Kirche

Die Glocken von St. Florian in Frasdorf

Nachdem Pfarrer Paul Janßen an Weihnachten 2022 eine beeindruckende CD mit dem Glockengeläut sämtlicher Glocken aus dem Pfarrverband Oberes Priental zusammengestellt hat, hat Hildegard Osterhammer nach Absprache mit Pfr. Janßen die Geschichte der Glocken der Wallfahrtskirche St. Florian in Frasdorf aufgeschrieben. Über einen langen Zeitraum gab es drei Glocken in der Kirche. Sie waren auf die Töne as, b und f gestimmt.

Glocke I – Florians Glocke

Die große, 1685 gegossene Glocke hat einen Durchmesser von 1 Meter, ist auf den Ton as gestimmt und hat laut Niederschrift von Pfarrer Linsenmann ein Gewicht von 650 kg. Sie wird auf der Krone von einem Schriftband umrahmt mit der Inschrift: „A fulgare et tempestate libera nos domine Jesu Christe“ (Übersetzt: „Von Blitz und Sturm (Ungewitter) befreie uns, Herr Jesu Christ.“). Eine Anrufung, wie sie auch in alten Litaneien, beim Wettersegen oder beim Eucharistischen Segen am Fronleichnamsfest vorkam.

Am Rumpf ist auf der Westseite ein Reliefguß mit dem Gemälde des hl. Florian, der mit einem Wasserkübel ein neben ihm stehendes, brennendes Haus löscht, und darunter in einem verzierten Rahmen die Inschrift: „PAULUS KOPP GOSS  MICH IN MÜNCHEN MDCLXXXV“ (Paulus Kopp goss mich in München 1685). Auf der gegenüberliegenden Ostseite ist das reich verzierte Wappen der Herren von Schurff abgebildet mit folgender Schrift darunter: „FERDINANT SCHURF FREIHERR AUF MARIASTAIN HERR Z: WILDENWART P: VIRGILIUS V: STAHLBURG CAN: REG: CHIEMENSIS PFARRVICARIUS Z: PRIEN“ Es ist anzunehmen, dass diese, dem hl. Florian geweihte Glocke, von Ferdinand Schurff und Virgil von Stahlburg (Stachlburg) gestiftet worden ist. Die im benachbarten Wildenwart lebenden Herren von Schurff übten über viele Jahre die Herrschaft in Wildenwart und Maria Stein in Tirol aus. Ferdinand II. Schurff war von 1646 bis zu seinem Tod 1688 Herrschaftsinhaber in Wildenwart. Pater Virgilius Freiherr von Stachlburg – canonicus regularis- war Augustiner Chorherr von Herrenchiemsee und von 1671 bis 1691 Pfarrvikar von Prien. („Vikar“ deshalb, weil der offizielle Pfarrer der Stiftsprobst selber war, da die Kirche dem Stift incorporiert war). St. Florian gehörte zu dieser Zeit zur Pfarrei Prien.

Glocke II – Anna Glocke

Die älteste Glocke hat einen Durchmesser von 87 Zentimeter und ist auf den Ton b gestimmt. Sie wurde 1503 gegossen. Zu dieser Zeit tobte der Landshuter Erbfolgekrieg in unserer Gegend. Im Priener Heimatbuch ist zu lesen: „Der Landshuter Erbfolgekrieg richtete im Gericht Wildenwart und im Chiemgau schwere Verwüstungen an“. Aber trotz – oder gerade wegen – dieser Kriegswirren, wurde bald nach Fertigstellung der jetzigen Florikirche diese Glocke in Auftrag gegeben.

Auch sie wird am oberen Abschluß, mit einem Schriftband umrundet, dessen Inhalt lautet:

  • „anna hais ich – sant Florians pin ich – hans selos gos mich 1503 (Übersetzt: anna heiß ich – in sankt Florian bin ich – hans selos goß mich 1503)
  • „hoc contra signum stet periculum“ (Übersetzt: „Gegen dieses Zeichen bestehe keine Gefahr.“)

Der Text ist dem, Bischof Heribert von Eichstätt (+1042) zugeschriebenen Heilig-Kreuz-Hymnus, Salve crux sancta entnommen. Und am Rumpf sind auf der Ost- und Westseite je ein Relief angebracht mit der Darstellung Christus am Kreuz, seitlich Maria und Johannes.

