Interview mit Dr. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes
Frage: Sehr geehrter Herr Dr. Ebbertz, in Bayern gibt es aktuell rund 650 Brauereien in ganz unterschiedlicher Struktur. Wie wirkt sich die Coronakrise auf die Unternehmen aus?
Die bayerische Brauwirtschaft hatte sich in den zurückliegenden Jahren deutlich besser entwickelt als die Branche im Bundestrend. Im Wesentlichen lag das am starken Export. Ein knappes Viertel des bayerischen Bierabsatzes erfolgt in Auslandsmärkten. Jedes dritte aus Deutschland exportierte Bier kam noch 2019 aus einem bayerischen Sudkessel. Hier beklagen wir nun deutliche Absatzverluste, im ersten Halbjahr rund 15 Prozent.
Ein zweites wichtiges Standbein für unsere Brauereien ist die Gastronomie. In Wirtschaften und Biergärten setzen wir weitere gut 20 Prozent unseres Bieres ab. Durch den Lockdown ging hier über Wochen gar nichts. Reine Schankwirtschaften ohne Speisenangebot sind bis heute geschlossen. Zusätzlich fallen heuer alle Feste aus.
So haben Bayerns Brauer allein im April fast 20 Prozent Absatzverlust gegenüber dem Vorjahr zu beklagen. Im Mai waren es nochmals über 12 Prozent. Das ist der schlimmste Einbruch, den die Branche seit dem Krieg erlebt hat. Wir freuen uns, dass der Absatzrückgang sich im Juni wieder abgeschwächt hat. Aber der Rückweg zur Normalität ist weit.
Außerdem sind diese Werte nur Durchschnittswerte. Einzelne Brauereien mit ausgeprägter Abhängigkeit von der Gastronomie, Unternehmen, die in den letzten Jahren große Exporterfolge zu verzeichnen hatten, die viele Feste verlieren beutelt die Corona-Krise jetzt auch in besonderem Maße
Frage: Bier, das im ersten Halbjahr 2020 nicht getrunken wurde, wird in der nächsten Zeit nicht nachträglich konsumiert. Wie können die Brauereien selbst reagieren und welche konkrete Unterstützung wünschen Sie sich von der Politik?
Der gerade im Gastgewerbe verlorene Umsatz der Monate des Lockdowns wird natürlich nicht nachgeholt. Wir freuen uns schon, dass mit der Wiedereröffnung der Gastronomie, insbesondere der Biergärten und -keller, der Absatz hier wieder anzieht. Sehr dankbar sind wir, dass die Verbraucher durch ihr Bierkaufverhalten vielerorts ein klares Bekenntnis zu den Brauereien ihrer Region abgegeben und verlockenden „Supersonderangebote“ im Handel widerstanden haben.
Die Existenzsicherung der Gastronomie ist für die Brauereien von besonderer Bedeutung. Z.B. durch Pachtverzicht haben zahlreiche von ihnen hier schon viel geleistet. Mich ärgert es dann schon, wenn im benachbarten Österreich und Tschechien die Mehrwertsteuer auch für die Abgabe von Bier in der Gastronomien gesenkt wurde, um das Gastgewerbe zu stärken, während in Deutschland ernsthaft die Forderung vorgetragen wurde, die Abgabe von Alkohol doch von der beschlossenen Mehrwertsteuersenkung von 19% auf 16% generell auszunehmen. Die Senkung der Mehrwertsteuer für das Gastgewerbe von jetzt 16% auf 5% bis zum Jahresende wurde ohnehin auf das Speisenangebot beschränkt.
Die Abgabe von Getränken in der Gastronomie (alkoholhaltige ausdrückliche eingeschlossen) in die Mehrwertesteuersenkung einzubeziehen, ist deshalb auch einer der Wünsche der Brauwirtschaft. Und natürlich muss diese Mehrwertsteuersenkung dauerhaften Bestand haben.
Frage: Großveranstaltungen dürfen derzeit nicht stattfinden. Viele Volksfeste sind abgesagt. Gibt es für die Veranstalter, häufig Vereine und Brauereien, irgendeine Prognose, wie es in den nächsten Monaten weitergehen kann?
Die Brauereien wünschen sich natürlich eine Perspektive. Die Festsaison 2020 ist ohnehin abgeschrieben. Aber sie möchten für 2021 planen. Was wird aus der Faschings-, was aus der Starkbiersaison? Wir dürfen uns nichts vormachen: So lange keine Möglichkeiten bestehen, die Ausbreitung des Corona-Virus durch eine wirksame Impfung einzudämmen, sieht es für größere Veranstaltungen jedweder Art schlecht aus.
