI? – Treffpunkt Kommune (treffpunkt-kommune.de)

[3] Vgl. Deutscher Ethikrat, Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz- Stellungnahme, Berlin 2023, S. 61, abrufbar unter: stellungnahme-mensch-und-maschine.pdf (ethikrat.org)

[4] Vgl. International Monetary Fund, Gen-AI: Artificial Intelligence and the Future of Work, 2024, abrufbar unter: SDNEA2024001.pdf (ordinariat-muenchen.de)

[1] Vgl. Clearingstelle Medienkompetenz der DBK, Digitalität und Intelligenz: Technik im Dienst des Geist-begabten und Selbst-bewussten Menschen, 2020, abrufbar hier: Thesenpapier-Digitalitaet-und-KI-20.11.2020.pdf (katholisch.de)

[2] Vgl. hierzu das Rahmenkonzept des Projekts „Digitales Deutschland | Monitoring zur Digitalkompetenz der Bevölkerung“, angesiedelt bei Jugend Film Fernsehen e.V. und gefördert durch das BMFSFJ, abrufbar hier: Rahmenkonzept – Digitales Deutschland. (jff.de)

[3] Vgl. hierzu insbesondere Mittermaier, M. et al, Bias in AI-based models for medical applications: challenges and mitigation strategies, in: npj Digit. Med. 6, 113 (2023), abrufbar unter: Bias in AI-based models for medical applications: challenges and mitigation strategies | npj Digital Medicine (nature.com)

[4] Franziskus, Künstliche Intelligenz und Weisheit des Herzens: für eine wahrhaft menschliche Kommunikation (=Botschaft des Hl. Vaters des 58. Welttages der Sozialen Kommunikationsmittel), abrufbar unter: Messaggio del Santo Padre Francesco per la 58<sup>ma</sup> Giornata Mondiale delle Comunicazioni Sociali (vatican.va)

[5] Vgl. z.B. Yoder, D. & Koppenhaver, D.A., A literacy bill of rights, Chapell Hill, NC 1997, die fordern, dass jeder Mensch – unabhängig vom Schweregrad seiner Behinderung – ein Grundrecht auf Umgang mit und Zugang zu Schriftsprache hat.

[6] Vgl. für diesen Kompetenzbegriff Weinert, F. E., Leistungsmessung in Schulen, Weinheim 2003 sowie das Rahmenkonzept Digitales Deutschland, abrufbar hier: Rahmenkonzept – Digitales Deutschland. (jff.de).

[1] Vgl. Franziskus, Botschaft zum 57. Weltfriedenstag, 1. Januar 2024, abrufbar unter: Wortlaut: Friedensbotschaft von Papst Franziskus – Vatican News

[2] Päpstliche Akademie für das Leben et al., Rome Call for AI Ethics, abrufbar unter: RomeCall_Paper_web.pdf

[3] Vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Art 2.

[4] Johannes XXIII., Enzyklika MATER ET MAGISTRA, 1961, 219.

[5] Vgl. Rat der EU, Gesetz über Künstliche Intelligenz, 2022, abrufbar unter: Gesetz über künstliche Intelligenz: Rat will sichere und die Grundrechte wahrende KI fördern – Consilium (europa.eu)

[6] Vgl. Deutscher Ethikrat, Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz- Stellungnahme, Berlin 2023, abrufbar unter: stellungnahme-mensch-und-maschine.pdf (ethikrat.org)

Schalk: katholische Soziallehre auch für KI tragfähig
Diözesanrat diskutiert auf Frühjahrsvollversammlung über Künstliche Intelligenz

Der Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising verabschiedet auf der jährlichen Frühjahrsvollversammlung 2024 ein Beschlusspapier zu den ethischen Dimensionen der Künstlichen Intelligenz aus der Perspektive der katholischen Laien. Dem vorangegangen war eine rege Diskussion mit über 170 Mitgliedern des Diözesanrats und geladenen Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. „KI wirft ethische Fragen in vielen Bereichen auf“, heißt es im Beschluss. „Im Sinne der Solidarität ist zu gewährleisten, dass der Einsatz von KI nicht bedenkliche Exklusionsmechanismen in Gang setzt oder verstärkt.“

In seiner Stellungnahme wies der Diözesanrat auf das Dilemma hin, dass gerade diejenigen Menschen, die in Zukunft vermehrt auf KI-gestützte Entscheidungen angewiesen sein würden in Bereichen wie der Pflege und Medizin, der Bildung und der Verwaltung gefährdet seien, den Zugang zu und die Kontrolle über KI zu verlieren, sowohl im technischen Sinne, als auch im Hinblick auf die Kompetenzen im Umgang mit der KI: „zu berücksichtigen sind hier besonders marginalisierte Gruppen, wie zum Beispiel (aber nicht ausschließlich) Seniorinnen und Senioren, Geflüchtete und Menschen in Armut.“ Sorge bereite auch die Instrumentalisierung Künstlicher Intelligenz zur Verbreitung von Hass und falschen Informationen in den Sozialen Medien.

Neben den Gefahren sieht der Diözesanrat aber auch Chancen beim Einsatz von KI, die besonders da zum Tragen kommen, wo das katholische Personalitätsprinzip eingehalten werde, das die grundlegende Individualität und Gleichwertigkeit aller Menschen festlegt. KI dürfe Lehrer, Pflegepersonal und die direkte menschliche Zuwendung in anderen Bereichen nicht ersetzen, sondern müsse dazu dienen, Menschen zu entlasten und unterstützen. KI dürfe überdies „nicht als Selbstzweck behandelt“ werden, sondern solle „die Entfaltung freier, verantwortungsbewusster und individueller Personen begleiten und unterstützen“, zum Beispiel bei der Inklusion und Förderung vulnerabler Gruppen. Im Bereich der Verwaltung stellt der Diözesanrat fest, dass auf der einen Seite die Beschleunigung von Prozessen eine positive Entwicklung sei, ihre Integration sei jedoch „so zu gestalten, dass die finale Verantwortung für weitreichende Entscheidungen beim Menschen liegt.“ Nicht zuletzt sollten sich nach Meinung des Diözesanrats die Bildungseinrichtungen der Erzdiözese München und Freising der Kompetenzvermittlung im Zusammenhang mit KI verschreiben. Der Diözesanrat der Katholiken ist das oberste Laiengremium der Erzdiözese. In die Vollversammlung werden Vertreterinnen und Vertreter der Dekanatsräte, die sich aus Mitgliedern der Pfarrgemeinderäte zusammensetzen, sowie Vertreter der katholischen Verbände und Organisationen entsandt. Neben Schalk berichteten im Rahmen der Versammlung auch Kardinal Reinhard Marx, und tauschten sich mit den Teilnehmenden aus. (fho)

Bericht: Erzbischöfliches Ordinariat – Foto: Hötzelsperger

 

Redaktion

Christina Rechl

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