Glocke III – Wetter Glocke

Die kleinste Glocke, auch Wetterglocke genannt, war auf den Ton f gestimmt und wog nur 22 kg. Sie wurde nach alten Aufzeichnungen, 1666 von einem umherziehenden Glockengießer vor Ort gegossen. Am Rumpf hatte sie eine Darstellung der Muttergottes (unbefleckte Empfängnis) und auf der Krone die Inschrift: „Christoph Herzisrosen Ha Mi goßen 1666“ (Übersetzt: Christoph Herzisrosen hat mich gegossen 1666). Dann kamen leider die beiden Weltkriege und somit schwierige Zeiten für alle Kirchenglocken. Beim 1. Krieg ging es allerdings gut aus für St. Florian. Am 14. Mai 1917 kam die schriftliche Bescheinigung, „daß alle drei, der kath. Kirchenstiftung St. Florian (Frasdorf) gehörenden Glocken, von der Beschlagnahme, Enteignung und Ablieferung befreit worden sind“. Sicherlich ein großes Aufatmen in der Pfarrei.

Nicht so beim 2. Krieg. Am 28. März 1942 wurden sowohl die große, 1685 gegossene, als auch die kleine, 1666 gegossene Glocke beschlagnahmt. Nur die mittlere von 1503 durfte bleiben. Sie war aufgrund ihres Alters vor der Enteignung geschützt. Die Baufirma Mayer aus Rosenheim war mit dieser sogenannten Glocken-Aktion beauftragt. Sie mußte alle beschlagnahmten Glocken in der Umgebung abholen und nach Rosenheim transportieren. Um wenigstens die Glocke III, die Wetterglocke, in St. Florian erhalten zu können, haben sich die Bauern der Kirchtracht St. Florian angeboten, ihre Dachglocken bis zum Gewicht dieser Kirchenglocke zum Einschmelzen abzugeben. Daraufhin wurde vorerst nur die große Glocke abtransportiert und die kleine durfte hier bleiben. Allerdings mußten sich die Verantwortlichen verpflichten, falls dieser Vorschlag nicht angenommen wird, die Glocke selber kostenlos ins Sammellager nach Rosenheim zu bringen. So war es dann leider auch. Am 18. Juni 1942 kam die Benachrichtigung, dass diesem Vorschlag nicht entsprochen werden kann. Die Bauern mußten daraufhin die Wetterglocke selber nach Rosenheim bringen, damit auch sie für Kriegszwecke eingeschmolzen werden konnte. Sicherlich eine traurige Tatsache.

Aber Gott sei Dank, ging der Krieg zu Ende, bevor alle Glocken eingeschmolzen waren. Auch die große Glocke von 1685 war noch erhalten und konnte zurück gebracht werden. Pfarrer Josef Linsenmann hat in der Pfarrchronik handschriftlich festgehalten: „Die Glocke I ist am 8. Juli 1947 zur großen Freude der Kirchtracht (von Würzburg her) unversehrt zurückgekommen. Mit der Bahn ist sie nach Traunstein gekommen, von wo sie mit einem Lastauto zum Schlosser in Hendenham gebracht wurde. Von da wurde sie am Sonntag, den 13. Juli in geschmücktem Wagen nach St. Florian gebracht. Dort fand dann ein kleiner feierlicher Empfang statt.“ Die anschließende Anbringung der Glocke im Turm war dann nochmal ein größeres Ereignis. Einige Zeitzeugen von damals haben folgendes erzählt: Von der Glockenstube (der Raum in dem sich die Glocken befinden) wurde durch das Schallloch ein langer Balken gesteckt und ein Seil, das an der Glocke befestigt war, darüber geschlagen um die Glocke hinaufziehen zu können. Unten mußten zwei Männer mit einer Kurbel das Seil mit der Glocke langsam nach oben bewegen.

