35 Jahre aufmüpfiges Derblecken aus der Oberpfalz
Mittlerweile (2020) gibt es die Altneihauser Feierwehrkapell’n seit 35 Jahren. In dieser Zeit sind sie vom, vor allem im Oberpfälzer Wald rund um den Zoigl-Ort Windischeschenbach bekannten, Geheimtipp zu einer Größe im Musikkabarett-Bereich geworden, die auf Ihren Tourneen nicht nur in der Oberpfalz und den anderen Teilen Altbayerns, sondern auch in Schwaben, Franken und Thüringen, Festzelte und Hallen füllt.
Ich spreche mit dem Kommandanten der Altneihauser Feierwehrkapell’n Norbert Neugirg, der diesen Posten seit 1985 nebenberuflich und seit 2000 als freiberuflicher Kabarettist und Autor bekleidet.
Wo liegt dieses Altneuhaus?
Im Dialekt sagen wir Altneihaus, und das ist eine Felsformation im Naturschutzgebiet Waldnaabtal, die mit Recht in so gut wie keiner Karte eingezeichnet ist. Ein unbewohnbares Biotop, reich an Unkraut und Ungeziefer.
Und wie kam es zur Gründung der Feierwehrkapell’n?
Ein winterlicher Gedankenblitz am Faschingssamstag 1985. Mangels Geld für ein g’scheites Kostüm bemächtigten wir uns ebenso alter wie streng riechender Feuerwehrjacken, um am Abend beim Ball der DJK Windischeschenbach in den Saal eingelassen zu werden. Die heruntergekommenen Leihinstrumente aus dem Fundus der Jugendblaskapelle Neuhauser Boum standen den Jacken aus den Mottenspinden der Feuerwehrhäuser in nichts nach. Sämtliche Zutaten für unseren clownesken Molotowcocktail organisierten wir innerhalb weniger Stunden.
Welche Rolle spielt der Zoigl für die Altneihauser und ihren Kommandanten?
Der Zoigl ist das uralte Kultgetränk des Oberpfälzer Waldes und nur echt aus dem Kommunbrauhaus! In urigen Behelfswirtschaften rotten sich Menschen aller Stände zusammen und müssen ohne Ansehen der Person zusammenrücken. Das hat uns geprägt. Kommen Sie nach Neuhaus und Windischeschenbach, und sehen Sie selbst… warum wir so geworden sind.
Bis auf den Kommandanten haben die Kapellenmitglieder ja im richtigen Leben echte Berufe, führt das auch mal zu Problemen?
Zuweilen stört der schnöde bürgerliche Broterwerb den Spielbetrieb der Kapelle, zwingt aber andererseits den Kommandanten, temporär vermeintlich richtiger Arbeit nachzugehen.
Hat sich durch den stetig gestiegenen Bekanntheitsgrad etwas verändert (außer Interviewanfragen von der »zwiefach«), oder könnt ihr alle noch ganz normal am Zoigl gehen?
Wir gehen normal am Zoigl und versuchen, normal heimzukommen, was aber nicht immer gelingt. Im Gegensatz zu Hansi Hinterndreher, den Zillertaler Schlüpferzuzlern oder wie die alle heißen, müssen wir unsere Bühnengesichter nicht dauernd mit uns herumtragen. Bei mir kam schon mal einer an die Haustür und hat gefragt, ob denn mein Vater, der Kommandant der Altneihauser, daheim wäre.
Was macht der Kommandant, wenn er nicht im Namen des Zoigls unterwegs ist oder am Programm der Altneihauser bastelt?
Nach dem Wetter schauen. Die Leute aushorchen. Müll raustragen.
Bei euren Auftritten zeigt ihr immer wieder eine beeindruckende musikalische Bandbreite von traditioneller Blasmusik über Zwiefache und Balkanbrass zu swingenden Jazzstücken. Woher kommt ihr musikalisch?
Musikalisch kommen wir von der Kellersohle des Showbusiness, der Wald- und Wiesenblasmusik des flachen Landes. Ein paar von uns hatten Glück und erwischten Instrumentallehrer, die etwas mehr Ahnung hatten von Tuten und Blasen. Und dann haben wir ein paar Naturtalente. Musik studiert hat keiner von uns. Den Satz »Hat er studiert oder kann er’s?« möchte ich aber nicht unterschreiben. Ich kenne welche, die haben’s nicht studiert und können’s auch nicht.
Woher nehmt ihr euer Repertoire?
Wenn es irgendwie passt, nehmen wir alles, was so herumliegt oder -fliegt und versuchen es nachzuspielen. Es gab diesbezüglich schon zahllose Versuche, die im Irrtum endeten. Wenn wir dann mal ein Stück zusammenbringen, dann lesen wir nicht im Haferlschuhkoran nach, ob sich das für eine Kapelle aus Bayern schickt. Gegen die Dogmen der Volksmusik-Taliban sind wir immun. Die Altneihauser sind Anarchisten. Aus eigener Erfahrung halte ich nur an einer Regel fest, und die lautet: »Spielt es so gut wie möglich, schlecht wird’s von selber!«
Ihr spielt ja nicht nur Volksmusik, sondern eigentlich alles Querbeet. Wer ist der musikalische Kopf?
