„Liebe Gäste, es wird ein „Corona-Aufschlag“ von 1 € pro Person erhoben! Wir bitten um Verständnis“. Mit großen weißen DIN A4 Blättern weist die Sonnenalm auf der Kampenwand hoch über Aschau darauf hin, dass die Gäste im Lokal mit einem Extra zur Kasse gebeten werden. „Wir finden es ehrlicher, wenn wir einen Hygieneaufschlag einführen, den wir nach Corona ohne großen Aufwand wieder beenden können, als wenn wir unsere Preise auf der Speisekarte nach oben korrigieren würden“, sind sich die Bedienung auf der Sonnenalm Daniela Reindl und ihr Chef Eric Zbil einig. „Gastwirtschaft ist Gastwirtschaft. Wir haben die gleichen Auflagen, wie die Wirtschaften im Tal und haben uns daher entschlossen, unser Hygienekonzept für den Gast so durchsichtig, wie möglich zu machen. Unsere Preise für Speisen und Getränke sind im Vergleich zum Vorjahr gleich geblieben, die Kosten für den Betreiber sind durch die neuen Corona-Vorschriften aber enorm gestiegen“.
Zusätzlich zum vorhandenen Personal stellte die Sonnenalm mehrere Mitarbeiterinnen für die geforderten Hygienemaßnahmen ein. Bereits vor dem Eingang wurde ein Brunnen zum Händewaschen und Desinfizieren aufgestellt und installiert. Das ist verpflichtend für alle. Weiter geht’s vom Handwaschbrunnen zur Rezeption am Eingang: „Jeder Gast muss schriftlich erfasst werden, alle werden von der Tür bis zum Tisch gebracht und dort platziert. Wir wissen stets, wie viele Gäste wir im Lokal haben und ob noch irgendwo ein Platz frei ist“. Die Speiskarte gibt es am Tisch elektronisch aufs Handy oder gut sichtbar handgeschrieben auf der Tafel in der Wirtsstube. Alle Servicemitarbeiter tragen Gesichtsmasken nach Vorschrift. Die gemütlichen Polster, der Tischschmuck, Salz und Pfeffer und sogar die Bierfilzl sind nicht mehr da – das Almflair ist damit weg. Eine spartanische Strenge durchzieht die Stube. Sobald die Gäste das Lokal wieder verlassen, werden sofort der Tisch, die Sitzbänke und Stühle desinfiziert und stehen erst danach für den nächsten zur Verfügung. Zwischen den belegten Tischen wird jeweils ein Tisch freigehalten, das Platzangebot hat sich mehr als halbiert. Zu einer Clique einfach dazusetzen, wie es auf der Alm guter Brauch wäre, geht auch nicht. Im Wirtsgarten mit seinem weiten Panoramablick ins Prien- und ins Achental ist ebenfalls nur ein Bruchteil der Tische nutzbar, draußen gelten die gleichen Regeln, wie drinnen. „Die Hygiene geht noch weiter: alle Toiletten werden bedeutend öfter gereinigt und desinfiziert als bisher, ständig muss irgendwo im Haus gereinigt und geputzt werden“.
Daniela Reindl und ihre Kollegen erklären allen Gästen den Aufpreis von einem Euro. „Zusätzliche Kräfte und zusätzliches Verbrauchsmaterial für die Hygiene kosten natürlich etwas. Wir wollten die Kosten transparent halten und wenn die Corona-Maßnahmen zurückgefahren werden, entfällt auch sofort der Aufschlag“.
An diesem Vormittag ist das Lokal ganz locker besetzt. An einem Tisch sitzen zwei Gleitschirmpiloten, die nicht mit so einem trüben Wetter gerechnet haben und hier auf bessere Zeiten warten. Sie kennen beide noch die Preise vom letzten Jahr und finden es gut, dass der Gaststättenbetreiber seine zusätzlichen Unkosten auf dies Art hereinbringen will. „Der eine Euro tut niemand weh“. Daneben sitzen ein älteres und ein jüngeres Ehepaar, offensichtlich die Großeltern und Eltern des kleinen Kindes, das auf der Bank herumturnt. Auch sie zeigen Verständnis für die Maßnahme: „Ich bin Briefmarkensammler und da gab es lange Zeit die blaue Zweipfennigmarke Notopfer Berlin“, erzählt der ältere, „diese zwei Pfennig auf jedem Brief haben niemand weh getan und sich in jedem Jahr zu Riesenbeträgen summiert. Als sie nicht mehr gebraucht wurden, wurden sie abgeschafft“. Er ergänzt, dass die Bevölkerung mit dem Soli für den Aufbau der ehemaligen DDR ja viel Erfahrung mit solchen Zwangsabgaben habe. Man solle nur aufpassen, dass die Corona-Abgabe sich nicht verselbständige und auf ewig bleibe, so wie die Sektsteuer. Diese wurde 1902 für den Bau eines Kriegsschiffs der kaiserlichen Marine eingeführt – das Schiff ist längst gesunken, die Steuer ist nach über 100 Jahren aber immer noch da. Natalie und Frederic aus Stade halten die zusätzlich Abgabe für gerechtfertigt: „Die Preise hier oben auf dem Berg sind im Vergleich mit unseren Preisen im Norden ganz human, wenn der Wirt eine besondere Leistung erbringt, dann muss die auch vergütet werden. In Italien regt sich niemand auf, wenn für das Brot auf dem Tisch und das Gedeck ein Zwangsaufschlag für pane e coperto oder pane e servicio verlangt wird“.
Bericht und Fotos: Heinrich Rehberg
Die Sonnenalm auf der Kampenwand auf 1500 Meter Höhe, ein paar Meter entfernt von der Bergstation der Kampenwandseilbahn
Mit großen weißen DIN A4 Blättern weist die Sonnenalm auf der Kampenwand hoch über Aschau darauf hin, dass die Gäste im Lokal mit einem Extra zur Kasse gebeten werden.
Touristen
Kurz vor der Bergstation der Kampenwandseilbahn
Kurz vor der Talstation der Kampenwandseilbahn