Aber man hatte das Gewicht der Glocke unterschätzt. Kaum war diese ein kleines Stück angehoben und mit vollem Gewicht am Seil hängend, brach der Balken am Turm und die Glocke fiel wieder zurück auf den geschmückten Wagen. Zum Glück war sie noch nicht weit oben, sodass sie keinen Schaden erlitt, als sie am Wagen aufschlug. Und auch sonst ist nichts passiert. Nach dem ersten Schreck machten sich die Männer sofort auf die Suche nach einem stärkeren Vierkantholz und die Glocke konnte noch am gleichen Tag aufgezogen und wieder an ihrem alten Platz im Glockenstuhl befestigt werden. Aber die bei der Beschlagnahme 1942 mit heller Farbe auf den Rumpf geschriebene Nummer 19 / 20 schimmert, trotz späterer Entfernung, heute noch durch, ist immer noch lesbar und erinnert heute noch an die schlimmen Kriegserlebnisse. Auch an der Innenwand der Glocke ist diese Nummer noch sehr deutlich zu lesen.

Pfarrer Linsenmann *1880 + 1961, lebte von 1930 bis zu seinem Tod in Frasdorf. Von 1930 – 1954 als Pfarrer, dann im Ruhestand. Er ist auch hier beerdigt. Gemeinsam mit seiner Schwester Sofie wurde er in einem Grab an der östlichen Friedhofsmauer, nahe der Kirche beigesetzt. Die Glocke III kam nicht mehr zurück. Diese Wetterglocke haben wir nur noch in Gedanken in Erinnerung. Das Einzige, was auf deren Existenz hinweist, sind die Aussparungen für die Glockenseile in allen Stockwerken des Turms. Bis 2011 mußten ja die Glocken in St. Florian mit Hand geläutet werden, mit den Seilen, die durch alle Etagen, von den Glocken bis in die ebenerdige Sakristei durchgeführt wurden. Glockenläuten mit Hand war immer eine beeindruckende, ehrfürchtige, für die Ministranten sicherlich auch lustige Aktion. An den Schrank in der oberen Sakristei haben mehrere Leute geschrieben, wann sie hier geläutet haben. Offensichtlich ein prägendes Erlebnis, vielleicht auch verbunden mit einem besonderen Ereignis.

Die 2014 verstorbene Mesnerin Regina Heinze, die gute Seele der Florikirche, die „ihre Kirche“ über 60 Jahre betreut und die Glocken geläutet hat, wurde vor mehreren Jahren in einem Zeitungsartikel im OVB die „Glöcknerin von St. Florian“ genannt. Ein treffender, liebevoller Name. Als Regina Heinze bei ihrer Beerdigung im benachbarten Friedhof in Wildenwart ins Grab gesenkt wurde, wurde dies mit dem Glockengeläute „ihrer“ Kirche St. Florian begleitet. Ein würdevoller Abschied.Und auch heute noch rufen uns die beiden jahrhundertealten Glocken zu Gebet und Besinnung und regen uns mit ihrem Glockenschlag vielleicht ein wenig zum Nachdenken über Krieg und Frieden an. Und auch darüber, dass Friede nicht selbstverständlich ist.

Bitten wir die beiden Patrone der Florikirche, Florian und Anna, dass sie nicht nur in ihrer Kirche, sondern auch vom Turm mit ihren Glocken, schützend ihre Hand über die Heimat halten.

Text und Bildmaterial: Hildegard Osterhammer (nach Aufzeichnungen im Pfarrarchiv Frasdorf, Quellenband XIV der Aschauer Chronik-Kirchengeschichtliches, Heimatbuch Prien Band 1-Herrschaft Wildenwart, Angaben von Rupert Wörndl und Erzählungen von Zeitzeugen)

Übersetzung der lateinischen Inschrift: Pfr. Paul Janßen – Fotos: Franz Osterhammer


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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