Peter Fuhrmann bläst bei uns Tenorhorn. Vorkriegsware, weil ihm sein schönes Bariton und die Posaune für die Altneihauser zu schade sind. Angeblich hat er auch ein Klavier und ein Akkordeon daheim, das er ebenfalls nirgends mit hinnimmt, wo sich die Altneihauser aufhalten. Er hat die Aufgabe, für die abstrusen Gedanken des Kommandanten ein musikalisches Pendant zu finden. Kein leichtes Unterfangen. Sprich: Auch wenn es sich nicht so anhört, wir proben hie und da.
Die allermeisten kennen euch von den Auftritten in Veitshöchheim. Wie sehr unterscheidet sich der Auftritt dort von »normalen« Auftritten?
Unsere Auftritte in Veitshöchheim sind kurz. Gott sei Dank, wer soll sich das alles ausdenken? Nicht auszudenken, wenn unser Beitrag im BR Fernsehen noch länger wäre. Sofern sich ein paar Verrückte finden, die uns engagieren, spielen wir das ganze Jahr über auf öffentlichen Bühnen unser Abendprogramm. Das dauert so zweieinhalb Stunden und hat eine Pause. Die Livesendung aus Veitshöchheim hat keine Pause, weshalb die Fernsehzuschauer ihre Notdurft verrichten, wenn die Tanzgarden auftreten, was ich unmöglich finde. Sind doch die Gardemädels die einzigen, die diese Sendung ernst nehmen.
Ihr spielt ja in eurem Auftreten mit dem Klischee des etwas rückständigen, ungepflegten und dem Alkoholgenuss zugetanem Oberpfälzers, teilt aber gleichzeitig gegen Preißn und Franken aus und lobt – zurecht – eure Nordoberpfälzer Heimat. Wie geht das zusammen?
Wenn wir unsere Heimat loben, dann den »Oberpfälzer Wald« oder die »Oberpfalz«. Von etwas anderem ist genauso wenig die Rede wie von Nordtirol. Aufgrund unserer Nähe zur böhmischen Grenze halten wir es mit dem braven Soldaten Josef Schwejk: Wir stellen uns dümmer als wir sind. Es mag den Anschein erwecken, dass das bei uns gar nicht geht. Na dann sollen sich die Franken doch Dümmere suchen, und die werden sie kaum finden.
Mit euren Versen und Stücken steht ihr in der bayerischen Tradition des Derbleckens. Sollte Volksmusik allgemein lustiger sein?
Also wenn schon lustig, dann bitte a bisserl grober, bairisch halt: »Und ist die Sau auch noch so sauer, morgen kommt der Fleischbeschauer!« Oder aufmüpfiger ( – aber das trau’n Sie sich ja eh nicht schreiben): »Die CSU regiert in manchem Nest, in Bayern ja schon seit der Pest, und in der Oberpfalz ist nicht ganz klar, ob die Pest nicht besser war.« Na dann schreiben’s halt das: »Der Oberpfälzer hat die Nerven, den Mut und auch die Kraftreserven, den Hintern jenen hinzurecken, die’s gelüstet, ihn zu lecken.«
Vielleicht noch ein Satz zur Feuerwehr. Gibt’s bei Euch auch echte Feuerwehrmänner?
Obwohl ich in meinen zehn aktiven Feuerwehr-Dienstjahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Wurz bei einigen gelungenen Totalabbränden die Hand im Spiel hatte, verblieb ich am untersten Ende der Karriereleiter. Ich war und blieb Feuerwehrmann. Das war im vergangenen Jahrtausend, als es noch dort brannte, wo es sinnvoll war. Die Löschgeräte, mit denen wir damals anrückten, waren schwer zu bedienen und selten rechtzeitig in einen Betriebszustand zu versetzen. Das steht heute alles im Museum und wartet darauf, dass ich ausgestopft nachkomme.
Mehr zum Zoigl, Fasching und der Kapell’n gibt es unter www.altneihauser.de
Norbert Neugirg ist nicht nur als Feuerwehrkommandant fleißig, sondern auch als Autor zahlreicher Bücher, die man hier erwerben kann: https://altneihauser.de/shop/
Text und Interview: Florian Schwemin
Interessante Beiträge zur Volksmusik: Zeitschrift Zwiefach
Zur Redaktion der »zwiefach« gehören ausgewiesene Fachleute aus den Bereichen Musikethnologie, Musikwissenschaft, Volksmusikpflege, Musikpädagogik oder Volkskunde. Sie sind z. T. bei renommierten Institutionen tätig.