Forschung und Wissenschaft verbreiten, was die absehbare Verfügbarkeit eines Impfstoffes betrifft, vorsichtigen Optimismus. Dem möchte ich mich gerne anschließen. Bis dahin müssen wir vor allem mit den bereits eingeleiteten Lockerungen verantwortungsvoll und umsichtig umgehen, um sie zu erhalten.
Frage: Das Bayerische Braugewerbe ist kulturstiftend. Jüngst hat die deutsche UNESCO-Kommission das handwerkliche Bierbrauen zum Immateriellen Kulturerbe erklärt. Biergartenbesuche gehören für viele Menschen einfach zum Leben dazu. Droht hier ein nachhaltiger Schaden?
Meines Erachtens müssen wir die Entwicklung der Brauereien von der des Gastgewerbes trennen und gleichzeitig die Abhängigkeiten im Auge behalten. Dem größeren Risiko sind – ohne die Schwierigkeiten des Braugewerbes kleinreden zu wollen – derzeit die Gastronomen ausgesetzt.
Brauereien können weggefallene Gastronomieabsätze wenigstens teilweise durch ein Plus im Handel kompensieren. Dem Gastgewerbe bieten sich diese Chance nicht. Inwieweit die Menschen das Angebot der Innengastronomie nutzen, wenn das Wetter den Besuch der Außengastronomie ab Herbst bestenfalls eingeschränkt zulässt, muss sich erst zeigen.
Wenn ein Stück bayerische Kultur und Lebensart derzeit Corona-bedingt gefährdet ist, dann das bayerische Wirtshaus – das es ja leider schon heute in vielen Gemeinden nicht mehr gibt.
Im Prinzip haben die Gäste es in der Hand, im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Schutzkonzepte des Gastgewerbes ihren Beitrag zu leisten, durch den Wirtshausbesuch gastgewerbliche Existenzen zu sichern, wozu ich sie nur ermuntern kann.
Dort, wo Brauereien von florierendem Gastgewerbe abhängen, weil sie einen großen Teil ihres Bieres hier absetzen, an das sie brauereieigene Objekte verpachten bzw. selbst angepachtete Objekte unterverpachten oder das sie zum Teil ja auch nicht unerheblich durch Darlehen unterstützt haben, könnten strauchelnde Wirte auch für Brauereien zum Risiko werden.
Frage: Wie geht es den Brauereigasthöfen? Gehen Wirte, Beschäftigte und vor allem die Gäste nach Ihrer Einschätzung verantwortungsvoll mit den bisherigen Lockerungen um?
Nach den Wochen des Lockdowns nehme ich eine spürbare Sehnsucht der Menschen nach Normalität wahr, zu der in Bayern auch der Besuch der Gastwirtschaften gehört. Das gesellige Miteinander mit der Familie oder Freunden bei einem Glas Bier hat ihnen einfach gefehlt.
Das bayerische Gastgewerbe hat unter Führung seines Fachverbandes mit großem Aufwand und politischer Unterstützung Hygienekonzepte entwickelt, die im Außen-, aber auch Innenbereich der Wirtschaften das Infektionsrisiko weitestmöglich reduzieren. Natürlich halten Wirte und Beschäftigte sich an diese Vorgaben. Sie wissen um die potentiell existenzbedrohenden Konsequenzen ihrer Missachtung.
Und auch die Gäste nehmen die Vorgaben ernst, um sich dieses Stück zurückgewonnener Freiheit zu erhalten und das wiederhergestellte bayerische Lebensgefühl nicht gleich wieder leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Wenn über die Stränge geschlagen und das unter großen Opfern Erreichte rücksichtslos gefährdet wird, dann bei „wilden“ Partys außerhalb der Gastronomie.
Frage: Können Sie unseren Lesern eine Hilfestellung geben, wie sie gut geführte Brauereigasthöfe finden können?
Der Bayerische Brauerbund hat kürzlich auf seiner Internetseite www.bayerisches-bier.de den „Bierfinder“ veröffentlicht, einen Wegweiser nicht nur zu den rund 650 Brauereien im Land, sondern auch zu den bayerischen Brauereigasthöfen. Über eine separate Filterfunktion kann man sie sich auf einer Bayernkarte ausweisen lassen und durch einfaches Anklicken kommt man auf eine kurze Beschreibung. Ein Link führt dann zur Internetseite des jeweiligen Brauereigasthofs. Stöbern lohnt sich! Man findet hier viele Anregungen für Ausflüge und kultivierten Biergenuss in ganz Bayern.
Bericht und Fotos: Fritz Lutzenberger, Bayernbund für Weiß-Blaue Rundschau – www.bayernbund.de
Foto: Bayernbund – Dr. Lothar Ebbertz stellte sich den Fragen von Bayernbund-Landesvorsitzenden Sebastian Friesinger (rechts) und Redakteur Fritz Lutzenberger.